„So wird der Berliner Dom geputzt“

06.03.2020  Berliner Morgenpost

Nick Heyden fährt die kommenden vier Wochen fast täglich auf den Berliner Dom. Seine Mission: Schmutz entfernen.

Von Julian Würzer

Der Bauaufzug rattert. Meter für Meter hievt sich die Maschine nach oben, Berlin wird immer kleiner. Auf der Friedrichsbrücke schrumpft der Straßenmusiker zu einer Legofigur mit Trompete in der Hand. Die Jazzmusik hallt in Richtung des Berliner Doms. Dahinter rollt die S-Bahn über die Gleise. Der Bauaufzug an der Nordseite wackelt. Nur eine dünne Holzplatte trennt Nick Heyden von dem Abgrund, der sekündlich tiefer wird. Ein kräftiger Stampfer, und die Platte könnte brechen. Ein gehöriger Sprung, und der ganze Bauaufzug kippte zur Seite um – so fühlt es sich an. Die Alternative sind die Leitern am Baugerüst, 40 Meter in die Höhe, rund 150 Stufen und nicht weniger wackelig.

In den nächsten vier Wochen wird Heyden als Projektleiter und Reinigungsexperte bei Kärcher mit vier Mitarbeitern täglich auf dem Dach des Doms klettern, um den Südturm zu reinigen. Ein Novum in der Geschichte des Berliner Doms.

Bis zu zehn Mal fährt Heyden den Dom hoch und runter

An diesem Donnerstagmorgen schiebt Heyden einen Bügel am Bauaufzug nach vorn und eine Rampe klappt um – sie verbindet den Dom mit dem dünnen Holzbrett, auf dem Heyden steht. Erst jetzt öffnet er die Tür des Lifts. Sicherheitshandgriffe, die er im Schlaf können muss. Morgens um 7 Uhr, wenn seine Schicht beginnt und abends um 17 Uhr, wenn er sich müde auf den Feierabend freut. Bis zu zehn Fahrten hat er die nächsten Tage, um zum Arbeitsplatz zu kommen, um Mittagspause zu machen, um Baumaterial nach oben zu holen.

Der Dom in seiner jetzigen Form wurde zwischen 1894 und 1905 unter dem letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. errichtet. Der Ruß, der im vergangenen Jahrhundert aus den Kaminöfen wirbelte, die Verschmutzung während der Weltkriege und Abgase der Autos gingen nicht spurlos an dem Denkmal vorbei. Der Schmutz ist in 40 Metern Höhe nicht zu übersehen. Schwarz verfärbt ist das Kupferdach. Der Rücken der Jesusstatue über dem Eingang ist verunreinigt, darunter lässt sich nur schwer „Berlin 1899“ lesen, und der Sandstein könnte in der Höhe auch als Dreckstein bezeichnet werden.

Verkrustungen nennt es Domarchitektin Sonja Tubbesing. Und die seien gar nicht mal ungefährlich für die Architektur des historischen Gebäudes. Vor rund zwei Jahren entdeckte sie Fassadenschäden am Berliner Dom. Die Architektin zeigt auf eine Fuge am Südturm, die leicht aufgebrochen ist. „Hier kann Feuchtigkeit eindringen“, sagt Tubbesing. Regenwasser könne hinter den Stein laufen und sich sammeln.

Außerdem sei beim Wiederaufbau des Doms in den Jahren 1976 bis 1983 ein Silikonschutz auf die Fassade aufgetragen worden. Er sollte eigentlich verhindern, dass Wasser in die Oberfläche eindringt. Doch der Schutz und die Verschmutzung an der Außenfassade verhindern nun, dass die Feuchtigkeit wieder nach außen dringen kann. Das sei wie eine billige Regenjacke, die Feuchtigkeit gefangen hält, sagt Tubbesing. Die Folge: Es entsteht Schimmel, der Sandstein wird angegriffen. Deshalb hat Heydens Arbeit nicht nur einen optischen Wert.

Der 28-jährige Nick Heyden steckt in einem blauen Overall, trägt Sicherheitsschuhe, eine Atemschutzmaske und einen gelben Helm. Mit einer Druckpistole schießt er auf den Sandstein am Südturm des Doms. Zentimeter für Zentimeter schwindet der schwarze Belag. Um Heyden herum wirbelt Staub auf, der sich auf dem Dach niedersetzt. „Das wird am Ende abgesaugt“, sagt er. Niederdruck-Partikelstrahlverfahren heißt die Methode, mit der er den Dom reinigt. Dabei lädt er Aluminiumsilikat, eine chemische Verbindung, in die Pistole und zielt auf die Verkrustungen – mit dem blauen Himmel und der Stadt aus der Vogelperspektive im Hintergrund. Heyden ist das Arbeiten mit Aussicht gewohnt. Er stand schon auf dem Aachener Dom oder dem Ulmer Münster. Nun auf dem Berliner Dom.

Michael Kösling ist Domprediger. Er sieht in Heydens Arbeit eine wichtige Maßnahme, um den Berliner Dom für die nächsten Generationen zu erhalten.

Die Reinigung des Südturms ist Teil der Sanierungsmaßnahmen am Dom. In den kommenden Jahren sollen auch die restlichen Türme gereinigt und instandgesetzt werden. Mit insgesamt 1,6 Millionen Euro rechnen die Verantwortlichen des Doms für die Sanierungen. Eine Summe, die aus eigenen Mitteln nicht zu stemmen sei, sagt die Pressesprecherin des Berliner Doms, Svenja Pelzer. Deshalb sei man auf Sponsoring wie von Kärcher oder auf Spenden angewiesen. Im vergangenen Jahr konnte die Domgemeinde bereits die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für eine gemeinsame Kampagne gewinnen. Bundesweit sind mittlerweile Spenden in Höhe von 167.000 Euro bei der Stiftung eingegangen.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 06.03.2020

 

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