„Berliner Flussbad-Verein sieht Fragen zur Wasserqualität geklärt“

03.05.2022 – Der Tagesspiegel

Der Spreekanal könnte laut den Initiatoren mit verringertem Aufwand zum Baden hergerichtet werden. Im Moment dominiert aber ein anderer Streit.

Von Stefan Jacobs

Die Initiatoren des Flussbad-Projektes am Spreekanal wollen ihr Vorhaben mit deutlich verringertem Aufwand realisieren. In viereinhalb Jahren Forschung habe sich erwiesen, dass der notwendige Filter beiderseits der historischen Jungfernbrücke deutlich kleiner werden könne als angenommen, teilte der Verein bei einem Pressetermin am Dienstag mit.

Dadurch entfalle auch der Bau eines Hochwasserableiters unter der Kanalsohle, der eine Großbaustelle in denkmalgeschützter Umgebung und den Verbrauch von Unmengen Beton bedeutet hätte. Auch das vorhandene Wehr neben dem Auswärtigen Amt könne voraussichtlich weiter genutzt werden.

Als „entscheidenden Durchbruch“ bezeichnet der Verein die vom Ingenieurbüro Akut Umweltschutz präsentierten Forschungsergebnisse, die auf Tests mit sechs verschiedenen Filtersystemen beruhen sollen – beispielsweise mit Kies, Blähton, Lava, Muscheln und Pflanzen, bei Bedarf kombiniert mit UV-Bestrahlung. Demnach sei in aller Regel eine gemäß der EU-Badegewässerverordnung mindestens „gute“, oft auch „ausgezeichnete“ Wasserqualität erreichbar. Hauptkriterium dafür ist die Konzentration der Kolibakterien, also Keime.

Die nehmen überhand, wenn bei starkem Regen Dreck aus der innerstädtischen Mischkanalisation in den Kanal oder spreeaufwärts zwischen Osthafen und Mühlendammschleuse überläuft. Durchschnittlich 6,5 solcher Überlauftage habe es in den Sommerhalbjahren seit 2014 gegeben. Wenn die Dreckflut kommt, müsse der Spreekanal für wenige Tage gesperrt und das Baden verboten werden .Immerhin kommen die stets durch Starkregen ausgelösten Überläufe nicht überraschend und werden von den Wasserbetrieben automatisiert gemeldet.

Insgesamt sei die Wasserqualität der Spree besser als angenommen, lautet das Fazit nach rund 1700 Laboranalysen. Perspektivisch soll der Kanal vor allem profitieren, indem die Wasserbetriebe den größten dort mündenden Überlauf aus der Kanalisation abkoppeln – was enorm aufwändig ist, aber der Spree insgesamt zugutekäme, mit oder ohne Flussbad.

Die spiegelnde Wasserfläche um die Jungfernbrücke bleibt nun doch erhalten

Da der Filter fürs Flussbad mit etwa 1700 Quadratmetern nicht einmal halb so groß werden soll wie ursprünglich geplant, sehen die Flussbad-Initiatoren auch einen Konflikt mit dem Denkmalschutz entschärft. Denn der Spreekanal soll im Bereich um die historische Jungfernbrücke nun nicht mehr auf ganzer Breite von Pflanzen bestanden sein, sondern nur noch am östlichen Rand, so dass der Eindruck des spiegelnden Wassers nicht verlorengehe.

Um 35 bis 42 Prozent sollen die Kosten gegenüber der früheren Planung sinken, teilt der Verein unter Berufung auf eigene, nicht verifizierte Berechnungen mit. Eine angesichts der Inflation inzwischen überholte Kostenschätzung von 2018 ging von 69 Millionen Euro aus – wobei zwischen Befürwortern und Kritikern umstritten ist, welche Kosten dem Flussbad-Projekt zugerechnet werden können, da der gemauerte Kanal insgesamt sanierungsbedürftig ist.

Aktuell wird um die Treppe am Humboldt-Forum gestritten

Akut wird um die Kosten der vor dem Humboldt-Forum geplanten Freitreppe gestritten, die sich – je nach betrachtetem Bezugsjahr – vervierfacht haben sollen, oder nach den Worten von Flussbad-Initiator Tim Edler lediglich um 23 Prozent gestiegen sind. Nach Angaben von Edler „wäre es fürs Land Berlin sogar teurer“, die Treppe nicht zu bauen, weil die Lücke in der Uferwand ohnehin geschlossen werden müsse und Berlin für die Treppe bereits Fördergeld erhalten habe, das dann zurückgezahlt werden müsse. „Das Problem mit der Treppe liegt allein in den verschiedenen Verwaltungen. Es gibt keine sachlichen Hindernisse.“

2021 hatten Prominente um den früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse die Gestaltung der Treppe in Nachbarschaft der geplanten „Einheitswippe“ scharf kritisiert und zum Rundumschlag gegen das Flussbadprojekt ausgeholt. Edler sagt: „Wir haben versucht, die Fehler in dieser Darstellung zu korrigieren und zum Gespräch eingeladen.“ Man habe aber keine Reaktionen bekommen.

Wo die Freitreppe geplant ist, hat die Ufermauer eine Lücke

Als Beispiel für die Fehler nennt Edler die Annahme, dass die Freitreppe bis ins Wasser führe. Dabei solle der Einstieg zum Baden über Pontons am Rand des Kanals realisiert werden. Für Donnerstagabend ist ein Gespräch zu der Treppe im Garten hinter dem Staatsratsgebäude geplant, zu dem auch ein Vertreter der Bauverwaltung erwartet wird. Motto: „Stoppt der Senat sein eigenes Projekt?“

In Edlers Zeitplan steht die Realisierung der Treppe für 2023. Dann soll auch wieder ein „Flussbad-Pokal“ stattfinden, möglichst verbunden mit einer mehrtägigen Option zum Probeschwimmen. Die eigentliche Realisierung würde sich selbst im besten Fall noch mehrere Jahre hinziehen. Im nächsten Schritt muss die Umweltverwaltung laut Edler konkrete Vorgaben definieren, auf deren Grundlage dann genehmigungsfähige Unterlagen erarbeitet werden sollen.

 

Quelle: Der Tagesspiegel, 03.05.2022

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