„Noch einmal Schlangestehen in Dahlem“

07.01.2017   Berliner Morgenpost

 

Vor dem Umzug herrschte im Museum für Asiatische Kunst und im Ethnologischen Museum noch einmal großer Andrang.

Von Jana Schwerdtfeger

Einst lebte der Sieben-Papagei, ein eitler, herrschsüchtiger Vogel, der sich eine Menge auf sein prächtiges Federkleid einbildete. Doch ein kluges Zwillingspaar überlegte sich eine List: Mit einem Blasrohr betäuben sie den Vogel, doch der kann einem der Zwillinge den Arm abreißen. Die Zwillinge geben sich daraufhin als Mediziner aus und nehmen dem Vogel seinen Schmuck ab. Da sein Ansehen nur auf diesen Insignien beruht, ist der hochmütige Vogel entmachtet. Mit dieser Geschichte beginnt das „Popol Vuh“; die heilige Schrift der Maya.

Das Museum für Asiatische Kunst und das Ethnologische Museum verabschieden sich mit einer Veranstaltungsreihe vom bisherigen Standort Dahlem, am Sonnabendmorgen ging es los mit Harry Thomaß, der „Märchen, Mythen und Legenden aus Mittelamerika“ erzählte, unter anderem die Geschichte vom Sieben-Papagei. Glaube und Mythos spielten für die Maya eine große Rolle, in der Mesoamerika-Sammlung des Ethnologischen Museums findet sich eine Reihe von Objekten, die von Göttern und Heldenverehrung erzählen. In einer Vitrine steht auch eine Figur, die als Darstellung des Sieben-Papagei gedeutet werden kann. Fast ist sie nicht zu sehen, Trauben von Besuchern scharen sich um die Objekte, um ihre Lieblinge ein letztes Mal vor dem Umzug ins neu errichtete Humboldt Forum zu besuchen.

Besucher betrachten ein letztes Mal Lieblingsexponate

Die Gänge sind so voll, dass sich kleine Staus bilden, überall sprechen Besucher über ihre Lieblingsstücke: Eine Dame erzählt, sie sei extra ins Museum gefahren, um sich ein letztes Mal eine Darstellung eines Fledermausgottes anzusehen, andere möchten dem Kaiserthron des Kangxi einen letzten Besuch abstatten. Wehmütig sind dabei eher die Älteren. Während vor allem das West-Berliner Publikum das Ende des Museums bedauert, sind auffallend wenige Studierende anwesend, obwohl die Freie Universität nur wenige Meter entfernt liegt. Der Wissenschaftsstandort Dahlem war vom preußischen Kaiser als „deutsches Oxford“ angedacht, Museum und Universität sollten ineinandergreifen, doch insbesondere nach der Wiedervereinigung ließ das Interesse an den Museen stark nach. Auch am Sonnabend fiel auf: Die meisten Besucher kommen seit Jahren hierher, sind mit den Museen gealtert.

Kuratorin Wibke Schrape führt durch die Sammlung japanischer Malerei. Diese Kunst ist nicht zur dauerhaften Ausstellung gedacht, je nach Jahreszeit oder für bestimmte Gäste werden Werke getauscht, deswegen finden sich in der Sammlung viele Rollbilder und kleinformatige Grafiken, die einst Schränke verzierten. Schrape zeigt gut erhaltene filigrane Blumenmalereien in leuchtenden Farben.

Im Museumscafé im Untergeschoss herrscht Hochbetrieb, ein älterer Herr schwärmt von Reisen, die er an die Herkunftsorte einiger Objekte unternahm. In China habe ihn ein Plakat in Empfang genommen: Wer die prächtige Innenausstattung einiger Mönchsklausen sehen wolle, der müsse nach Berlin reisen. Andere diskutieren die Völkerkundemuseen der Welt – einstimmiges Urteil: Weder London noch Paris oder New York können eine solch vielfältige Sammlung vorweisen wie Berlin. Die Museen Dahlem haben eine Generation und deren Wahrnehmung der Welt geprägt, das wird deutlich, und der Abschied geht einigen persönlich nahe.

Durch einen Vorhang geht es in die Afrika-Sammlung des ethnologischen Museums, wo sich eine große Traube um Kurator Jonathan Fine bildet, während er Plastiken afrikanischer Herrscher und Skulpturen erklärt. Umringt vom Dahlemer Publikum beantwortet er anspruchsvolle Fragen aus dem Pu­blikum zu Symbolik und Herstellungstechnik der Objekte. Die Besucher setzen sich mit den Werken auseinander, und Fine geht darauf ein. Seine Führung greift einzelne Objekte heraus und erläutert deren Entstehung und wie sie in den Besitz des Museums gelangten.

Hier zeigt sich die Schwäche des Museums: Besonders die Mesoamerika-Sammlung ist in einem Stil aufgebaut, der heutige Museumsbesucher einfach nicht mehr anspricht. Die Vitrinen sind vollgestopft. Statt anhand einzelner Objekte eine Geschichte zu erzählen, wird der Zuschauer erschlagen von Objekten.

Dabei hat das Museum engagierte Kuratoren zu bieten, die fesselnd von ihren Objekten erzählen können. Die Diskussionsfreude des Publikums zeigt, dass der Anspruch des Humboldt Forums, mehr Dialog zu ermöglichen, angenommen wird. Viele Fragen beschäftigen sich mit der Präsentation der Sammlung im Humboldt Forum, die Zuschauer wünschen sich mehr Platz für „ihre“ Objekte.

Teezeremonie im Museum für ostasiatische Kunst

In all der Hektik findet im Teeraum des Museums für ostasiatische Kunst eine Teezeremonie statt. Mit ruhigen Handgriffen führen die Schüler von Frau Sasaki-Stange von der Teeschule Urasenke in Hamburg ein japanisches Teeritual durch, die Meisterin erläutert die jahrhundertealten Abläufe. Teezeremonien waren in Japan ein wichtiger Teil der Kultur. Es dauert Jahre, den Ablauf zu erlernen. Der Teeraum zeigt, dass ein Museum mehr sein kann als ein Aufbewahrungsort für alte Objekte. Die meisten Besucher wünschen sich mehr Interaktion und eine lebendige Museumskultur und sind gespannt auf das Humboldt Forum.

Die herausragende Sammlung und die leidenschaftlich engagierten Kuratoren verdienen eine Präsentation, die ihnen gerecht wird – wie viel sie zu bieten haben, das wird an diesem Wochenende noch einmal deutlich.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 07.01.2017

 

 

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