„Am Berliner Stadtschloss droht ein Verkehrschaos“

05.02.2018  Berliner Morgenpost

Keine U-Bahn, keine Parkplätze, kein Konzept: Experten warnen vor Problemen rund um die Museumsinsel.

Von L. Vossen und I. Jürgens

Wenn das Berliner Stadtschloss Ende nächsten Jahres seine Pforten öffnet, müssen sich die anreisenden Besucher auf ein Verkehrschaos einstellen. Im Interview mit der Berliner Morgenpost beklagt Johannes Wien, Chef der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, dass die U-Bahnlinie 5 nicht rechtzeitig fertig sein wird. Dies habe Auswirkung auf die Erreichbarkeit des Schlosses, da „die Verkehrsprognose unseres Hauses davon ausgeht, dass die große Mehrheit der Besucher mit der U-Bahn zu uns kommen soll“. Die Stiftung rechnet mit mindestens drei Millionen Besuchern pro Jahr, möglich sei aber auch die doppelte Anzahl.

Der Lückenschluss der U5, bei dem die Bahnhöfe Alexanderplatz und Brandenburger Tor miteinander verbunden werden, war ursprünglich für Mitte 2019 geplant. Weil bei den Grabungen Reste des mittelalterlichen Berliner Rathauses gefunden wurden und später noch tonnenweise Erde und Wasser in die Baustelle eindrangen, verzögerte sich der Bau mehrmals. Stand heute wird das 2,2 Kilometer lange Teilstück erst Ende 2020 fertig sein – mehr als ein Jahr nach der geplanten Eröffnung des Stadtschlosses.

Am Stadtschloss sind keine Parkplätze eingeplant

Problematisch ist, dass die Planer sich auf die U-Bahn verlassen hatten und beim Bau auch deshalb keine Parkplätze einplanten. Auch für Reisebusse wurden keine zusätzlichen Stellflächen einkalkuliert, lediglich Menschen mit Behinderungen haben einen Parkplatz sicher. „Das sind tatsächlich noch offene Fragen, die der Berliner Senat klären muss“, sagt Wien.

Doch das nötige Verkehrskonzept wird mit der Eröffnung noch gar nicht fertig sein, teilt die Senatsverkehrsverwaltung auf Anfrage mit. Es sieht grob einen Mix aus Reisebussen und öffentlichen Verkehrsmitteln vor. Man gehe aber davon aus, dass die bestehenden Angebote reichten, heißt es. So werde die wegen des U-Bahn-Baus eingerichtete Baustelle auf der Straße Unter den Linden mit der Eröffnung verschwunden sein. Zudem werde ein Konzept für Reisebus-Parkplätze erstellt.

Senat verließ sich auf rechtzeitige Eröffnung der U-Bahn

Die Debatte über den Verkehr begleitet das Stadtschloss seit Jahren. Schon vor der Grundsteinlegung 2013 hatte es die Idee gegeben, Tiefgaragen zu bauen, was aber von der damaligen Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) verworfen wurde. Gegenargument: Es gebe ja eine U-Bahn, mit der die Besucher anreisen könnten.

Dass die Verantwortlichen beim Stadtschloss nun in Sorge seien, sei vollkommen berechtigt, sagt ADAC-Experte Jörg Becker. Das Thema Verkehr sei „vollkommen unterbelichtet“. Auch die Tourismuswerber von „Visit Berlin“ fordern, dass für das Problem rechtzeitig eine Lösung gefunden wird.

Der Senat will den Autoverkehr Unter den Linden nicht reduzieren

In der Stiftung hoffen sie, dass der Senat doch noch ein funktionierendes Verkehrskonzept vorlegt und an seinen Plänen festhält, die Straße Unter den Linden verkehrsberuhigt zu gestalten. Denn zur Überquerung der Straße gibt es nur zwei Ampeln. Man mache da „Druck“ beim Senat, so Wien. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie wird laut Verkehrsverwaltung dieses Jahr durchgeführt, Ergebnisse sollen aber erst 2019 vorliegen.

Eine Reduzierung des Autoverkehrs gilt allerdings als eher unwahrscheinlich, da sonst die andere, ohnehin stark belastete Ost-West-Verbindung Leipziger Straße den Verkehr auffangen müsste. Dort soll aber in den nächsten Jahren eine neue Straßenbahnlinie gebaut werden.

Trotz drohendem Verkehrskollaps hat Wien auch gute Nachrichten für die Besucher. So wird der Eintritt zur Dauerausstellung und zur „Geschichte des Ortes“ für die ersten drei Jahre kostenlos sein. Eine entsprechende Vereinbarung müsse in den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD noch bestätigt werden, so Wien, der die Frist gerne auf fünf Jahre ausweiten würde. Ob die Berlin-Ausstellung im ersten Stock auch kostenlos wird, ist noch unklar. Diese Entscheidung muss das Land Berlin noch fällen.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 05.02.2018

 

 

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