„Bau der Einheitswippe: Berlin, was tust du nur deiner eigenen Geschichte an?“

24.07.2020  Berliner Kurier

Kommentar von Ulrich Paul

Berlins Baugeschichte ist reich an Verlusten und Zerstörungen. Der Sprengung des im Zweiten Weltkrieg beschädigten Berliner Schlosses im Jahr 1950 folgte mehr als 50 Jahre später der Abriss des zu DDR-Zeiten errichteten Palastes der Republik.

In beiden Fällen sind wichtige bauliche Zeugnisse ihrer Zeit für immer verloren. Das jetzt anstelle des Palastes errichtete Humboldt-Forum führt eines vor Augen: Selbst eine mit großer Akribie vollbrachte Rekonstruktion, hier die der Barockfassaden des früheren Schlosses, vermag es nicht, die Kraft des Originals zu entfalten. Eine Rekonstruktion bleibt immer lediglich eine Erinnerung an das Verlorene.

Auch wenn es eine behördliche Genehmigung gibt, es ist ein Frevel

Wenn jetzt der Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals für den Bau des Freiheits- und Einheitsdenkmals durchlöchert wird, um das neue Denkmal im Erdreich zu verankern, zeigt dies, dass die Verantwortlichen in Bund und Land nichts aus der Geschichte gelernt haben. Denn nun soll wieder ein Stück des alten Berlins geopfert werden. Um es klar zu sagen: Das ist, auch wenn es eine behördliche Genehmigung gibt, ein Frevel.

Man muss Kaiser Wilhelm I. nicht gut finden, um das für ihn errichtete Denkmal jetzt zu verteidigen. Aber klar ist, dass sich alle, die die Zerstörung des alten Denkmals hinnehmen, an der eigenen Geschichte versündigen. Der Sockel darf nicht beschädigt werden. Und natürlich muss das einzigartige Bodenmosaik des alten Denkmals, mit circa 800 Quadratmeter das großflächigste Bodenmosaik unter freiem Himmel in Berlin, wieder an seinen Original-Platz zurückkehren.

Wenn Gutachter argumentieren, das Bodenmosaik passe nicht mehr an seinen alten Platz, weil die Wippe dort stehen soll, beweist dies nur die verquere Logik der Planung. Denn umgekehrt ist es richtig: Weil an diesem Platz mehr als 100 Jahre lang das Bodenmosaik lag, passt die Einheitswippe dort nicht hin.

 

Quelle: Berliner Kurier, 24.07.2020

 

12 Kommentare zu “„Bau der Einheitswippe: Berlin, was tust du nur deiner eigenen Geschichte an?“

  1. In Koblenz hat man das dort stehenden Reiterdenkmal von Kaiser Wilhelm l.
    mit mehr Umsicht behandelt und nachdem es im Krieg zerstört wurde neu erschaffen.
    Auch hier stand der monumentale Sockel
    Jahrzehnte ohne Ross und Reiter leer an der Mündung der Mosel in den Rhein.
    Heute ist das Denkmal ein Kulturelles Erbe und ein Magnet für Menschen aus der ganzen Welt.
    Hier hatte niemand die Absicht den Sockel zu zerstören, um etwas neues einzufügen.
    Ein glücklicher Verlauf für die Geschichte und für die Arschitektur , dieser schönen Stadt.

    1. Hallo, ,,Hier hatte niemand ….“ ?!?!?! Großes Lob dem Spender des Wiederaufbaus dieses Denkmals. Aber das war – ähnlich dem Schloss – Glück eines Augenblicks. In einem Augenblick als niemand die Wiedervereinigung erwartete, antwortete der damalige CDU Ministerpräsident B. Vogel großmütig dem Spender-Millionär, nach der Wiedervereinigung könne das Denkmal wieder errichtet
      werden. Als die Wiedervereinigung kam und der Spender sich wieder meldete wurden Herrn Vogel die Füße kalt. Aber er hatte das nun gesagt. SPD Ministerpräsident Scharping folgte ihm und wollte alles rückgängig machen ….. Zu spät!!! Das Denkmal steht … und gut so.

  2. Die Zerstörung des historischen Sockels auf Anordnung des deutschen Bundestages erinnert an den Abriß des Berliner Schlosses durch die SED. Selbstverständlich verbietet sich eine Gleichsetzung. Aber von der Mentalität her gibt es hier eben doch eine auffallende Ähnlichkeit. Offenbar hahandelt es sich um die gleiche ignorante und bedenkenlose Art des Umgangs mit historischen Denkmälern und um die gleiche Mißachtung des Volkswillens. Wen vertreten die Volksvertreter da eigentlich?

    1. Die bewusste Zerstörung eines Baudenkmals, ob nun Schloss oder Sockel mit einem einzigartigen Mosaik ist und bleibt ein Frevel, schlimmer noch: Es ist Bilderstürmerei. Was der Bundestag beschloss, ist das gleiche/selbe Vorgehen, wie das der Ulbricht-Camarilla. Arrogant, überheblich, weltfremd. Nur dem eigenen Dünkel folgend.

  3. Der Abriss des Palastes war ein Frevel erster Güte ! Mir egal sollen sie doch alles kaputt machen . Wegen mir noch den Fernsrhturm zurückbaten und das alte Klein Berlin wieder hochziehen . Das marx engrls Forum ist auch kaputt gemacht wegen mir !
    Was gibts noch was alles kaputt gemacht wurde. Genug .ich bin kein Freund der DDR aber was Alles in Namen der Freiheit zerstört wurde an baulicher Substanz einfach erschreckend.
    Den Passat hätte man zumindest in der schlossneubau integrieren können der große SAAL war in seiner Art und Weiße einzigartig .
    Naja😂

  4. Ich glaube nicht, dass Sozialismus in der Form der Ex-DDR, noch in Form des Nationalsozialismus, oder in der heutigen Form der Parteiendiktatur CDU, SPD, Die Linke, Die Grünen (egal, wie die sich alle nennen, ist eh alles das Gleiche) überhaupt eine wünschens- und lebenswerte Zukunft gebracht hat, oder bringen wird.
    Man sollte diese Regierungs- und Gesellschaftsform nur noch als Mahnmal und Randnotiz erwähnen.
    Die Herrschaft dieses Pöbels hat bisher nur Elend und Vernichtung über die Menschheit gebracht.

    1. Herr Ralf K.A., hier widerspreche ich Ihnen ganz entschieden. Setzen Sie bitte nicht unser heutiges Rechtsstaatsystem pauschal gleich mit der schrecklichen Diktatur des Nationalsozialismus oder mit der DDR-Diktatur. Auch wenn manche unserer gewählten Abgeordneten und Führungskräfte in den Parteien und Regierungen sich eigenmächtig und unverantwortlich verhalten, haben wir regelmäßig Wahlen auf allen Ebenen. Es sind wir alle, die Bevölkerung, Sie, ich, unsere Nachbarn, Kollegen usw., die Fehlverhalten sanktionieren können. Das demokratische System setzt hohe Anforderungen an die Mitverantwortung des Einzelnen. Aber tun wir, Sie, ich das immer?

      1. Herr Praetorius,
        die Demokratie setzt einen, mindestens durchschnittlich intelligenten Bürger voraus, der in der Lage ist, seinen Verstand zu nutzen und gewillt ist, das politische Geschehen möglichst tagtäglich zu verfolgen! Haben wir den? Die Wirklichkeit lässt mich daran zweifeln! Zudem nutzt es wenig bis gar nichts, wenn der intelligente Bürger nicht die Mehrheit stellt. Wie überall zu sehen ist, haben wir in Deutschland eine Aufweichung aller Werte und Normen. Und was macht der geforderte Wähler? Der merkt es nicht einmal, oder aber es ist ihm egal, weil es ihm noch verhältnismäßig gut geht. Eine Veränderung der politischen Verhältnisse wird sowieso kommen, wohin die Reise geht, ist noch offen. Ich will keine politische Diskussion anfangen, das ist hier auch nicht der richtige Ort, aber diese Antwort musste sein.
        Grüße.

        1. Lieber Helmut Koch, also doch autoritär-diktatorisches System? Hatten wir nicht da schon im 20. Jhd. die Aufweichung aller Werte? Ich meine, das Demokratie-System kann am wenigsten schlecht (!) mit allen Formen des Menschseins umgehen: von superhöchstintelligent bis strohdummsaublöd und von breitundtiefinteressiertengagiert bis völligapatischdesinteressiert usw. Zumindest gibt uns das Demokratie-System die größtmögliche Chance, Fehler und Missbrauch früher oder später aufzudecken und zu korrigieren. Beispiel: Berliner Schloss.

  5. Hier muß ich gegenüber Herrn Praetorius einmal Bedenken im Hinblick auf seine optimistische Sicht auf die gegenwärtige Demokratie anmelden. Zu einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie gehören echte Parteienkonkurrenz und eine vielfältige Öffentlichkeit. Beides haben wir derzeit nicht. Wir haben einerseits das rotgrünschwarze Parteienkatell, das in der Tat an die „Nationale Front der ‚DDR““ erinnert und das wie diese durch einen antifaschistischen – nicht lberaldemokratischen – Grundkonsens zusammengehalten wird, und andererseits eine manipulativ gesteuerte Öffentlichkeit mit freiwillig gleichgeschalteten Medien. Im Grunde befinden wir uns auf dem Marsch in ein neuartiges totalitäres System. Ein wesentliches Kennzeichen: Demonstriert wird nicht mehr gegen Regierungshandeln, sondern dafür, und Kampagnen unterstützen Regierungshandeln statt es zu kritisieren. Diese Einheit von formierter „Zivilgesellschaft“ und Obrigkeit gibt es sonst nur in Scheindemokratien. Lesen Sie einmal bei Michael Klonovsky (acta diurna, 04.09 2020) den Vergleich zwischen dem „besten Deutschland das es je gab“ und dem Kaiserreich, dann sehen Sie, was wir verloren haben.

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