„Göttin fürs Berliner Schloss“

02.10.2018   Sächsische Zeitung

 

Ende nächsten Jahres soll das Humboldt-Forum fertig sein. In Großenhain wird an einer von 18 besonderen Figuren gearbeitet.

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Er muss kratzen, raspeln und schleifen. Anders ist dem Kalkstuckmörtel keine feminine Form zu entlocken. Pax heißt die Dame, die Tilmann Richter neu erschaffen möchte – das Original vom einstigen Berliner Stadtschloss wurde im Krieg zerstört. Die Friedensgöttin soll aber als Teil des Schlüterhofes, eines Innenhofes, wieder erstehen. Zusammen mit 17 anderen Figuren. Doch Grundlage des Auftrags an die Großenhainer Steinbildhauerwerkstatt Hartmut Witschel war nur ein ziemlich gepixeltes Foto.

Seit Sommer ist Tilmann Richter nun dabei, die Allegorie aus dem 18. Jahrhundert wiedererstehen zu lassen. Zuerst als kleines Modell aus Ton, das in Gips abgeformt werden konnte. Jetzt arbeitet der talentierte Steinbildhauer an einem 1:1-Modell aus eben jenem Kalkstuckmörtel, einer Art Fassadenputz. „Zwiebelschichtenmäßig“ holt der 37-jährige die Körperformen der Pax aus dem Material, die Faltenwürfe ihrer Kleidung, die feinen Züge des Gesichts. „Es war eine Herausforderung, von dem vorliegenden Foto die ganze Figur räumlich zu erfassen“, so der Steinkünstler. Freies Arbeiten, improvisieren, ist hier unabdingbar. Aber es wird einen Sinn ergeben, am Ende muss eine Expertenkommission das Werk abnehmen.

Denn die jetzige Figur ist schließlich nur das Modell für die Steinumsetzung – ein Auftrag, der gesondert ausgeschrieben wird. Ob den auch die Großenhainer gewinnen, ist offen. Aber wahrscheinlich. Denn die Stiftung Humboldtforum, wie das Stadtschloss künftig heißt, möchte die fast drei Meter hohe Figur in guten Händen wissen. 18 Figuren werden laut Tilmann Richter insgesamt am Portal vier des Schlüterhofes hergestellt. Auch männliche sind darunter wie Herkules und Antinous. Manche haben noch ihre Ursprungsfigur als Vorbild, die vor der Schlosssprengung 1950 gerettet werden konnte.

Mit der Pax fertigt die Großenhainer Werkstatt zum wiederholten Mal eine Arbeit für das Berliner Stadtschloss an. Ein preußischer Adler 2014 und Komposit-Kapitelle für die Säulen am Haupteingang wurden schon 2016 für die Bundeshauptstadt geliefert. Ende 2019 soll das Humboldt-Forum mit allen Elementen fertiggestellt sein – dann muss auch die Pax im Cottaer Sandstein auf ihrem Posamenten auf halber Fassadenhöhe stehen: also etwa in 12 Metern Höhe. „Das Schloss hat uns viele schöne Aufträge gebracht“, freuen sich die Steinbildhauer der Werkstatt Witschel.

Für Tilmann Richter waren es Figuren, bei denen er seine Kreativität entfalten und seine künstlerische Qualität zeigen konnte. Der Naunhofer studierte allerdings auch die noch vorhandenen Originalfiguren vom Schlüterhof und hielt sich bei seiner Friedensgöttin an deren Aura. Dazu bedurfte es einer besonderen Abstraktionskraft.

Neben Tilmann Richter arbeiten weitere Bildhauerwerkstätten in Berlin, Potsdam und Dresden an den 18 Figuren für den Schloss-Innenhof. Bis Anfang 2019 wird Tilmann Richter noch mit Pax beschäftigt sein. Ob er die Ausschreibung für die Steinfigur wirklich gewinnt, ist dann auch eine Frage des Kostenangebotes.

 

Quelle: Sächsische Zeitung, 02.10.2018

 

 

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