„Einheitsjubiläum voraussichtlich ohne Einheitsdenkmal“

15.01.2019   Berliner Morgenpost

Nach Angaben des Bundes ist die Fertigstellung des Denkmals zum 30. Jahrestag der Einheit 2020 „nicht wahrscheinlich“.

Von Andreas Abel

 

Das Freiheits- und Einheitsdenkmal wird nun auf der Schlossfreiheit in Mitte errichtet — doch die Chancen, dass es zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2020 fertiggestellt werden kann, stehen schlecht. Als „nicht wahrscheinlich“ bezeichnete Hagen Philipp Wolf, Sprecher von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU), diesen Termin.

Der Bauablauf hänge von etlichen Unwägbarkeiten ab, sagte Wolf der Berliner Morgenpost, daher könne noch keine eindeutige Aussage zu einem Fertigstellungstermin getroffen werden. Der ursprünglich genannte Wunschtermin, das Mauerfalljubiläum im November dieses Jahres, hatte sich bereits vor etlichen Monaten zerschlagen, weil das Geld für den Denkmalbau noch nicht freigegeben war.

Hauptursache dieser Unwägbarkeiten sind nach übereinstimmenden Aussagen von Verfahrensbeteiligten die Bauarbeiten, die bereits am Denkmal-Standort stattfinden. Sie betreffen das Humboldt-Forum, aber vor allem die Verlängerung der U-Bahnlinie U5. Das Baufeld ist also nicht frei, vielmehr muss sich der Generalunternehmer für den Denkmalbau, das Stuttgarter Gestalter-Büro Milla & Partner, mit den benachbarten Bauherren abstimmen, wann und an welcher Stelle des Geländes er anfangen kann. Dazu fänden derzeit Gespräche statt, sagte Johannes Milla der Morgenpost. Daran beteiligt sind insbesondere die BVG sowie die Senatsverwaltungen für Verkehr und Stadtentwicklung.

„Bürger in Bewegung“ – eine große, begehbare Waage

Wie berichtet, ist das vom Bundestag beschlossene Denkmal als große, begehbare Waage konzipiert. Das kinetische Objekt mit dem Titel „Bürger in Bewegung“ neigt sich, wenn eine Besuchergruppe auf der Fläche gemeinsam in eine Richtung geht. Es enthält die Inschrift „Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk“. Der Entwurf stammt von Milla & Partner, die vor sieben Jahren den Bundes-Wettbewerb um die Gestaltung des Denkmals gewonnen hatten. Er symbolisiert die Montagsdemos und die friedliche Revolution in der DDR. Die Waage soll auf dem denkmalgeschützten Sockel des früheren Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals errichtet werden.

„Nach Auskunft des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung ist derzeit noch nicht absehbar, wann genau mit der Bauausführung begonnen werden kann“, teilte eine Sprecherin der Senatsbauverwaltung mit. Der Senatsbehörde obliegt bis zur Fertigstellung des Denkmals die Bauaufsicht. Sie hatte im September vergangenen Jahres die Gültigkeit der bereits 2015 erteilten Baugenehmigung verlängert. Demnach muss der Baubeginn bis zum 20. September dieses Jahres erfolgen. Laut Genehmigung müsste es spätestens im September 2024 fertiggestellt sein.

Langes politisches Hin und Her

So lange soll es aber nicht dauern, obgleich das Projekt nach einem beispiellosen politischen Hin und Her bereits in der Vergangenheit von langen Verzögerungen gekennzeichnet war: Im Frühjahr 2016 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Bau dieses Denkmals gestoppt und sich dabei auf eine angebliche Kostensteigerung berufen. Im Juni 2017 beschloss der Bundestag, an der Planung festzuhalten. Es dauerte dann aber bis zum September 2018, bis der Haushaltsausschuss schließlich die 17 Millionen Euro für die „Bürger in Bewegung“ freigab.

„Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt am Denkmalprojekt arbeiten können. Derzeit befassen wir uns mit der detaillierten Ausführungsplanung und führen Gespräche mit ausführenden Unternehmen. Und wir stimmen uns mit benachbarten Baustellen ab, wir sind eben nicht allein vor dem Schloss“ erklärte Johannes Milla. Im Frühjahr würden all diese Faktoren des Bauzeitplans geklärt sein. „Dann können wir sagen, wann eine Fertigstellung wahrscheinlich zu erwarten ist“, so der Planer. Und weiter: „Im Sommer wird man einen Baubeginn sehen.“

„Keine neuen Einwände, keine neuen Probleme“

Bei der Verlängerung der Baugenehmigung wurden keine neuen Auflagen erteilt, wie Milla und alle beteiligten Senatsverwaltungen übereinstimmend betonten. Von Gegnern der begehbaren Waage wurden vermeintliche Probleme mit dem Denkmalschutz sowie wegen im Denkmalsockel siedelnder Fledermäuse benannt. „Es gibt keine neuen Probleme und keine neuen Einwände“, erklärte Johannes Milla. Auch die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung, Kultur und Umwelt teilten mit, entsprechende Auflagen seien bereits in der 2015 erteilten Genehmigung berücksichtigt, es gebe keine neue Faktenlage.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 15.01.2019

 

4 Kommentare zu “„Einheitsjubiläum voraussichtlich ohne Einheitsdenkmal“

  1. Von Wegen keine neuen Einwände. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen dieses sogenannte Einheitsdenkmal an diesen historischen Standort.
    Lassen Sie bitte diejenigen entscheiden die maßgeblich die Wiedervereinigung erkämpft haben und nicht diejenigen die sich jetzt in den Vordergrund schieben.

  2. Niemand will die Bananenschale außer diejenigen, die damit Kasse machen. Es wäre ein schlechter Witz, wenn das Ding realisiert würde: „Bürger in Bewegung“ meint wohl das Verschaukeln auf der Wippe? Denkmalschutz, Umweltschutz, Folge- und Betriebskosten und die überwältigende Mehrheit der Bürger, die die Banane nicht wollen, werden mit Füßen getreten.
    In jedem Fall wird es ein Schandmal der Spaltung sein zwischen den Bürgern und ihren sogenannten Vertretern.

  3. Das mit soviel Aufwand und Liebe zum Detail rekonstruierte grandiose Prunkportal des Schlosses, dessen wahre Schauseite, wird nun zur Hintergrundstaffage für ein gebautes Event — denn der Blick wird zwangsläufig auf das Technikspektakel der Wippe abgelenkt werden, und das Interesse der Besucher wird künstlich auf die begehbare Wippe transferiert — die Idee als solche ist gut, charmant, — aber der Standort ein Ärgernis und blosse Provokation, ästhetisch nicht zu rechtfertigen. Der einmalige Wert der Komplettrekonstruktion der Barockfassade wird zerstört. Den Menschen, die die Einheit herbeigeführt haben, muss man nicht unterstellen, sie würden einfordern, nur an genau diesem Ort müsse genau ein solches Denkmal an ihre einmalige Tat erinnern…

  4. Der Bau hat offenbar noch nicht begonnen. So ist es Zeit, die mehrheitlich ungeliebte Wippe zu verhindern. Malle & Partner sollten als Gewinner des Entwurfs großzügig entschädigt werden und auf dem ohnehin denkmalgeschützten Sockel das Nationaldenkmal restauriert und anstelle des kaiserlichen Reiters mit einem Symbol (Wettbewerb) für die Wiedervereinigung versehen werden.

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