Mehrheit der Deutschen ist gegen die „Wippe“ am Berliner Schloss

29.05.2017

 

Der Deutsche Bundestag soll am kommenden Donnerstagabend erneut den Bau des Einheits- und Freiheitsdenkmals, der sog. „Wippe“, auf dem Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals in Berlin beschließen.

 

Der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ist im August 1990 in der frei gewählten Volkskammer der DDR im Palast der Republik beschlossen worden. Dieser Ort existiert nicht mehr. Deswegen haben wir mit der Umfrage nicht den Ort, sondern nur die Form des Denkmals hinterfragen lassen. Wir respektieren ausdrücklich den Beschluss des Bundestags, ein solches Denkmal auf dem Sockel des früheren Nationaldenkmals in unmittelbarer Nähe zum Ort der Entscheidung zu bauen.

Das Meinungsforschungsinstitut infratest-dimap hat über die Form des Denkmals in unserem Auftrag im April und Mai 2017 repräsentativ zwei Umfragen durchgeführt, in Deutschland im Zusammenhang mit der sog. Sonntagsfrage und, gesondert dazu, auch noch einmal gezielt in Berlin. Gefragt wurde nach der Meinung zum Bau des Einheits- und Freiheitsdenkmals auf dem Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals vor dem Kuppelportal des Berliner Schlosses und zum Schlossumfeld – historisch oder modern.

Das Ergebnis ist frappierend: Eine deutliche Mehrheit in Deutschland und in Berlin entschied sich gegen den Bau der „Wippe“ und für die Wiederherstellung des historischen Umfelds am Schloss!

Das Ergebnis in Berlin, also direkt am Objekt:

58 % dagegen, 18 % dafür, 24 % ohne Meinung!

Wie bei Wahlen auch, gab es eine Quote von Befragten, die keine Meinung zu den Themen hatten und sich nicht bestimmt äußerten. Die Mehrheit der Befragten hatte jedoch eine Meinung. Näheres entnehmen Sie bitte beiliegenden Umfrageergebnissen, die wir Ihnen vollständig beilegen.

Dieses Ergebnis konterkariert den bevorstehenden Parlamentsbeschluss zugunsten der Wippe.

Beim Bau des Denkmals, das vor allem der Freiheitsbewegung in der DDR gewidmet ist, sollte man sich die wichtigsten Ereignisse des Jahres 1989 vor Augen halten:

– Die Besetzung der Prager Botschaft durch Tausende von Flüchtlingen in Angst vor Auslieferung an die Stasi im September unter unwürdigsten Bedingungen und ihr Aufschrei, als Hans Dietrich Genscher ihre Ausreise ankündigte.

– Die Montagsgebete und -demonstrationen in Leipzig trotz größter Pressionen der Staatsorgane der DDR.

– Die strahlenden, tief bewegten Ostberliner in der Nacht des 9. November beim Betreten Westberlins.

All diesem wird das abstrakte Denkmal der Wippe nicht gerecht und stößt bei der Bevölkerung auf größtes Unverständnis. Schon von Anbeginn stand der Bau des Denkmals unter einem unglücklichen Stern.

Wir bitten deswegen den Deutschen Bundestag, den Bau des Einheits- und Freiheitsdenkmals nicht wie am 1. Juni vorgesehen, routinemäßig zu beschließen, sondern wie 2002 beim Beschluss zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses abstimmen zu lassen:

Der Ältestenrat möge den Fraktionszwang aufheben.

Es soll namentliche Abstimmung angeordnet werden.

Dann ist jeder Abgeordnete bei seiner Entscheidung nur noch seinem Gewissen unterworfen. Da die namentliche Abstimmung protokolliert wird, wird auch öffentlich, wie der einzelne Abgeordnete sich entschieden hat – und er kann sich gegenüber seinen Wählern dafür persönlich rechtfertigen.

Ein solches Abstimmungsergebnis ist dann wahrlich ein Bekenntnis der repräsentativen Demokratie und ist zu akzeptieren.

 

Wilhelm von Boddien

Geschäftsführer Förderverein Berliner Schloss e.V.

 

 

PS: Interessant ist ein Nebenergebnis der Befragung: Bundesweit sind nur noch 6 % gegen die Rekonstruktion des Schlossäußeren. Sein Wiederaufbau ist also in der Gesellschaft angekommen – und angenommen!

 

 

2 Kommentare zu “Mehrheit der Deutschen ist gegen die „Wippe“ am Berliner Schloss

  1. Die Volkskammer war der Ort? Wenn, dann war der Alex der Ort! Nämlich der Ort der Demos, die erst zur Wende, damit erst zu demokratischen Wahlen und damit erst zum Volkskammerbeschluss der Wiedervereinigung führten. Wenn es also einen Ort gibt, dann den Alex!
    Alternativ den Reichstag als Symbol von Trennung (da verlief die Mauer) und von Einheit sowie Demokratie (Bundestag) und Freiheit (Nähe zum Brandenburger Tor).
    Vor das Schloss gehören Kolonnaden, Neptunbrunnen etc.

  2. Herr von Boddien hat recht.Jeder Abgeordnete soll sich vor seinem Wähler rechtfertigen.Hoffen wir mal.Bitte nicht vergeblich.

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