Berlins überforderte Senatsbaudirektorin

Berlins überforderte Senatsbaudirektorin

Von Katrin Schoelkopf und Dirk Westphal

Ob es um den Flughafen Tempelhof geht oder um das Berliner Stadtschloss – fast immer trifft Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher einen schrägen Ton. Positive Akzente setzte sie bislang kaum, aber verärgert hat die Schweizerin schon viele. Und für Investoren ist sie oft nicht zu sprechen.

Es ist ein altes dunkles Gebäude, das der Senatsstadtentwicklung am Köllnischen Park gehört. Im dritten Stock hat Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ihr Büro. Architekturfotos schmücken die Wände, meist stehen frische Blumen auf dem Tisch. Ein geschmackvoll eingerichtetes Büro, aber auch ein sehr großes. Es wirkt, als könnte man sich darin verlieren. Und ein wenig trifft dies auch zu. In der politischen Gemengelage der Hauptstadt agiert zurzeit kaum jemand unglücklicher als Regula Lüscher.

Seit März 2007 ist die Schweizerin, die vom Senat aus Zürich nach Berlin gelockt wurde, im Amt. Einen guten Eindruck lieferte sie – zumindest öffentlich – selten. Was den denkmalgeschützten Flughafen Tempelhof anbelangt, schloss sie nicht aus, dass von diesem notfalls auch Teile abgerissen werden könnten, wenn dies dessen Nachnutzung diene. Der Flughafen habe „eine außerordentlich robuste Architektur, die auch Veränderung aushält“. Die Reaktion blieb nicht aus. So warnte nicht nur Wilfried Wolf von der Baukammer, den Flughafen von der Denkmalliste zu streichen.
Dem Verein zum Wiederaufbau des Stadtschlosses verweigerte Lüscher lange einen Ort für dessen Infobox am Schlossplatz. Neben den Baustelleneinrichtungen und der Halle für Gegenwartskunst sei kein Platz, argumentierte sie und trieb damit die Schlossfreunde auf ausweichende Infotouren durch Einkaufszentren. Bis die BVG das Standortproblem löste und den Schlossfreunden für ihre Infobox auf der Baustelle für die U 5 am Schlossplatz einen Ort zuwies.
Auch bei der Staatsoper sorgte die 46-Jährige für einen Fauxpas. Für den Umbau des Zuschauersaals führte Lüscher Regie über eine Ausschreibung, bei der sie die Sichtverhältnisse und Akustik über alles stellte. Nur verkannte sie, wie sehr sich einige Berliner um den Erhalt des Alten – bei der Oper des von Paulick geschaffenen Saals – sorgen. Und dafür auch bereit sind zu kämpfen. Selbst die von der SPD geführte Kulturverwaltung rügte daraufhin, dass die Ausschreibung unglücklich war.
Verbales Ungeschick bei der Eröffnung der US-Botschaft
Als wäre dies noch nicht genug Unbill, fiel Lüscher jüngst auch durch verbales Ungeschick auf. So erklärte sie bei der Eröffnung der US-Botschaft, der Bau strahle nicht die architektonische Brillanz aus, die der Pariser Platz verdient habe. Zwar mag dies durchaus zutreffen, immerhin war der Bau selbst von Architekturkritikern als „pancake“ oder Pfannkuchen verspottet worden, aber die Äußerung war denkbar undiplomatisch. Auch weil der Bau in jahrelanger Abstimmung mit den Amerikanern von Lüschers Amtsvorgänger Hans Stimmann abgesegnet worden war.
Die Äußerung demonstrierte die Schwäche Lüschers, die 16 Monate nach ihrem Amtsantritt von Mitarbeitern oft noch immer als „die Neue“ bezeichnet wird. Neu, weil alles, was nach ihrem Vorgänger Hans Stimmann kam, nur nachrangig sein konnte. Zumindest, was die Wucht des Auftritts betrifft, den Stimmann stets übte. Weil er mit Peter Strieder einen ebenso auftrittsuchenden und wortstarken Senator hinter sich hatte. Einen, der mit der Macht des Berliner SPD-Chefs ausgestattet vieles auch gegen Widerstände durchfechten konnte. Und der Stimmann auch deckte, wenn der mal inhaltlich danebentappte. Zwei, die sich das „Hans“ und „Peter“ zuwarfen und entschieden, wer in der Hauptstadt bauen durfte und wer nicht.
Lüscher hat keinen Strieder hinter sich, sondern Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die wie Lüscher ebenfalls kaum Akzente setzt und die ebenfalls eher eine „Abarbeiterin“ ist, wie Kollegen sagen. Junge-Reyer holte Lüscher , weil diese sich als fachlich kompetent bewiesen hatte. In Zürichs Städtebauamt hatte sie sich einen exzellenten Ruf erworben. Lüscher entwickelte dort Stadtquartiere. Aber ihre Sprache verliert sich in Details, ist akademisch. Keine, die verzaubert oder Bürgern das Staunen über Visionen des Bauens vermitteln kann. So spricht die Baudirektorin gern von „dialogischer Entwurfsstrategie“, die Anrainer, Architekten, Investoren, Lokalpolitiker bei Bauvorhaben frühzeitig in einen „Gestaltfindungsprozess“ einbinden sollte. Es wirkt ehrlich und bemüht. Aber reicht dies für eine Stadt von der Größe Berlins? Sie wolle „offen“ und „unvoreingenommen“ agieren, sagt sie. Und sie setze auf „Kontinuität und Veränderung“. Es sind Sätze, die das Konfrontative leugnen und die auf Ausgleich setzen. Sätze, die nicht wehtun und die einbinden sollen. Die aber verkennen, dass Berlin rauer ist als Zürich. Eine Stadt fern des eidgenössischen Konsensdenkens.
CDU: Regula Lüscher verliert sich in Details
Berlins Oppositionspolitiker tun sich nicht nur deshalb schwer mit Lüscher. Es sei ja „grundsätzlich gut, wenn neue Leute nach Berlin kommen. Auch macht dies neugierig. Aber wenn sie so wenig Ideen haben, können sie auch zu Hause bleiben“, sagt CDU-Fraktionsvize und Kulturexperte Michael Braun. Statt sich um „die großen stadtpolitischen Aufgaben wie etwa die Entwicklung des Gebiets südlich der Treptower Elsenbrücke“ zu kümmern, wo es teilweise aussehe „wie in der Dritten Welt“, verliere sich Lüscher in unwichtigen Details. Ganz falsch ist der Vorwurf nicht. So zog Lüscher unlängst das Verfahren für ein Café am Stuttgarter Platz an sich, weil ihr das vom Bezirk genehmigte Dach nicht gefiel.
Dagegen findet Lüscher für so zentrale Gebiete wie das Umfeld des Alexanderplatzes mit seinen zahlreichen Schmuddelecken auffällig wenige Worte. Anstatt Themen zur Agenda zu machen, vergräbt sie sich in Fachforen und Expertenhearings. Etwa solchen zur Bebauung des Klosterviertels. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Quartier soll wieder aufgebaut werden. Ende Juni tagte dazu eine Fachgruppe mit Historikern und Architekten im Neuen Stadthaus am Molkenmarkt.
Die Schweizerin ist keine Frau der Öffentlichkeit
Lüscher wirkte, als verstecke sie sich hinter dem Podium. Und ein wenig ist es auch so. Die Schweizerin ist keine Frau der Öffentlichkeit. Sie geht Interviews aus dem Weg und widerruft auch mal solche, die sie bereits gegeben hat. Sie agiert im Stillen und sie ist still. Sie nutzt die leise Sprache einer Fachfrau, es ist nicht der Duktus einer Stadtplanerin, die Akzente setzen will. Der Schweizerin fehlt zudem der Stallgeruch der Berliner Sozialdemokratie, und dies behindert sie im Umgang mit einigen Genossen. Sicher, sie wurde bewusst als Fachfrau eingekauft. Als Unpolitische. Was als Vorteil in einer von Parteien dominierten Verwaltung gedacht war, entpuppte sich als Nachteil. „Sie bekommt einfach kein Bein auf den Boden“, sagt Franziska Eichstädt-Bohlig, Bauexpertin der Grünen. Lüscher allein sei nicht das Problem. Dem rot-roten Senat insgesamt fehlten die stadtentwicklungspolitischen Visionen. Er verliere sich in „projektgebundener Problemabarbeitung“. Aber mit der Politik und dem Verhältnis zwischen Senat und Bezirken sei Lüscher überfordert.
So arbeitet Lüscher zurzeit das von Stimmann vorgegebene Planwerk Innenstadt ab, das einen Generalentwurf für die gesamte Innenstadt vorgab und zeitgenössischer Architektur Grenzen setzt. Keine allzu ambitionierte Aufgabe wenn man, wie die Staatssekretärin öfter erklärte, eigentlich moderne Architektur fördern möchte. Mitleid weist Lüscher aber zurück. „Ich habe mir diese Aufgabe ausgesucht.“ Von einem „Traumjob“ sprach sie, als sie sich im Januar 2007 der Öffentlichkeit vorstellte. Mittlerweile dürfte sich diese Euphorie gelegt haben.
Investor soll ein halbes Jahr auf einen Termin gewartet haben
Sie müsste Pflöcke einschlagen und sagen, was sie will. Aber sie tut es zu selten. Zu akademisch, zu zögerlich, abgehoben bis arrogant, politische Realitäten missachtend, lauten die Urteile. So wird der Fall eines Investors kolportiert, der ein halbes Jahr erfolglos versuchte, mit der Baudirektorin einen Telefontermin zu vereinbaren. Ein anderes Mal verhalf sie ihrem Ex-Mann zur Teilnahme bei einer Podiumssitzung – gegen Honorar. Sie habe manches „nicht auf dem Radarschirm politischer Empfindsamkeiten“, sagt ein Mitarbeiter.
Junge-Reyer holte Lüscher wohl auch, weil sie als „ungefährlich“ galt. Kein Stimmann, der den Chefs die Show streitig macht. Sie spricht von ihrem hohen Qualitätsanspruch, den sie als Stadtplanerin verwirklichen will. Manch einer will ihr dies nicht mehr allein überlassen. So beäugt Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) die Planerin seit einiger Zeit genau, wenn sein Ressort wie bei der Oper involviert ist. Regula Lüscher verantwortet ein großes Arbeitsgebiet. Scheinbar ist es zu groß.

Berliner Morgenpost, 20.07.2008