„Der Mann, der das Herz der Hauptstadt heilte“

17.10.2022  –  WELT

Von Rainer Haubrich

Drei Jahrzehnte lang kämpfte Wilhelm von Boddien für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Jetzt sind seine Memoiren mit vielen unbekannten Episoden dieser Erfolgsstory erschienen – etwa wie er versuchte, Helmut Kohl für das Projekt zu gewinnen.

Es ist eine unglaubliche Geschichte. Ein Mann verwirklicht gegen alle Widerstände und Wahrscheinlichkeiten seinen Jugendtraum: das 1950 von den Kommunisten gesprengte Berliner Schloss im Herzen der Hauptstadt zu rekonstruieren.

Als 19-Jähriger sah Wilhelm von Boddien den verödeten Schlossplatz in Ost-Berlin, und im Alter von 79 Jahren stand er, still seinen Triumph genießend, inmitten der barocken Pracht des Schlüterhofes, als man das fertige Gebäude mit dem Humboldt Forum eröffnete. Stolze 110 Millionen Euro an privaten Spenden hatten er und seine Mitstreiter gesammelt.

Jetzt sind Wilhelm von Boddien Memoiren erschienen, in denen er die vielen Wendungen und Episoden in diesem 30 Jahre währenden Kampf Revue passieren lässt: „Abenteuer Berliner Schloss. Erinnerungen eines Idealisten“ (Wismut & Zohlen).

Er hat sie alle kommen und gehen sehen: Das Schloss-project beschäftigte drei Bundeskanzler, elf Bauminister und fünf Kulturstaatsminister, dazu drei Regierende Bürgermeister und sechs Senatoren für Stadtentwicklung.

Die große Konstante war er, der Hamburger Kaufmann, der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss, der 1993 mit dem genialen Coup der Schloss-Attrappe einen ersten Etappensieg feiern konnte: Viele Gegner einer Rekonstruktion erkannten damals, wie wichtig der Schlosskörper für den architektonischen Zusammenhalt der Mitte Berlins war.

Wie sein Buch beweist, ist Wilhelm von Boddien nicht nur ein erfindungsreicher und hartnäckiger Kämpfer für das Schloss, er ist auch ein begabter Erzähler. Man liest sich fest in den gut portionierten Kapiteln, etwa wenn er beschreibt, wie es ihm gelang, beim CDU-Bundesparteitag 1993 in Berlin zu Helmut Kohl vorzustoßen, um den damaligen Kanzler für das Schloss-Projekt zu gewinnen.

Hanna-Renate Laurien, die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, hatte Boddien durch alle Kontrollen bis in die erste Reihe geschmuggelt und ihm gesagt, er solle den Kanzler so lange mit seinem Blick fixieren, bis er ihn wahrnehme. Das gelang, und Kohl winkte Boddien aufs Podium, hörte ihm gut zu, machte ihm aber wenig Hoffnung: Die CDU stehe gerade nicht so gut da im Osten des Landes, da könne er sich nicht gegen den Palast der Republik aussprechen.

Es ist nur eines der vielen Beispiele für die Beharrlichkeit Boddien. Er zitiert den Historiker Christoph Stölzl, der bei einem Spendenabend für das Schloss zu den Gästen sagte: „Boddien ist wie ein Terrier und beißt sich in Ihrer Wade fest. Geben Sie ihm, was er haben möchte, sonst werden Sie ihn nicht mehr los!“

Was der glücklichste Moment in der langen Schloss-Geschichte gewesen sei, wurde er zur Vorstellung seines Buches gefragt. Und Boddien erzählte von einem Sommerabend kurz nach der Eröffnung des Schlosses. Er habe gerade sein Fahrrad in den Schlüterhof geschoben und sich den Tischen des Restaurants genähert. „Auf einmal erkannten mich zwei Gäste und fingen an zu klatschen, und Schließlich standen alle Anwesenden auf und applaudierten.“

 

Quelle:  WELT, 17.10.2022

 

 

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