„Senator Lederer will Einheitsdenkmal nochmal überdenken“

19.07.2018  robb24

Das Einheitsdenkmal steht noch nicht, aber sorgt weiter für Diskussionen: Kultursenator Lederer findet den geplanten Standort vor dem Stadtschloss unpassend. Auch eine Bürgerinitiative hat andere Ideen – und plant bis Oktober täglichen Dauer-Protest

Eine Berliner Bürgerinitiative will durch eine Dauer-Demonstration vor dem Reichstag erreichen, dass das Einheits- und Freiheitsdenkmal dort errichtet wird – und nicht wie geplant vor dem Berliner Stadtschloss. Dabei erhält die Initiative Unterstützung aus der Politik. Denn Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) hat auch seine Zweifel an dem Standort vor dem Stadtschloss und hat die neue Debatte begrüßt.

„Standort vor Stadtschloss unpassend“

Er finde den derzeit vorgesehenen Standort unpassend, sagte der Linken-Politiker am Donnerstag im rbb-Inforadio. Mit der friedlichen Revolution 1989 verbinde er eher den Ring in Leizpig, die Berliner Gethsemane-Kirche oder den Alexanderplatz. Das Stadtschloss sei kein Symbol für Einheit und Freiheit. Vielmehr habe sich dort 1848 der Kaiser vor den Opfern der Niederschlagung der 1848er-Revolution verneigt.

Geplant ist eine 50 Meter lange Schale, auf der mehr als 1.000 Menschen herumlaufen können und die zum Wippen gebracht werden kann. Lederer regte an, noch einmal grundsätzlich über das Denkmal nachzudenken.

Der Verein „Historische Mitte Berlin“ wünscht sich als Standort für das Denkmal das Areal vor dem Reichstagsgebäude und will dort nun in den kommenden 77 Tagen täglich demonstrieren. Den Reichstag lehnt Lederer allerdings ebenso als Standort für das Einheitsdenkmal ab.

Allerdings ist Lederer nicht wirklich zuständig: Das Denkmal geht auf einen Bundestagsbeschluss zurück, dessen Umsetzung im Bereich der Kulturstaatsministerin liegt.

Grütters: Grundstückskauf für Einheitswippe am 22. August

Und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) lehnt eine erneute Debatte und den Reichstag als möglichen Standort ab. Im rbb sagte sie bereits am Mittwoch, die Idee sei eine „Totgeburt“. Auch technische Gründe sprächen gegen das Areal vor dem Reichstagsgebäude. Nach Angaben von Grütters steht der Kauf des Grundstücks vor dem Stadtschloss, auf dem das Freiheits- und Einheitsdenkmal errichtet werden soll, kurz vor dem Abschluss.

Grütters sagte am Donnerstag dem rbb, am 22. August werde der Notartermin mit der Bundesliegenschaftsverwaltung stattfinden und das Grundstücksgeschäft besiegelt.

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte bei seiner letzten Sitzung Ende Juni das Geld für das Denkmal nicht freigegeben, weil der Kaufvertrag für das Grundstück noch fehle. Laut Grütters gibt es dann keine formellen Hindernisse mehr, dieses Thema auf die Tagesordnung zu nehmen. Laut Grütters erhalte Berlin für das Grundstück 322.000 Euro.

Ein Denkmal auch für das Aufbegehren der DDR-Bürger?

Der Denkmalverein Deutsche Gesellschaft plädiert nach wie vor für den ursprünglichen Platz zwischen dem neu entstehenden Stadtschloss und dem Spreekanal. „Mit der Revolution in der DDR kam auch ein Teil der Revolutionen in Mittelosteuropa. Damit ist die weltweite Spaltung aufgehoben worden. Daher ist der europäische Aspekt gegeben“, sagte Andreas Apelt vom Vorstand. „Das ist erstens ein authentischer Ort. Zweitens liegt er im Ostteil der Stadt, um den Bürgerinnen und Bürgern, die damals mutig der Diktatur die Stirn gezeigt haben, auch ein Denkmal zu setzen.“ Apelt kann sich nicht vorstellen, dass der Bundestag seine Entscheidung revidieren wird.

Die Errichtung des Einheitsdenkmals hatte sich in den vergangenen Jahren immer wieder verzögert. Über die Freigabe der veranschlagten 17,1 Millionen Euro an Kosten wird der Bundestag voraussichtlich erst nach der Sommerpause entscheiden. Eine Fertigstellung des Denkmals zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im kommenden Jahr ist damit unrealistisch.

Diese Verzögerung nutzt nun der Verein „Berlins Historische Mitte“ und fordert einen alternativen Standort für das Denkmal: den Vorplatz des Reichstages. „Wir haben ja gar nichts gegen das Denkmal, das ist ja wunderschön konzipiert“, sagt Annette Ahme vom Verein Berliner Historische Mitte. „Nur dort steht es zu eng, vollkommen verkehrt und auch inhaltlich vollkommen falsch.“ Zudem habe das Schloss einen kosmopolitischen Anspruch. „Da kann man nicht vor das Hauptportal ein deutsches Denkmal stellen, welches sich eben nur mit dem deutschen Volk beschäftigt.“

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Günther Nooke glaubt, dass mit der Debatte das Projekt verhindert oder verzögert werden soll. Rechtlich sei es nicht möglich, „einen Siegerentwurf, der aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist und wo natürlich auch die Künstler und die Agentur ein Recht daran haben, gegen ihren Willen in ein völlig anderes Umfeld zu stellen“, sagte Nooke am Donnerstag in der rbb-Abendschau.

Täglicher Dauer-Protest bis Oktober

Ahme und ihr Verein organisieren eine ganze Reihe von Demonstrationen. Seit Donnerstag soll bis in den Oktober hinein täglich protestiert werden, um der Wippe  einen würdigen Ort zu geben: Jeden Abend um sieben Uhr mit mindestens sieben Leuten auf der Reichstagswiese.

Am Denkmalentwurf selber störe sie sich nicht, sagt Ahme im Interview mit radioeins vom rbb. Nur der Standort sei eben falsch gewählt. „Es braucht Freiheit, es braucht grüne Wiese, es braucht Himmel. Man braucht eine gewisse Entfernung, um es anzuschauen.

Annette Ahme glaubt dennoch, Chancen zu haben, den Standort der Einheitswippe noch auf die Wiese vor dem Reichstagsgebäude verlegen zu können. Deshalb protestiert sie dort bis zum 3. Oktober täglich. Zwei Jahre später dann soll das Freiheits- und Einheitsdenkmal fertig sein.

Sendung:  Inforadio, 19.07.2018, 07:00 Uhr

 

Quelle: rbb 24, 19.07.2018

 

 

 

Ein Kommentar zu “„Senator Lederer will Einheitsdenkmal nochmal überdenken“

  1. Denkmäler über Ereignisse von herausragender Bedeutung für die Volksgemeinschaft sollten möglichst viele Generationen unbeschadet überstehen und immer wieder neu zum „Nachdenken“ Anlass geben. Gefasste Bundestagsbeschlüsse und geschlossene Verträge hin oder her. Bevor man mit diesem Bau endgültig beginnt, sollte man lieber gar kein Denkmal bauen, jedenfalls keines mit umstrittener Symbolik und Gestaltung an einer historisch unpassenden Stelle und gegen die Meinung einer Mehrheit der Bürger .

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