Berlin liegt richtig: Grüne Wiese auf dem Schlossplatz eröffnet

Berlin liegt richtig: Grüne Wiese auf dem Schlossplatz eröffnet

Wer vom Rand aus schaut, sieht nur eine Wiese mitten in der Stadt, ohne Baum oder Strauch, durchbrochen von Holzstegen, ein viereckiges Stück Grün, in dem sich die Streifen abzeichnen, die entstehen, wenn der Rasen nicht ausgesät wird, sondern ausgerollt. Wer von außen schaut, für den hat sich kaum etwas verändert. Dabei ist alles anders. Jahrelang wurde der Berliner Schlossplatz von allen Seiten angesehen. Nun sieht man von ihm aus auf alle Seiten.

Seit einer Woche wächst Gras über der symbolischen Mitte des Landes. Dort, wo seit Anfang des Jahres der Palast nicht mehr und wenigstens für ein Jahr das Schloss noch nicht steht, liegt nun der Rollrasen der Republik. Als vor drei Jahren die Idee aufkam, zwischen der Vergangenheit und der Zukunft des Ortes eine grüne Pause zu machen, wurde sie schnell als Bundesrasenschau verlacht. Das Niveau der Debatte um den angeblich wichtigsten Platz des Landes schien auf Höhe der Grasnarbe angekommen zu sein. Für die kurze Zeit, in welcher der Platz noch einmal etwas anderes sein konnte, bevor er für immer das sein würde, was er vor mehr als sechzig Jahren schon war, keine andere Idee zu finden als eine gärtnerische, hatte etwas von einem Offenbarungseid.

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Ein riesiger grüner Punkt, für einen Sommer
Wer sie betritt, der sieht, wie die Stadt Aufstellung nimmt um ihn – wie ihre Fassaden den Platz einhegen, wie alle Gebäude sich auf ihn beziehen, wie der Bauplan des Ganzen sich in ihm trifft. Alle Gebäude, die den Schlossplatz umstehen, der Dom, das Alte Museum, der Fernsehturm, der Marstall, das ehemalige Staatsratsgebäude und die Friedrichswerdersche Kirche, sortieren sich um diese Fläche, die einen Sommer lang nun ein riesiger grüner Punkt ist. Von außen mag es so wirken, als sei diese Mitte leer. Aber sobald man darin steht, ist man es auf einmal selbst, der sie einnimmt.

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FAZ, 17.07.2009