„Humboldt Forum soll Ort der offenen Debatte werden“

01.03.2018   Neue Osnabrücker Zeitung

 

Von Dr. Stefan Lüddemann

Mit wechselnden Exponaten spannende Geschichten erzählen: Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, will aus dem Humboldt Forum einen Ort offener Prozesse machen. Vor allem die Kooperation mit den Herkunftskulturen der Exponate soll zur „DNA des Humboldt Forums“ werden.

Der Termin der Eröffnung des Humboldt-Forums rückt näher. Gleichzeitig scheint die Konzeption dessen, was dort ab 2019 zu sehen sein soll, unklarer denn je zu sein. Wie lautet Ihre Kurzformel für das Konzept des Forums?

Das Humboldt Forum ist ein Ort, der die globalen Verflechtungen aufzeigen soll. Es geht um die Frage, was den Menschen immer und überall ausgemacht hat. Die herausragenden außereuropäischen Sammlungen aus Berlin-Dahlem erlauben faszinierende Einblicke . Mit ihnen lassen sich interessante Geschichten erzählen. Dabei sollen Entwicklungen aus historischer Perspektive verständlich gemacht und auf aktuelle Fragen Bezug genommen werden. Die Ausstellungen wollen wir dabei mit einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm kombinieren. Hier weiterlesen: Museen müssen Geschichte des Kolonialismus aufarbeiten.

Wie aber entsteht im Humboldt Forum eine Präsentation, die mehr darstellt als die Addition von Beständen?

Es kommt darauf an, welches Narrativ man einer Ausstellung zugrunde legt. In Dahlem hatten wir eine nach Kontinenten und Regionen gegliederte Präsentation, die die Schwerpunkte der Sammlung aufzeigte. Wir haben im Humboldt Forum immerhin über 17.000 Quadratmeter zu bespielen. Neben einer Grundgliederung nach Kontinenten sind dort aber thematische Module die entscheidenden Elemente, sie erzählen die spannenden Geschichten. Wir fragen danach, wie sich Naturräume auf die kulturelle Entwicklung des Menschen auswirkten, wir stellen die Biografien der Objekte vor und erklären, wie sie in unsere Sammlungen gelangt sind. Auch transkontinentale Verflechtungen werden uns beschäftigen, etwa das Thema Sklavenhandel. Neu ist, dass wir bei diesen Themen eng mit den Herkunftskulturen zusammenarbeiten. Wir wollen die Narrative der Ausstellung gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln, derzeit kooperieren wir mit Kuratoren aus Tansania und Venezuela. Unsere Ausstellung wird sich aber auch kontinuierlich weiterentwickeln müssen. Das Humboldt Forum wird ein Ort des Prozesses und der ständigen Debatte sein.

Sie tauschen also auch Exponate kontinuierlich aus?

Genau. Wir werden mit wechselnden Objekten immer wieder neue Geschichten erzählen. Und die Zusammenarbeit mit den Herkunftskulturen muss dauerhaft verankert werden. Das muss über die Eröffnung des Humboldt Forums hinausgehen und Teil der DNA des Humboldt Forums werden. Dabei denken wir an ein Residenzprogramm, das es Wissenschaftlern, Künstlern und Vertreter indigener Gemeinschaften aus den Herkunftsländern erlauben soll, nach Berlin zu kommen und hier mit den Museumsbeständen zu arbeiten. Das Interesse dafür ist riesengroß, vor allem, wenn es darum geht, gemeinsam zu forschen und zu kuratieren. Das bedeutet auch für unsere Kuratoren, dass sie ihre Deutungshoheit zu teilen bereit sind. Das muss aber erlernt werden, doch diese Haltung soll das Humboldt Forum prägen.

Was heißt das konkret für den Besucher? Was wird er zu sehen bekommen?

Der Besucher hat ein reichhaltiges Angebot zu erwarten. Wenn er in das überdachte Foyer des Humboldt Forums eintritt, kann er sich sofort über alle Angebote des Hauses informieren. Im Erdgeschoss finden vielfältige Veranstaltungen statt, auf den Sonderausstellungsflächen, im Auditorium oder im Bühnensaal. Er wird auch Film, Performatives, Musik und Debatten erleben können, es soll ein höchst lebendiges Programm sein. Im ersten Obergeschoss findet der Besucher die Bereiche des Landes Berlin zur Geschichte des Verhältnisses Berlins zur Welt, die Ausstellungen der Humboldt-Universität zu wechselnden Themen von Wissenschaft und Forschung. Im zweiten und dritten Geschoss folgt die Präsentation unserer außereuropäischen Sammlungen. Natürlich gibt es auch vertikale Verbindungen. So zieht sich durch das ganze Haus eine Kinder- und Familienspur, die Kindern und Erwachsenen ein gemeinsames Museumserlebnis ermöglichen soll. Die kulturelle Bildungsarbeit wird integrativer Bestandteil des Humboldt Forums sein. Natürlich wird der Besucher die Südseeboote oder die Turfan-Höhlen mit den fantastischen buddhistischen Wandmalereien im Kuppelsaal sehen wollen. Er wird aber auch andere Perspektiven erleben können. Wie stellen Kuratoren aus Tansania ihren Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte dar? Es geht uns um den Perspektivenwechsel. Der Besucher soll immer wieder kommen, um stets Neues zu entdecken. Deshalb ist uns auch der freie Eintritt so wichtig.

Mit der Kunstwissenschaftlerin Bénédicte Savoy hat eine Frau den Expertenrat des Projektes verlassen. Mit Inés de Castro hat eine Museumsleiterin die angebotene Leitung der Museen im Humboldtforum ausgeschlagen. Warum scheint es so schwierig zu sein, ausgewiesene Fachleute für das Humboldt Forum zu begeistern?

Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Das Humboldt Forum ist ein riesiges Projekt, an dem mehrere Akteure beteiligt sind. Diese Struktur mit ihren unterschiedlichen Zuständigkeiten war lange im Prozess der Findung, doch inzwischen haben wir in Bezug auf die Governance mit allen Beteiligten einen Konsens erzielt. Wer hier einsteigt, muss wissen, dass er Teil eines großen Ganzen sein wird. Das ist komplex und vielleicht auch ungewohnt, doch das Potenzial des Humboldt Forums ist natürlich auch ganz enorm.

Beim Humboldt Forum mischen viele Instanzen mit. Mit dem Berliner Stadtmuseum, der Humboldt Universität und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind es immerhin drei Akteure, die das Forum bespielen sollen. Wie wird daraus der von Kulturstaatsministerin Monika Grütters beschworene „Haus aus einem Guss“?

Die Akteure sind von unterschiedlichem Gewicht. Die Dahlemer Sammlungen nehmen die größte Fläche einDurch ihren Bezug zur außereuropäischen Welt prägen sie ganz wesentlich den Inhalt des Hauses. Das Stadtmuseum Berlin und die Humboldt Universität teilen sich die übrigen Ausstellungsflächen. Aus einem Guss heißt, dass sich alle Partner einem gemeinsamen Ziel verpflichtet fühlen, das muss die Stärke und das Besondere des Hauses sein. Die Leiter dieser Bereiche müssen mit einem Intendanten zusammen ein gemeinsames Programm entwickeln. Das geht nicht mit Institutionen, die unverbunden nebeneinander stehen. Wir wollen eine Integration der jeweiligen Angebote, keine Addition. Der Intendant spielt dabei natürlich eine zentrale Rolle, insbesondere bei der Gestaltung des Veranstaltungsprogramms und bei den Sonder- und Wechselausstellungen. Er hat die Richtlinienkompetenz für das Humboldt Forum, das er zusammen mit den Verantwortlichen der jeweiligen Bereiche leitet. .

Wer die Kultur der Welt in einem Haus darstellen will, muss sich zu den Themen Globalisierung und Kolonialismus stellen. Welche neue Version der Weltkultur soll im Hinblick auf diese Themen angeboten werden?

Das Humboldt Forum kann ja eigentlich nur bedingt ein Museum der Weltkulturen sein, weil Europa fehlt. Das bedauern wir. Wir hätten gern das Museum Europäischer Kulturen mit integriert. Aber dafür steht keine ausreichend große Fläche mehr zur Verfügung. Wir werden das Museum Europäischer Kulturen im Humboldt Forum aber trotzdem immer wieder einbeziehen und an ausgewählten Stellen sichtbar machen. Wenn man von der ganzen Welt spricht, muss man natürlich auch die Museumsinsel einbeziehen. Wir denken Humboldt Forum und Museumsinsel immer als Einheit. Es wird aber darauf ankommen, dass wir im Humboldt Forum neue Wege gehen, etwa in der Zusammenarbeit mit den Herkunftsgesellschaften. Wir wollen nicht nur unsere Sicht auf die Welt zeigen, sondern auch die Perspektiven der anderen ermöglichen.

 

 

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung, 01.03.2018

 

 

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