Humboldt-Forum
Auch Europa und der Islam gehören ins Schloss
Berlin – Kürzlich kam die internationale Ratgebergruppe für das Humboldt-Forum in Berlin zusammen. Es ging um die erstklassigen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst, die hier neben Bibliotheken und der Agora unterkommen sollen. An sich waren die vierzig Museumsfachleute aus Nordamerika, Afrika, Asien und Europa begeistert von der Idee, die Schätze aus dem 50-jährigen Dahlemer Exil wieder in die Innenstadt zu bringen. Eine große Chance – so der Tenor. Doch dann kam die Kritik. Und die war so fundamental wie selten an Berliner Planungen seit dem „Museumsstreit“ der frühen 1990er-Jahre, als um den Bau der Neuen Gemäldegalerie am Kulturforum gestritten wurde.
Kritik in drei Punkten
Vor allem drei Punkte fielen den Ratgebern auf: Erstens, dass das Museum für Europäische Volkskunde immer noch einen eigenen Neubau am Kulturforum erhalten soll. Zweitens, dass zwei Institutionen, wenige Schritte voneinander entfernt, ähnliche Geschichten erzählen sollen: Nämlich das Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum und die Abteilung des Ethnologischen Museums für islamisch geprägte Kulturen Asiens und Afrikas im Humboldt-Forum. Wozu braucht es diese Doppelung – um den Begriff der „Kunst“ vor kulturhistorischer Vereinnahmung zu schützen, wie mancher Kritiker vermutet?
Und drittens wurde heftig moniert, dass die künftigen Nutzer des Humboldt-Forums viel zu wenig in dessen Planung involviert sind. Die Fachwissenschaftler würden nicht ausreichend beachtet, geschweige die Besucher. Selbst für Museumsleute aus Kenia war die Abneigung der Berliner Museen, deren Interessen zu erfragen, gar die in der Stadt ansässigen Einwanderergruppen aus aller Welt in ihre Planungen zu integrieren, schlichtweg unverständlich.
Großes Interesse an den Plänen
Immerhin, diese Mahnung hat offenbar erste Früchte getragen: Am Mittwochabend werden die neuesten Pläne für das Humboldt-Forum einem breiteren Publikum vorgestellt. Wie groß das Interesse ist, zeigt, dass die Veranstaltung sehr kurzfristig von den kleinen Sälen des Kronprinzenpalais in das Audimax der Humboldt-Universität verlegt werden musste. Wollen die Berliner also wirklich die museale Trennung zwischen den als europäisch betrachteten Kulturen auf der Museumsinsel und am Kulturforum und jenen der restlichen Welt im Humboldt-Forum?
Die Ergebnisse einer solchen Trennung sind teilweise absurd. Im Ethnologischen Museum in Dahlem etwa hört die Geschichte Mittel- und Südamerikas mit der Eroberung durch Spanier und Portugiesen auf. Die sechshundert Jahre kultureller Entwicklung, die seit der „Entdeckung“ durch Kolumbus 1492 kulturell stattfanden, werden weitgehend ausgeblendet, um bloß nicht die Konstruktion einer in sich geschlossenen, ethnisch getrennten Kulturentwicklung in Gefahr zu bringen. Brasiliens Barock, Mexikos Klassische Moderne, der Tango oder die Salsa und ihre europäischen Töchter – Fehlanzeige.
Aber auch der inzwischen oft geforderte Ausweg in die Ästhetisierung der Objekte überzeugt nicht: Im Pariser Musee Quai Branly werden Masken, Federmäntel, mächtige Totempfähle und kostbarer Schmuck in magisch dunkler Umgebung gezeigt. Mühsam findet man einige Erklärungen. Die Objekte sind hier nur Beutestücke, die dem gerade geltenden europäischen Geschmack entsprechen.
Auch die Flucht in den Kulturvergleich ist, wenn er Europa ausschließt, kaum überzeugend: In einer Ausstellung im Berliner Alten Museum, die das Humboldt-Forum vorbereiten sollte, wurde allen Ernstes die Verhüllung des Kopfes als Teil von islamisch geprägten Kulturen gezeigt – als wenn unsere Großmütter je ohne Hut aus dem Haus gegangen wären.
Unsere Selbstgewissheit verunsichernde Geschichten gehören ins Humboldt-Forum
Eher einen gangbaren Weg zeigt da das National Museum for American Indian in Washington, das in Teilen von einigen Indianerstämmen selbst gestaltet wurde: Hier lernt man, dass der Walzer von einigen Ostküsten-Stämmen als Volksmusik adaptiert wurde, „indianische“ Schmuckmotive sich hingegen schon um 1900 an Chicagoer Hochhäusern finden. Solch changierende, unsere Selbstgewissheit verunsichernde Geschichten gehören ins Humboldt-Forum, nicht der erstaunte Blick auf das Exotisch-Fremde.
Vor allem aber dürfte ein neuer, auch von den Ratgebern leidenschaftlich umstrittener Vorschlag die Debatte um das Humboldt-Forum in den kommenden Monaten beleben: Warum soll nicht einfach das Museums für Islamische Kunst aus dem Pergamonmuseum auch in den Neubau verlegt werden? Platz wäre genug. In der Verwaltung der Staatlichen Museen herrscht, kaum verwunderlich, eisiges Schweigen: Sind doch die Pläne für den nicht nur von Denkmalpflegern und Heimatschützern heftig kritisierten Radikalumbau des Pergamonmuseums genehmigt. Und keine Verwaltung plant gerne neu.
Doch die Idee der Vereinigung der islamischen Sammlungen im Humboldt-Forum hat viel für sich. Hier kann ohne denkmalpflegerische Widerstände ein großer, von Naturlicht durchfluteter Saal für die einzigartige frühislamische Mschatta-Fassade entstehen. Im Pergamonmuseum hingegen müssen aus statischen Gründen massige Pfeilerreihen in den Weg und die Sicht der Besucher gestellt werden. Auch soll die Mschatta-Fassade nur unter Kunstlicht gezeigt werden, das niemals an den Farbreichtum der Natur heranreicht. Wie wenig die Museen selbst von ihren Planungen überzeugt sind, zeigt, dass sie die neuesten Pläne zum Mschatta-Saal trotz mehrmaliger Nachfrage nicht veröffentlichen wollen.
Im New Yorker Metropolitan Museum soll das neue Zentrum der dortigen islamischen Abteilung ein maurischer Hof sein. Was spräche dagegen, in Berlin die zart gemalten Wände des Aleppo-Zimmers mit einem Nachbau jenes intimen Gartenhofes zu verbinden, auf den es einst blickte? Nur im Humboldt-Forum wäre das möglich.
Mschatta als Dynamo
Bisher hat es keine Ikone gefunden, wie sie die Nofretete-Büste für die Museumsinsel ist. Mschatta könnte ohne Weiteres diese Ikone werden, seiner Größe, seiner Schönheit wegen. Und nur das Museum für islamische Kunst hat Sammlungen, die physische und geistige Brücke schlagen können zu allen anderen Museen im Humboldt-Forum – auch in China, Europa und Südamerika gibt es Muslime – und zugleich zur Museumsinsel mit den Antikensammlungen und jenen der christlich geprägten Kunst.
Mit der von den Ratgebern angeregten Verlagerung des Museums für Europäische Kulturen und des Museums für Islamische Kunst ins Humboldt-Forum würden der Neubau am Kulturforum und der teure Umbau des Pergamonmuseums obsolet. Auch der Neubau einer Gemäldegalerie neben dem Bode-Museum könnte eingespart werden. Denn die bisher für das Museum für Islamische Kunst vorgesehenen Räume im Pergamonmuseum sind einst für die Ausstellung von Gemälden und Skulpturen gebaut worden.
Vor allem aber wäre endlich der Geburtsfehler des Humboldt-Forums aufgehoben: Die kulturhistorisch widersinnige Idee, es gäbe eine „europäische“ und eine „außereuropäische“ Kultur.