„Mit wenigen Objekten die Welt erzählen“

01.02.2018   Berliner Morgenpost

Paul Spies stellt das Stadtmuseum neu auf und verteidigt seine Autonomie im Humboldt Forum

Von Gabriela Walde

Drei Sätze sollten es nur werden zum Humboldt Forum. Doch es wurden dann mehr. Schon klar, Paul Spies ist nicht nur Direktor des Stadtmuseums mit den verschiedenen Häusern, sondern zugleich Chefkurator der Berlin-Ausstellung im künftigen Humboldt Forum. Und eins hängt nun einmal eng mit dem anderen zusammen. Es hätte gekracht hinter den Kulissen, erzählt Spies, so hat es keiner der Partner im Humboldt Forum je öffentlich formuliert.

Nun aber sei die „Governance-Frage“ gelöst. Der Hintergrund: ein Streit um die Nachfolge von Gründungsintendant Neil MacGregor, dessen Vertrag bis zur Eröffnung des Humboldt Forums Ende 2019 läuft. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) will eine Generalintendanz, Spies und das Land Berlin wollen Autonomie. Abhilfe schaffen soll nun ein Kooperationsmodell. „Wir haben die autonome Freiheit, unsere Ausstellungen selbst zu gestalten, ohne Einmischung von Berlin, aber auch ohne Einmischung vom Humboldt Forum“, betont Spies. Er selbst werde deshalb einem künftigen Leitungsgremium angehören, das Land Berlin werde mit zwei Mitgliedern im Stiftungsrat vertreten sein. Die einzelnen Kooperationsverträge mit dem Land Berlin, der Humboldt Universität, vor allem der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sollen in den nächsten Monaten ausgehandelt werden.

Schau soll unterschiedliche Zielgruppen ansprechen

Spies verdeutlicht, dass seine Ausstellung eine „wichtige Brücke“ sei, zwischen dem „Berlin draußen und dem Berlin oben“, den zwei Dahlemer Sammlungen im zweiten und dritten Stockwerk des Humboldt Forums. Neben den großen Themen von Kolonialismus, Provenienzforschung und Internationalität sei der Berlin-Teil auch dazu da, eben die Lokalität zu spiegeln. Seine Schau wolle mit „wenigen Objekten die Welt erzählen“. Demzufolge wird es wohl nur einige Vitrinen geben, stattdessen sollen durch Inszenierungen „Atmosphären und Stimmungen“ erzeugt werden. „Die Menschen wollen sehen, dass das Museum etwas mit ihnen zu tun hat.“ Diese Auffassung wird sicher nicht jeder Kurator teilen.

Die Eröffnungsschau, meint Spies, könne durchaus „mehrere Jahre“ Laufzeit haben, wichtig sei, dass sie flexible Formate anbiete und die verschiedenen Zielgruppen anspricht. Die „Weltbürgerschaft“ schwebt als Klammer über den einzelnen Ausstellungsaspekten.

Das Humboldt Forum ist Spies‘ „halbe Stelle“, die andere das Märkische Museum am Köllnischen Park, sein Sorgenkind. Wer das Haus kennt, weiß, wie schwer die labyrinthisch angelegten Räume zu bespielen sind, und ja: wie in die Jahre gekommen die Dauerausstellung wirkt. Da gibt es in den nächsten Jahren einiges zu stemmen: 2020 steht die Schließung mit der Generalsanierung des Hauses an. Begleitend wird das benachbarte Marinehaus zum „Labor“ umgebaut, dort wird Vermittlungsarbeit groß geschrieben. Gleichzeitig arbeitet Spies an einer zeitgemäßen Neuausrichtungen des Museums.

Dazu gehört die Überarbeitung der Dauerausstellung. Im ersten Obergeschoss bietet sie eine kompakte Berlin-Geschichte, „to go“ in 45 bis 60 Minuten, ideal für Touristen. Die zweite Etage dient der Vertiefung zu Themen wie Stadt der Musik oder etwa Militär. Die radikale Veränderung Berlins – dieser Leitfaden führt durch die Schau, die Jahre 1933, 1945, 1961, 1989 bieten wichtige historische Stationen im Wandel dieser Metropole.

Offenbar liegt es in der Natur der Sache, dass nur jemand wie Spies, der neu in Berlin ist, Ausstellungen macht, die man eigentlich schon gerne früher gesehen hätte. Der Mann aus Amsterdam setzt ungeniert auf das Berliner Lebensgefühl. Nächsten Monat wird die Ausstellung „Die Schönheit der großen Stadt“ im Ephraim-Palais eröffnet. Zahlreiche Künstler wie Eduard Gärtner, Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann bis hin zu Rainer Fetting entdeckten hinter Schmutz und grauen Fassaden den allzu oft verborgenen Charme der Stadt. Ein schillerndes Panorama zwischen Kiez, Nacht, Grenze und den verschiedenen Milieus.

Das Berliner Lebensgefühl ist Thema dreier Ausstellungen

Mit „Bizim Berlin 89/90“ ab 13. April geht es weiter am Köllnischen Park. Die Schau basiert auf der Sammlung des Istanbuler Fotografen Ergun Cagatay. Kurz nach der Wende machte er eine Reportage in beiden Teilen der Stadt, um zu sehen, wie sich der Mauerfall auf die zweite Generation türkischer Einwanderer ausgewirkt hat. Er fand Menschen im Umbruch, die Minderheit stieß auf feindselige Gefühle. Freuen darf man sich ab 12. Oktober auf „Ost-Berlin, die halbe Stadt“, Pendant zu der „West-Berlin“-Ausstellung im Jahre 2014/15. Schwerpunkt ist die sozialistische Moderne und der Alltag im Osten. Hoch oben auf dem güldenen Balkon des Ephraim-Palais wird der ehemals auf der Volksbühne angebrachte „OST“-Schriftzug thronen. Es werde, sagt Spies, kein ostalgischer, vielmehr ein kritisch-analytischer Blick auf die „Hauptstadt der DDR“. Kann sein, dass Fans der alten Castorf-Volksbühne das ein wenig anders sehen.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 01.02.2018

 

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