Mäzene im Dienste der Schönheit

Die Wiederherstellung bedeutender Bauten des alten Preußen durch bürgerliche Förderer und Spender

Von René Nehring

Als Anerkennung war es nicht gedacht. Wenige Tage nach der Bekrönung der Berliner Schlosskuppel mit Kreuz und Reichsapfel enthüllte die „Süddeutsche Zeitung“, dass darauf auch eine Widmung der Stifterin Inga Maren Otto steht: „Im Gedenken an meinen Mann Werner A. Otto 1909 – 2011. Inga Maren Otto“. Schon die auf der restaurierten Kuppel wieder angebrachte historische Inschrift „Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“ hatte den Ärger vieler Kommentatoren nach sich gezogen, sehen sie darin doch einen Rückgriff auf ein überkommenes Staatsverständnis. Und dann das. Das Kuppelkreuz als Spende des Otto-Versands?

Dabei ließe sich die Millionenspende der Frau Otto durchaus auch ganz anders deuten. Nämlich als Beispiel für ein bürgerschaftliches Engagement in Bereichen, in denen der Staat sich nicht engagieren kann – oder will.

Unliebsame Traditionslinien

Seit dem Fall der Berliner Mauer vor über 30 Jahren fremdeln, zum Teil bis heute, führende Repräsentanten der Bundesrepublik nicht nur mit der Wiedervereinigung und der Rückkehr zu einem deutschen Nationalstaat, sondern auch mit dem politischen Zentrum dieser Republik – Berlin, vormalige Hauptstadt des „Dritten Reiches“, der Weimarer Republik, des zweiten deutschen Kaiserreichs und der preußischen Monarchie.

Unverkennbar war gerade in den ersten Jahren nach dem Regierungsumzug das Bemühen, möglichst viel aus der „Bonner“ in die „Berliner Republik“ herüberzuretten: von den Namen der Parteizentralen bis hin zur Benennung von Straßen inmitten des Regierungsviertels. Geradezu zur Posse entwickelte sich seinerzeit die Frage, ob das Reichstagsgebäude weiterhin so heißen dürfe oder der zentrale Ort deutscher Demokratie nicht einen anderen, zur Bundesrepublik passenderen Namen bräuchte. Die Debatte endete, als klar wurde, dass der vom damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse favorisierte Vorschlag „Plenarbereich Reichstagsgebäude“ gleich zweimal das Wort „Reich“ enthielt.

Nur widerwillig fügten sich die Repräsentanten der Berliner Republik in die Erkenntnis, dass es in der neuen Bundes- und alten Reichshauptstadt Traditionslinien gab, die sich nicht einfach verdrängen ließen.

Der Wille der Bürger

Einer der heftigsten Debatten über die Neugestaltung Berlins entzündete sich an der Frage, wie die weitgehend leere historische Mitte der Bundeshauptstadt bebaut werden sollte. Mit postmodernen Glaspalästen wie im Regierungsviertel – oder weitgehend historisch, mit dem Schloss der Hohenzollern als Mittel- und Bezugspunkt?

Für die meisten Bürger dieses Landes war dies keine Frage. Sie scherten sich wenig um ideologisch geführte Diskussionen und sehnten sich nach einem ästhetisch ansprechenden Zentrum für ihre Hauptstadt. So wurde das Projekt Wiederaufbau des Berliner Schlosses zu einer Art Graswurzelbewegung, in der mündige Bürger – entgegen den Plädoyers der Architektenelite und der Bauverwaltung – für die Rückkehr eines zentralen Bauwerks der preußisch-deutschen Monarchie stritten, bis der Bundestag am 4. Juli 2002 den Wiederaufbau mit überwältigender Mehrheit beschloss.

Die Bürger beließen es keineswegs mit wohlfeilen Forderungen an „die Politik“.Vielmehr waren Tausende bereit, zum Teil tief in die Tasche zu greifen, um die Wiederherstellung der historischen Schlossfassaden zu ermöglichen. Es war ja nicht nur die Familie Otto, die großzügig das Projekt förderte; unzählige Elemente vom einzelnen symbolischen Ziegel bis zum großen Ornament fanden ihren ganz privaten Paten.

Potsdams historische Mitte

Und das Engagement der Bürger beschränkte sich keinesfalls auf Berlin. Auch in der vormaligen königlichen Residenzstadt Potsdam gab es lange Zeit Widerstände gegen den Wiederaufbau des dortigen Stadtschlosses. Zwar gab es schon bald Einigkeit darüber, in der historischen Stadtmitte einen Neubau für den brandenburgischen Landtag zu errichten, doch gab es auch hier Vorschläge für postmoderne Glaspaläste, die auf eine ästhetische Zerstörung der barocken Stadtanlage hinausgelaufen wären.

Einen buchstäblichen Markstein setzte um das Jahr 2000 herum der Fernsehmoderator Günther Jauch, als er mit einer Millionenspende – die zudem von einem damaligen Sponsor verdoppelt wurde – den Wiederaufbau des zum Schloss gehörenden Fortunaportals am Alten Markt ermöglichte. Von da an war die Frage der Bebauung städtebaulich vorentschieden. Endgültig entschieden wurde die Sache, als inmitten der Debatten über den Landtagsbau der SAP-Gründer, Unternehmer und Mäzen Hasso Plattner verkündete, für das Gebäude 20 Millionen Euro spenden zu wollen – aber nur, wenn der Bau die historische Schlossfassade bekäme.

Plattner ermöglichte zudem zwischen 2013 bis 2016 die Rekonstruktion des klassizistisch-barocken Palais Barberini und brachte darin einen Teil seiner bedeutenden privaten Kunstsammlung unter. Damit ermöglichte der längst zum Wahl-Potsdamer gewordene Mäzen nicht nur die Schließung einer weiteren Lücke am Alten Markt; vielmehr stiftete er auch einen weiteren Anziehungspunkt des Kulturlebens.

Auch sonst finden sich in Potsdam zahlreiche Beispiele dafür, wie architektonische Kleinode der untergangenen preußischen Monarchie durch das Engagement bürgerlicher Liebhaber wiedererstanden sind. Beim unter anderem von Ludwig Persius und Friedrich August Stüler errichteten Belvedere auf dem Pfingstberg etwa spendete Werner Otto ebenso einen Millionenbetrag wie die Hermann-Reemtsma-Stiftung und viele weitere Förderer. Und die Restaurierung der Villa Schöningen gleich am Potsdamer Ortseingang – die 1843 ebenfalls nach Entwürfen von Persius im italienischen Villenstil errichtet worden war – stand noch lange Zeit nach der Wende unansehnlich leer, bis der Vorstandschef der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, und der Bankier Leonhard H. Fischer 2007 das Haus erwarben und es zu einem Museum umbauen ließen.

Ebenfalls zu einer Graswurzelbewegung entwickelt sich der Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche. Auch hier gibt es wieder die üblichen Bedenken gegen alles Preußische, und auch hier finden sich wieder unzählige Bürger, die sich um all das nicht scheren, die gern bereit sind, mit großen und kleinen Spenden den Wiederaufbau eines historisch bedeutsamen Baus zu ermöglichen – weil sie überzeugt davon sind, dass dieser Bau zu ihrer Stadt dazugehört.

Vertane Chancen

Dass diese Ressource keineswegs selbstverständlich und vor allem nicht endlos verfügbar ist, zeigt das Beispiel Hans Wall. Der in Künzelsau geborene Unternehmer war mit seinen Stadtmöbeln im wiedervereinten Berlin zu Wohlstand gekommen und beteiligte sich aus Dankbarkeit dafür viele Jahre lang an sozialen und kulturellen Projekten in der Hauptstadt. Zu diesem Engagement gehörte – neben der Beteiligung an den Kosten für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Turmspitze und die Rückkehr des Glockenspiels der Parochialkirche in Berlin-Mitte – auch die Beteiligung an den Kosten für die Wiederherstellung der historischen Fassaden des Berliner Schlosses. Maßgeblich finanzierte Wall die Info-Box am Lustgarten, in der sich lange vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten Besucher über die geplante Rekonstruktion des Schlosses informieren konnten.

Wall wäre auch bereit gewesen, den Wiederaufbau eines anderen markanten Gebäudes der Berliner Innenstadt zu finanzieren – die Schinkelsche Bauakademie auf dem Friedrichswerder gegenüber dem Schloss. Seit dem Abriss des dort von der DDR errichteten Außenministeriums Mitte der 90er Jahre bemühten sich Bürger auch hier um eine Rekonstruktion. 2008 erklärte Wall die Bereitschaft, 15 Millionen Euro für die Bauakademie zu spenden. Doch der Senat lehnte ab. Im November 2016 gab dann der Deutsche Bundestag die Mittel für die Rekonstruktion der Bauakademie frei – die nunmehr mit 62 Millionen Euro veranschlagt wurde. Im vergangenen Jahr verstarb Hans Wall, der Wiederaufbau der Bauakademie hat bis heute nicht begonnen.

Arkadiens Rückkehr

Mit ihrem Engagement straften die Bürger in den genannten Beispielen all jene Lügen, die in den vergangenen Jahren immer wieder das Gespenst der Rückkehr eines reaktionären Preußentums heraufbeschworen hatten.

Das untergegangene Preußen war nicht nur ein herausragender Rechtsstaat (Stichwort: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten) und führend in der Wissenschaft (Stichwort: Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft), sondern auch ein unvergleichliches Arkadien aus Schlössern und Palästen, Kirchen und Museen sowie unzähligen Kleinodien. Dessen schmerzhafter Verlust wird just in dem Moment wieder bewusst, in dem Bürger die Wiederherstellung einiger seiner schönsten Bauten ermöglichen.

 

Quelle: Preußische Allgemeine Zeitung, 21.06.2020

Foto: Förderverein Berliner Schloss e.V.

 

6 Kommentare zu “Mäzene im Dienste der Schönheit

  1. Der Artikel ist hervorragend. Er wäre noch zu ergänzen. In Berlin wurden zahlreiche bedeutende
    Bauten in der historischen Innenstadt zertört.
    Palais Kameke, Schloß Monbijou, Reichspräsidentenpalais Wilhelmstrasse und viele mehr.
    Auch zahlreiche andere Innenstädte wurden von der
    SED-DDR Diktatur brutal zerstört. Zum Beispiel
    Schwedt, Zerbst, usw. Darüber sollte es künftig eine
    Gedenkausstellung geben.

    1. Dieser Artikel ist dahingehend leider aber auch undifferenziert, da durch historisch anmutende Wiederherstellung der Tourismus mit „Märchenatmosphäre“ angefacht wird. Ebenso wurden architektonische Fehler der Zeit übernommen, die man durch leicht veränderte Proportionen hätte harmonisieren können. Auch der Palast der Republik hätte seine Berechtigung als Zeitzeuge gehabt, aber hier sollte Geschichte umgedeutet werden. Glücklicherweise wurde auf den Wiederaufbau des Wilhelm-Denkmals bisher verzichtet, ich bin mir aber sicher, dies wird zu späterem Zeitpunkt versucht nachzuholen.

      Besonders pikant finde ich die Äußerung „…Wille der Bürger“, denn rein statistisch gesehen hat sich die Mehrheit einfach nicht um dieses Thema geschert, wie in vielen anderen Lagen unserer Gesellschaft – die Meinung dazu sind derer vielzählig. Nun ist es wiedererstanden und hoffen es trägt nicht wie in vielen Berliner Bauten schnell die gleichen Mängel zu Tage und lassen es keine ewige Baustelle werden.

  2. Ergänzend muß man anmerken, daß die ideolgischen Sprengmeister auch im Westen aktiv waren (cf. Braunschweiger Schloß); in den meisten Fällen jedoch weniger aus Abkehr von der Geschichte, sondern weil man möglichst vieles „modern” gestalten wollte. Da paßten historische Fassaden nicht ins Bild. In einigen Fällen ging gottlob den Kahlschlagsanierern wirtschaftlich die Luft aus, und manches Baudenkmal entrann so der Zerstörung. Oder engagierte Bürger traten rettend ein. So bestanden im Südwesten (wo ich herkomme) nach dem Krieg Pläne, die beschädigten Stadtschlösser von Aschaffenburg, Mannheim, Stuttgart und Zweibrücken komplett abzutragen und an ihrer Stelle irgendwelche anonyme Klötze ins Statbild – mit Verlaub – zu kacken. Inzwischen ist man froh, daß man derlei Blödsinn unterließ, dessen Triebfeder man auch nur als ideologisch bezeichnen kann. Wenn der Stadtrat, und sei er auch demokratisch zustande gekommen, mit zwei Stimmen Mehrheit den Abbruch des Schlosses beschließt, war es für die Gegenseite ein schwacher Trost, daß sie mit abstimmen durften. (So geschehen in Braunschweig 1960; Rekonstruktionspläne und Bürgerwille wurden seitens der Stadtverwaltung und der Oberbürgermeisterin in quasiabsolutistischer Machtvollkommenheit ignoriert – mancher empfand dies als diktatorisch). Fassen wir zusammen: Die Abbruchwut war, wengleich aus verschiedenen Quellen gespeist, ein gesamtdeutsches Übel.

    1. Was Sie sagen ist leider wahr. Die Ideologie der Architekten im Westen folgte der „autogerechten Stadt nach amerikanischem Vorbild“. An den Häusern wurden die Fassaden geglättet, begradigt, Stuck wurde abgetragen usw. Die Ideologie war auf andere Weise selektiv als im Osten, wo vorrangig auch 50 zumeist beschädigte Kirchen gesprengt wurden.

  3. Es wird Zeit das dieses Thema in der Öffentlichkeit mehr Beachtung findet.
    Die Zerstörung von Kulturellen Gebäuden ,
    Brücken und Denkmälern nach dem Krieg.
    Die Kaiser- Wilhelm -Gedächniskirche
    abgerissen bis auf den Hauptturm, für die Neuerrichtung einer sehr fragwürdigen Arschitektur des Herrn Eiermanns sei hier einmal als Sinnbild der Schande für Fehlentscheidungen der Nachkriegszeit hervorgehoben.
    Betritt man heute den Hohlen Zahn, wie er vom Volksmund benannt wurde, so kann man nicht annährend verstehen wer zu so einer Zerstörung seinen Zuspruch geben konnte.
    Die Ausrede hier von einen geschaffenen Mahnmal zu sprechen, ist mehr eine Ironie
    Für die Ideologie gegen alles was des Kaisers blauen Mangels umgab.

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