„Warum kann Berlin Schloss, aber keine Wohnungen?“

21.04.2018  DIE WELT

Von Rainer Haubrich

Käme doch der Wohnungsbau in Berlin so schnell voran wie die Rekonstruktion des Schlosses als Humboldt-Forum! Stattdessen stagniert die Zahl der Genehmigungen. Auch das Tempelhofer Feld muss wieder auf die Agenda.

Was für eine Kulisse: Die Kanzlerin begrüßt Frankreichs Präsidenten im Berliner Schloss! Handshake vor dem ersten fertigen Abschnitt der rekonstruierten Barockfassaden. Im Herbst 2019 wird der Neubau als Humboldt-Forum eröffnet. Es ist eines der wenigen Großprojekte in der Hauptstadt, die fast geräuschlos voranschreiten – im Zeitplan und im Kostenrahmen.

Baut mehr Schlösser, möchte man ausrufen. Aber was Berlin dringender braucht, sind Wohnungen. Die Stadt wächst rasant, hat aber noch nicht die Instrumente gefunden, mit denen der Zuzug von jährlich 40.000 Neu-Berlinern bewältigt werden kann. Zuletzt ging die Zahl der Genehmigungen im Wohnungsbau sogar zurück.

Angesichts dieser Misere hält es Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller jetzt sogar für möglich, dass die Politik noch einmal über das Tempelhofer Feld nachdenkt. Dieses riesige Gebiet könne man nicht für die Stadtentwicklung „aufgeben“, sagte er im WELT-Interview, „im nächsten Wahlkampf oder der nächsten Legislatur“ werde das Thema bestimmt eine Rolle spielen.

Dabei war Müller erst vor vier Jahren mit dem Vorschlag einer Randbebauung gescheitert: In einem Volksentscheid hatte sich eine Mehrheit dafür ausgesprochen, die Freifläche des ehemaligen Flughafens nicht anzutasten.

Zu Recht stimmt Müller die Berliner darauf ein, dass sich die Nachbarschaft in vielen Vierteln verändern wird, dass „höher und dichter“ gebaut werden muss. Man sollte hinzufügen: auch schöner! Denn es geht nicht nur um nackte Stückzahlen, sondern auch um die Gestaltung von Straßenzügen, in denen sich die Bewohner gut aufgehoben fühlen.

Leider gelingt es aber weder der Bausenatorin noch der Senatsbaudirektorin, mit eigenen Visionen oder exemplarischen Projekten den Weg zu weisen. Und das in einer Metropole, die immer wieder Architekturgeschichte geschrieben und große Stadtbaumeister hervorgebracht hat. Schon in einigen Jahren werden in Berlin wieder annähernd so viele Menschen leben wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt ist darauf schlecht vorbereitet.

 

Quelle: DIE WELT, 21.04.2018

 

 

 

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