Minister Stolpe: „Der Schandfleck muss verschwinden!“
Interview mit der FAZ

Es ist soweit, der Schlossbau ist in greifbare Nähe gerückt!

Bundesbauminister Manfred Stolpe in einem Interview am 20. August 2005 mit der FAZ über den Palast der Republik und das Berliner Schloss.

FAZ: Herr Minister, in einigen Wochen, spätestens im Winter, soll der Abriss des Palastes der Republik beginnen. Dann wird sich, was Sie einmal eine „Wunde im Stadtzentrum Berlins“ genannten haben, zunächst noch erweitern und vertiefen. Die Brache wird sich von der Kommandantur im Westen bis zum Alexanderplatz im Osten ausdehnen. Wie soll diese Wunde geschlossen werden?

Stolpe: Tatsächlich wird der unvermeidliche Abbruch des Palastes der Republik die Brache verübergehend vergrößern. Deshalb halte ich es für zwingend, dass eine Perspektive erkennbar wird für diesen geschichtsträchtigen Ort: Der Abbruch muss zum Aufbruch werden. Ich sehe eine enorme Chance zur Versöhnung darin, Kultur, Wissenschaft und Dialog auf dem Schlossareal anzusiedeln, an dem Platz, wo früher einmal Kriege geplant wurden. Das Humboldt-Forum, also die Präsentation der außereuropäischen Bestände der Staatlichen Museen, der oft unterschätzten wissenschaftshistorischen Sammlung der Humboldt-Universität und der sehr publikumswirksamen Sammlungen der Berliner Zentral- und Landesbibliothek, bietet diese Chance.

FAZ: Bedeutende Kollektionen, keine Frage. Aber worin liegt ihr versöhnender Charakter?

Stolpe: Wir stellen die Weltkultur in die Mitte unserer Hauptstadt. Unterschätzen Sie nicht die Symbolkraft einer solchen Geste! In unmittelbarer Nachbarschaft zur Museumsinsel wird ein einzigartiger Ort entstehen, der nicht nur über exzellente Ausstattung und Technik verfügen muss, sondern auch über ein attraktives Veranstaltungsprogramm, ein echtes Angebot zum Dialog. Und eins ist mir ganz wichtig: Gerade in der Debatte um die Nutzung des Palastes der Republik erleben wir ja, dass dies ein umstrittener Ort ist. Manchmal gewinnt man fast den Eindruck, der Palast der Republik sei der Höhepunkt der siebenhundertfünfzigjährigen Geschichte Berlins gewesen. Er war ein Teil, mehr nicht. Wenn jetzt an diesem Platz, an dem einmal das Preußenschloss stand, ein nationales Kultur- und Wissenschaftsforum eröffnet wird, dann könnte Preußen endgültig in Deutschland und Europa aufgehen – und es könnte eine Ort entstehen, der für Hessen und Schwaben ebenso interessant sein sollte wie für die, sagen wir mal, Bewohner der ehemals preußischen Gebiete Deutschlands.

FAZ: Sie setzen auf die versöhnende Kraft der Kultur….

Stolpe: …und der Wissenschaft! Ich stelle mir vor, dass auf dem Schlossareal auch gezeigt wird, welche Anstöße einmal zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Deutschland in der Wissenschaft ausgegangen sind. Das könnte durchaus ermutigend wirken für die Gegenwart. Und Ermutigung haben wir nötig.

FAZ: Nun hat unlängst ein Berliner Architektenteam, Anderhalten Architekten, vorgeschlagen, den leergeräumten Palast der Republik nicht abzureißen, sondern in ein Schaulager für die staatlichen Museen zu verwandeln, die dringend Depotflächen brauchen. Das klingt doch nach einem kulturnahen, kostengünstigen und kurzfristig zu realisierenden Vorschlag?

Stolpe: Mag sein, aber er löst nicht unser Problem. Er beseitigt nicht die Brache im Herzen Berlins. Den Aufmarschplatz vor dem Palast, den wir wirklich nicht mehr brauchen. Und es würde auch der Bedeutung des Ortes nicht entsprechen, an den Resten des Palastes herumzuflicken. Zwischenlösungen helfen nicht weiter. Wir brauchen einen entschlossenen Schritt nach vorn.

FAZ: Alles andere als versöhnend hat bislang die Debatte um die Gestaltung des Schlosses gewirkt. Da haben Sie unlängst für eine Irritation gesorgt, als Sie die Rekonstruktion der Barockfassaden unter den Vorbehalt der Finanzierbarkeit gestellt haben. War das ein subtiler Hinweis des Bauministers auf die Reize der zeitgenössischen Architektur?

Stolpe: Nein. Ich bin ein Anhänger der Rekonstruktion der Barockfassade, und möglichst bis ins handwerkliche Detail, als solide Steinmetzarbeit. Ich bin auch zuversichtlich, dass sich das finanzieren lässt, mit einer öffentlichen Anschubfinanzierung und mit Beiträgen privater Investoren. Da empfange ich ermutigende Signale. Und Herr von Boddien….

FAZ: …der Vorsitzende des Vereins zum Wiederaufbau des Schlosses….

Stolpe: ….hat ja zugesagt, er werde die Mehrkosten von rund achtzig Millionen Euro für die historischen Fassaden aus Spenden aufbringen. FAZ: Die Privatinvestoren, deren reges Interesse Sie registrieren – wollen die mäzenatisch tätig werden, oder denken die nur an ihre Rendite? Stolpe: Über die Details einer öffentlich-privaten Partnerschaft müssen wir uns noch verständigen. Aber natürlich kalkulieren wir ein, dass auch Elemente der Rentabilität eine Rolle spielen müssen. Doch da bin ich ganz optimistisch. Das Humboldt-Forum wird nicht alle Flächen der Schlosskubatur benötigen, es ließe sich also sehr sinnvoll mit einem Hotel ergänzen, das sich auch rechnet. Andererseits: wenn die öffentliche Hand als Hauptnutzer auftritt, und das wollen wir ja, dann wird man die Hauptlast der Finanzierung nicht an Private abgeben können. Wir werden dafür Lösungen finden, und das müssen wir auch. Wir diskutieren jetzt seit fünfzehn Jahren über das Schlossareal. Es ist an der Zeit, diesen Schandfleck endlich zu beseitigen.

Die Fragen für die FAZ stellte Heinrich Wefing. FAZ, 20.08.2005

Siehe auch unseren Pressespiegel unter FAZ, 20. August 2005 mit weiteren Informationen.

Unser Kommentar:

Das ist der Durchbruch! Wir, der Vorstand und die Geschäftsführung, die Mitglieder, Spender und alle aktiven Helfer des Fördervereins Berliner Schloss e.V. sind unendlich glücklich und dankbar! 

Wilhelm von Boddien