Argumente gegen den Wiederaufbau des Berliner Schlosses

Der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli 2002 seine Entscheidung pro Schloss getroffen.
Dennoch ist es wichtig, die Hauptargumente der Schlossgegner zu kennen,
weil man auch nach diesem Beschluss sich immer wieder konstruktiv damit
auseinandersetzen muß.

  1. Unsere Zeit kann sich nur in der ihr eigenen Architektursprache der Nachwelt darstellen. Eine Rekonstruktion früherer Bauten gilt als Armutszeugnis und ist rückwärtsgewandt.
  2. Ohne Festlegung der Nutzung und Finanzierung darf es keine Architekturentscheidung geben. Die Architektur muß die Nutzung des Hauses eindrucksvoll widerspiegeln. Viele demokratisch-zeitgenössische Veranstaltungen sind in einer Schloßkopie undenkbar, hat sie doch die Aura des Vergangenen.
  3. Ein Architekturwettbewerb unter den besten Architekten der Welt wird die Notwendigkeit der Schlossrekonstruktion ad absurdum führen.
  4. Wenn dennoch kein überzeugendes Konzept in der Architektursprache unserer Zeit gefunden werden kann, ist es besser, die Entscheidung in die nächste Generation zu verschieben. “Wenn wir heute nicht die geistige Größe haben, den Schlossplatz in der Formensprache unserer Zeit allgemein bewundert zu bebauen, darf dies noch lange kein Grund sein, das überkommene Schloss wiederaufzubauen.”
  5. Die Schlossrekonstruktion ist uns künstlerisch nicht möglich, das Ergebnis wäre damit ein Fake, schlimmer noch: reinstes Disneyland.
  6. Der Palast der Republik ist durch seine wechselvolle Geschichte und hohe Akzeptanz durch die Bevölkerung der DDR ebenfalls zu einem Gebäude mit hoher Identifikation, historischer Qualität und damit selbst zum Denkmal geworden. Man darf deswegen nicht die Schande des Abrisses des Schlosses mit dem Abriß des Palastes tilgen. Damit würde schmachvolle Geschichte nur wiederholt.
  7. Eine Finanzierung des Bauvorhabens darf nur mit öffentlichen Mitteln erfolgen, um den Einfluß privaten Kapitals auf die Nutzung unmöglich zu machen. Angesichts leerer staatlicher Kassen ist dies Grund genug, die Entscheidung zu vertagen. “Nur öffentliches Geld ist anständiges Geld, nur mit ihm ist eine Nutzung möglich, die eine Kommerzialisierung des Ortes verhindert.”(Franziska Eichstädt-Bohlig, MdB, Bündnis 90 / Die Grünen)

Ergänzung

In jüngerer Zeit (2001), während der Arbeit der Kommission Historische Mitte Berlin, haben prominente frühere Gegner des Schlosswiederaufbaus ihre Meinung geändert.

Sie argumentieren nun differenzierter:

  1. Ein Architekturwettbewerb, an dem auch “eine Teilnahme Schlüters” vorgesehen sei, muss vorgelagert werden, dann wird man sehen.
  2. Die historische Mitte Berlins wird ihre einstige architektonische Bedeutung wohl doch nur über das wieder errichtete Schloss zurückerhalten können.
  3. Die vorhandene, kostbare Bausubstanz der umgebenden Gebäude muß wieder zu einem Ensemble von Weltgeltung zusammengeführt werden. Es bestehen große Zweifel, ob dies in moderner Architektur gelingen kann.
  4. Das Schloss war der bedeutendste Bau Berlins, ein hervorragendes Kunstwerk. Die Rekonstruktion muß deswegen mit größter Bemühung um das Optimum durchgeführt werden, Raum für Raum im Prozeß intensiven Nachdenkens.
  5. Deswegen kann es nur in einem Langzeitkonzept errichtet werden, über ungefähr 20 Jahre. “Wenn das Schloss in 5 Jahren fertig ist, ist etwas falsch gelaufen.” (Senatsbaudirektor Dr. Hans Stimmann).
  6. Es kann nur eine staatliche Nutzung geben, “keine Schlossfassade vor einem Kongresszentrum, einem Hotel, einem Kaufhaus oder Büros”.
  7. Wegen der Geldknappheit der öffentlichen Hand muß es auch über diese Bauzeit privat finanziert werden.