„Ist es richtig, das Bibelzitat am Schloss verschwinden zu lassen“

05.11.2022 – B.Z. Berlin

 

Einmal die Woche diskutieren in der B.Z. Berlins Ex-Regierende Eberhard Diepgen (CDU) und Walter Momper (SPD) über Themen, die die Hauptstadt bewegen. Heute geht es um das Berliner Schloss.

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Eberhard Diepgen: Nein, das erinnert an Bilderstürmerei

Das von Ulbricht gesprengte Schloss, nach dem Krieg noch in großen Teilen nutzbar, sollte weitgehend rekonstruiert werden. Damit haben sich offensichtlich bis heute eine Reihe von politischen Aktivisten nicht abgefunden und so kann ein Satz der Kulturstaatsministerin, „wir wollen das Schloss nicht abreißen“, schon Freude hervorrufen.

Aber der Streit geht immer weiter: um das Kreuz auf der Kuppel oder den Bibeltext unter ihr. Angeblich dokumentieren beide den Herrschaftsanspruch des Christentums. Bei einem historischen Bau wäre das als Hinweis auf die Geistesgeschichte Deutschlands und Europas nicht bereits kritikwürdig.

Die Forderung nach Tilgung solcher Spuren zeigt Geschichts- und Gedankenlosigkeit. Mich erinnert der Eifer, mit dem der Kampf gegen Kreuz und Bibeltext geführt wird, an Bilderstürmerei.

Der Eifer steht auch im Widerspruch zu sonstigen politischen Bekenntnissen. Ich stelle mir die Kommentare aus der deutschen Außenpolitik vor, wenn in einem islamischen Staat Bibeltexte von historischen Gebäuden entfernt werden.

Wir fordern überall das Recht auf ein eigenes Bekenntnis. Wir fordern Toleranz und weisen auch gerne darauf hin, dass ohne eine eigene Position jedes Bekenntnis zur Toleranz zu einem hohlen Geschwätz wird. Aber am Schloss soll ein Bekenntnis verhüllt, christliche Geschichte aus der Erinnerung verdammt werden.

Hinzu kommt, dass die Kritiker die Inschrift auf der Kuppel einseitig interpretieren. Nur weil sie von einem preußischen König aus verschiedenen Bibeltexten zusammengestellt wurde, ist sie nicht gleich diskreditiert. Der Mensch soll sich nur vor Gott beugen und vor keiner irdischen Macht. So hat der katholische Bischof von Berlin den Text ausgelegt.

Die Entscheidung nach eigenem Gewissen ist die Forderung unserer Zeit. In den Ausstellungen und vielen sonstigen Texthinweisen im Humboldt Forum gibt es eine kritische Auseinandersetzung mit den politischen und religiösen Entwicklungen auf allen Kontinenten.

Für diese sachliche Auseinandersetzung müssen wir uns nicht an der Fassade des Gebäudes von eigener Geschichte distanzieren. Das gilt auch für sogenannte Kunstprojekte.

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Walter Momper: Nein, es sollte bleiben, wo es jetzt steht

Frau Roth sollte den Spruch nicht entfernen lassen. Der Spruch wurde von König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861) ausgewählt und 2020 an der Kuppel rekonstruiert. Dort heißt es wörtlich:

„Es ist in keinem anderen Heil, … denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden oder unter der Erde sind“.

Die Stiftung Humboldt Forum hat dazu eine Tafel auf der Dachterrasse mit folgendem Text anbringen lassen: „Alle Institutionen im Humboldt Forum distanzieren sich ausdrücklich von dem Alleingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des Christentums, den die Inschrift zum Ausdruck bringt.“

Ich bezweifle, ob damit der Alleinvertretungsanspruch der christlichen Religion zum Ausdruck gebracht werden sollte. Das ist nicht so. Ursprünglich stammt dieser Text aus dem Brief des Paulus an die Philipper (Phil 2,6-11). Der Spruch rief dazu auf, nur vor Christus zu knien und nicht vor dem römischen Kaiser. Es war also ein Spruch, der sich gegen den Herrschaftsanspruch des römischen Kaisers gewandt hat.

Der katholische Erzbischof von Berlin, Heiner Koch, hat gesagt, dass die Bibelworte auch heute noch so zu verstehen sind, nämlich „dass die Menschen sich nur vor Gott verbeugen und keiner irdischen Macht diese Ehre erweisen sollen.“ Daraus spreche eine große Freiheit. Das ist eine zutreffende Interpretation.

Das Humboldt Forum ist eine Replik des alten Schlosses. Es ist nicht das Schloss selber. Aus diesem Grunde hat man auch das Kreuz auf der Kuppel belassen, das sich ursprünglich über der Kirche im Stadtschloss befand. Auch dieses Kreuz ist jetzt wieder angebracht worden, um der historischen Herstellung des alten Schlosses Rechnung zu tragen.

So sollte man es auch mit den Sprüchen König Friedrich Wilhelms IV. halten. Die Stiftung Humboldt Forum hat sich mit der Tafel auf der Dachterrasse bereits davon distanziert, dass der Spruch möglicherweise einen Herrschaftsanspruch des Christentums aussprechen könnte. Das muss reichen.

Im Übrigen sollte man die historische Inschrift lassen, um auch an das Denken des 19. Jahrhunderts in Bezug auf die Religion zu erinnern. Diese Distanzierung, ob angebracht oder nicht, muss reichen.

Das Bibelzitat am Stadtschloss muss nicht verschwinden.

 

Quelle: B.Z. Berlin, 05.11.2022

 

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Ein Kommentar zu “„Ist es richtig, das Bibelzitat am Schloss verschwinden zu lassen“

  1. Immerhin: Gleich zwei Stimmen der Vernunft aus ganz verschiedenen politischen Richtungen. Das sollte Frau Roth und ihren Gesinnngsgenossen zu denken geben.

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