„Berlin muss eine Altstadt wieder aufbauen“

16.08.2021   B.Z. Berlin

Von Hildburg Bruhns

Das Berliner Schloss steht wieder an alter Stelle und in barocker Pracht. Geht noch mehr? Berlins erster Politiker fordert jetzt ein Comeback der Altstadt! Die SPD will rund um den Molkenmarkt alte Straßenverläufe und bedeutende Bauten wie das Graue Kloster rekonstruieren lassen.

„Wir müssen dem Kern Berlins seine Identität zurückgeben“, sagt SPD-Kulturexperte Frank Jahnke (64).„Mit den alten Straßenverläufen, aber vor allem mit kleinteiliger Bebauung, unterschiedlichen Höhen und Fassaden.“

Jahnke hat dabei die künftige Bebauung des Molkenmarkts gegenüber Nikolaiviertel und Rotem Rathaus im Blick. „Wir brauchen keine neuen Kästen“, so der Politiker. Ihm schwebt eine Rekonstruktion wie am Frankfurter Römer vor. Zumindest einige „Leitbauten“ müssten wieder rekonstruiert werden wie das Graue Kloster.

Weder mit Lupe auf dem Stadtplan noch mit Fernglas bei einer Stadtführung würde man noch viele historische Bauten am ältesten Markt der Stadt entdecken.

Denn von den 1500 Bauten der historischen Altstadt (vor dem Jahr 1840) sind nur noch zwölf erhalten – meist Kirchen. Allein die Nazis machten in den 30er-Jahren Tabula rasa bei 50 Häusern. Dann fielen die Bomben im Krieg, und den Rest erledigte die DDR in den 60er-Jahren mit ihrer sechsspurigen Magistrale Leipziger Straße / Mühlendamm / Grunerstraße.

Neues Antlitz für Berlins Altstadt – das Thema ist brandaktuell!

Nach langer Sondierungsphase will der Senat jetzt planen. Mittwoch gibt‘s einen Infoabend für Bürger. Und Ende des Monats startet ein Wettbewerbsverfahren für Architekten.

Die Baufelder werden bereits frei gemacht, indem die Grunerstraße direkt ans Rote Rathaus verlegt wird (bis 2024) und Archäologen die Flächen nach Mittelalter-Überresten durchwühlen.

„Die Stadt muss sich ihrer eigenen Geschichte stellen. Auch, wenn es kein prächtiges, reiches Viertel war, sondern eine normale bürgerliche Altstadt mit Barockhäusern“, sagt Stadtforscher Benedikt Goebel (53).

Die bisherigen Senatspläne mit nur 36 Baugrundstücken gefallen ihm nicht. „Der Senat will nur die beiden Baugesellschaften Degewo und WBM beauftragen. Das bedeutet, eine Tiefgarage, ein Block und alle 20 Meter eine andere Farbe.“

Goebels Idee: „Besser wäre, die historische Parzellierung mit 100 verschiedenen Grundstücken aufleben zu lassen“, sagt er. „Und, wenn der Senat dann die Bürger machen lässt, entsteht eine Stadt mit Gesichtern, keine Siedlung!“

Beim Bausenat ist von unterschiedlichen Erwartungen die Rede, die bislang geäußert wurden. „Der anstehende Prozess startet mit einer großen Offenheit gegenüber verschiedenen Konzepten und Planungsansätzen“, heißt es. Die Planer werden EU-weit gesucht.

Alter Glanz mit neuem Schloss

Nach acht Jahren Bauzeit wurde das Berliner Schloss am 21. Juli eröffnet – zumindest die ersten drei Etagen mit sechs Ausstellungen.

Der Bau hat an drei Seiten und teilweise auch im Inneren 750 Meter Fassade, die auf alt getrimmt sind. Ganz barock mit Adlern und Sieben-Meter-Säulen, für die mehr als 100 Millionen Euro gespendet wurden. Damit das 1950 gesprengte Schloss wieder auferstehen konnte, musste ein DDR-Renommierbau abgerissen werden: der Palast der Republik.

15 Nachbauten im Dom-Römer-Quartier

Zum Bürgerfest nach der Eröffnung des Dom-Römer-Quartiers kamen 300.000 Neugierige.

Ausgerechnet die Mainmetropole mit den vielen Banken-Wolkenkratzern hat die Altstadt neu erweckt. Sie war 1944 von Bombern in Schutt und Asche gelegt worden. Zunächst stand dort ein 70er-Jahre-Klotz (Technisches Rathaus), der abgerissen werden musste.

Auf den frei gewordenen 7000 m² wurden 35 Neubauten errichtet – davon 15 als „schöpferische“ Nachbauten der alten Gebäude. Die Dachform war ebenso vorgegeben wie die Materialien.

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Quelle: B.Z. Berlin, 16.08.2021

 

 

 

 

 

7 Kommentare zu “„Berlin muss eine Altstadt wieder aufbauen“

  1. Es geschehen noch Zeichen und Wunder!
    In Berlin ist der gesunde Menschenverstand im Kommen!
    Genug der hässlichen Betonklötze!
    Jawoll, eine neue ´Altstadt´ ist in Planung.
    Hoffentlich kommen nicht wieder die bekannten Bedenkenträger und verbohrten Ideologen, die alles
    sabotieren wollen!
    Berlin soll wieder schön werden!

  2. Genauso, ist auch mein Empfinden.
    Es gab Zeiten da hatten Gebäude noch Ausstrahlung und Spiegelten den Glanz jener Epoche.
    Ein Blick nach Prag zeigt auf was auch Berlin mal hatte.
    Warum nicht an markanten Plätzen der Stadt nur alte Kandelaber wieder zum leuchten bringen ?
    Das Umfeld soll auch wieder in alten Baustiel das alte schöne Berlin ein neues Gesicht geben.

  3. Grundsätzlich begrüßenswert. Jedoch vermute ich hier wieder eine gewisse Halbherzigkeit. Auch am Berliner Schloß, durch dessen Rekonstruktion eine große Wunde in Berlin geschlossen werden konnte, wurde die im Artikel erwähnte Berliner Identität nicht umgesetzt. Es fehlen noch immer die Terrassen, die Rossebändiger, die Oranierfürsten, der Schloßbrunnen. Vor dem Eosanderportal wird durch einen modernistischen Schaukelbau noch vorhandene Reste der historischen Bebauung und wertvolle Mosaiken beschädigt, sondern auch der Wiederaufbau der Kolonnaden verhindert.

    1. Das wäre als hätte man in New York nach Abräumen der Trümmer (11. Sept.) eine Wiese angelegt anstelle des Wiederaufbaus des Downtown Areals.

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