„Kieke, staune, wunder dir!“

06.06.2019  taz Berlin

Das Humboldt Forum soll ohne Ausstellung eröffnen, weil die Klimaanlage nicht funktioniert. Gut so! So bleibt mehr Raum für Selbstreflexion.

Von Thomas Mauch

Es heißt, dass da eine Leere drohe im Humboldt Forum. Dabei ist es keineswegs so, dass da im Moment nichts reinkommen würde. Es herrscht Betrieb am Schlossplatz. Die berühmten Südseeboote zum Beispiel sind längst von Dahlem dorthin umgezogen, und wenigstens die Presseöffentlichkeit ist demnächst zu einem Termin geladen, an dem der „Einzug der Tresortür in das Humboldt Forum“ zu begutachten ist. Es handelt sich um die Tür des legendären Technoclubs Tresor, der nach dem Mauerfall zu einem Sinnbild des neuen Berlins wurde. Platz finden wird die Tür auf den Flächen der Berlin-Ausstellung im Humboldt Forum. Den Pressevertreter*innen wird geraten, weil es sich an diesem 18. Juni doch um eine Baustellenbegehung handele, festes Schuhwerk zu tragen.

Baustellenbegehung. Das hört sich natürlich nicht ganz so gut an bei einem Großbau, dessen feierliche Eröffnung eigentlich noch in diesem Jahr stattfinden soll.

Wobei bereits in den vergangenen Monaten der Öffentlichkeit häppchenweise schon mitgeteilt wurde, dass man sich diese Eröffnung als ein soft opening vorstelle. Häppchenweise also. Der Start der Berlin-Ausstellung im Haus könnte dann 2020 sein, möglicherweise ab dem Jahr ist auch die Dauerausstellung mit den Südseebooten und den anderen Exponaten aus den Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst zu sehen. Trotzdem: Die erste Eröffnung des Humboldt Forums, auch das wurde gern wiederholt, sollte es Ende 2019 geben.

Jetzt aber hat die Süddeutsche Zeitung unter der catchy Überschrift „Das Geisterhaus“ vermeldet, dass das Humboldt Forum „wohl leer eröffnen“ werde. Dass es also nicht viel zu sehen geben wird, wenn man denn tatsächlich Ende 2019 zur Eröffnung in das Haus ruft – weil die dafür geplante Elfenbein-Ausstellung wohl verschoben werden muss und nicht vor dem Frühjahr 2020 realisiert werden könne. Viele Museen seien nicht bereit, die vom Humboldt Forum angefragten Leihgaben in ein Haus zu geben, das sich noch im Bau befinde. Der Grund: Verzögerung beim Testen und Einstellen der Haustechnik wie der Klimaanlage. Elfenbein aber gilt als besonders empfindlich, was Schwankungen von Luftfeuchtigkeit und Temperatur betrifft.

Berlin eben

Aber nun ist jede Krise auch eine Chance. Natürlich kann man lamentieren, dass selbst bei diesem 600 Millionen Euro schweren Renommierobjekt nichts so klappt, wie das mal geplant wurde. Berlin eben.

Aber man muss doch auch gar nicht so viel zum Gucken haben neben dem Bau selbst, wie es der massenhafte Andrang der Berliner vergangenen August beim letzten Tag der offenen Baustelle des Humboldt Forums – Motto „Kieke, staune, wunder dir!“ – beweist.

Da werden sich schon auch ohne Elfenbein genug Schaulustige einfinden, wenn das Humboldt Forum Ende des Jahres wirklich die Pforten öffnet. Und die sich dahinter auftuende Leere könnte man dann gut als Denkraum nutzen.

Als Erinnerung, dass lange vor dem Humboldt Forum doch erst die Idee stand, dass man an Stelle des Palasts der Republik mit seiner DDR-Vergangenheit lieber wieder das im Realsozialismus geschleifte historische Stadtschloss hätte – ohne dabei recht zu bedenken, dass es in Deutschland gar keine Könige und Königinnen mehr gibt, die das auch bewohnen könnten. Weswegen man in die wiederaufgebaute Hülle Stadtschloss ja als Konzept das Humboldt Forum hineingezaubert hat. Das kann sich jetzt bei seiner Eröffnung gar nicht recht zeigen. Bleibt also die Hülle. Eine Simulation.

Das aber tatsächlich auch bildlich durchzuspielen ist ein schönes Beispiel einer kulturellen Selbstreflexion.

Überhaupt: Dass man sich erst mal mit dem Bau beschäftigen darf und sich nicht gleich mit seiner Funktion auseinander setzen muss, das ist doch eine vertrauensbildende Maßnahme, die durchaus Schule machen könnte. Dieser Hauptstadtflughafen, um den es immer wieder Unmut gibt bezüglich irgendwelcher Eröffnungstermine: Macht man halt einfach wirklich, wie versprochen, 2020 die Türen auf. Es muss ja nicht gleich richtiger Flugverkehr sein.

 

Quelle: taz Berlin, 06.06.2019

 

Ein Kommentar zu “„Kieke, staune, wunder dir!“

  1. Den Zustand muß man als Chance nutzen! Diese Leere kann man auf einfachste Weise füllen, zumindest in einigen wichtigen Bereichen, indem in das Schloß zieht, was in ein Schloß gehört. Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um auch die Rekonstruktion der verloren Innenausstattung voran zu treiben. Danach hat Berlin einen Publikumsmagneten, wie er ansonsten nicht gefunden werden kann.

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