„Humboldt Forum Berlin: Warum nicht noch das Schlüter-Treppenhaus nachbauen?“

30.06.2025 – Der Tagesspiegel

Wenn man schon das Berliner Schloss rekonstruiert, wäre es folgerichtig, auch das Haupttreppenhaus nachzubauen. Als finaler Tusch dieser barocken Architektur-Oper.

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Nun stehen sie also endlich, die Skulpturen auf der Attika des Humboldt Forum. Sehen von unten wirklich irgendwie barock aus. Aus der Nähe – die meisten Mobiltelefone haben ja inzwischen gute Zooms – erkennt man schnell: Stilistisch sind sie um 2015 zu datieren. Aber das war durchaus gewünscht. Und es gibt ärgerlichere Teile dieses Nachbaus, etwa seine weitgehend ahistorische Milchkaffee-Farbigkeit.

Es heißt, nun sei der Nachbau der Fassaden abgeschlossen. Folgerichtig fordert die rührige „Initiative Schlossaneignung“, die Fassadenspendensammler des „Fördervereins Berliner Schloss“ müssten jetzt ihre Räume am Portal V räumen.

Eine internationale Ausschreibung solle Nachnutzer finden, eine „unabhängige, internationale und divers besetzte Jury“ entscheiden. Hauptsache, keiner vom Humboldt Forum ist dabei. Wäre ja auch zu peinlich, wenn eine Jury ausgerechnet den Förderverein als Nachnutzer kürte.

Denn hat dieser wirklich schon seinen Dienst getan? Er fordert jedenfalls auch den Nachbau des großen Treppenhauses von Schlüter. Wieder nur aus Spenden zu finanzieren. Die Stiftung Humboldt Forum wehrt ab. Sie trägt schon genug Last mit der neuen Preußenherrlichkeit. Aber wenn die Forderung nicht ausgerechnet von dem Förderverein käme, würden wir wohl seriöser darüber debattieren als: „nicht finanzierbar“, „nicht beschlossen“, „Preußenkult“.

Immerhin war dies Treppenhaus bis zu seiner ruchlosen Sprengung 1950 der Höhepunkt eines nördlich der Alpen einzigartigen barocken Raumkunstwerks aus Schlossplatz, Schlossfassaden, Durchfahrten, dem prachtvollen Schlüterhof (versuchen Sie einfach mal, die von Franco Stella brutal-klobig entworfene Westfassade zu ignorieren).

Die Menschen gingen – manchmal sogar auf dem Pferd – die Stufe hoch in die Paradekammern. Also die Räume, die nicht mehr der Architektur wegen, sondern der nun wirklich unwiederholbaren Ausstattung Schlüters wegen glänzten.

Der Nachbau der Schlossfassaden wird umstritten bleiben. Dafür sorgt schon die grausam-bedenkenlose Nachschöpfung von antijüdischen Spruchzeilen an der Kuppel. Aber sie stehen nun einmal. Und da kann man durchaus argumentieren: Methodisch wäre der Abschluss mit dem Nachbau des Schlüter-Treppenhauses sinnvoll. Erst damit würde diese große barocke Architektur-Oper ihr hohes C erhalten.

Es gibt Skulpturenabgüsse, einige Baufragmente, vor allem aber die Pläne, die der unermüdliche Bau- und Schlossforscher Goerd Peschken rekonstruiert hat. Ein Treppenhaus-Modell schenkte er der Stiftung Humboldt Forum. Lohnt sich anzusehen, um besser debattieren zu können. Nichtmachen geht schließlich immer.

Übrigens: Kürzlich feierte Peschken seinen 94. Geburtstag. Ganz herzlichen Glückwunsch nachträglich!

 

Quelle: Der Tagesspiegel, 30.06.2025