Wir kaufen uns ein Schloss

Säulenschaft für 3500 Euro, Kranzgesims für 218.000 Euro – im neuen Katalog des Stadtschlosses kann sich jeder „seinen“ Fassadenstein aussuchen

Von Christine Eichelmann

Aushängeschild gekrönter Häupter und Herrschaftssitz – das war einmal. Ein Bürgerschloss soll werden, was derzeit in Berlins Mitte in die Höhe wächst. Das Humboldtforum, so beschreibt es die gleichnamige Stiftung und Eigentümerin des Projektes, werde ein Ort des Austausches mit den Kulturen der Welt, ein Treffpunkt für Menschen aller Alters- und Bevölkerungsgruppen.

An der geplanten Außenhaut des Repräsentativbaus lässt sich dieses Konzept allerdings nicht ablesen. 1992 hatte der Hamburger Wilhelm von Boddien den Förderverein Berliner Schloss gegründet und unermüdlich für die Rekonstruktion des Stadtschlosses geworben. Nach zehn Jahren erbitterter Diskussion zwischen Schlossgegnern und -befürwortern entschied der Bundestag 2002, das preußische Königshaus solle zumindest äußerlich wiedererstehen – auch aufgrund der Zusage des Fördervereins, die Mehrkosten für die Barockfassaden zu übernehmen. 80 Millionen Euro Spenden müssen nun eingesammelt werden. Inklusive der Kuppel sowie der drei Innenportale des Großen Schlosshofes sind es noch 25 Millionen Euro mehr.

Diese Mammutaufgabe und der schleppende Start der Spendensammlung – nach sieben Jahren war noch kein Viertel der Summe zusammengekommen – entmutigten von Boddien nicht. Stattdessen münzten er und die 2009 gegründete Stiftung „Berliner Schloss – Humboldtforum“ ihren Auftrag in ein Leitbild um: Erst durch „das persönliche Engagement Hunderttausender von Bürgern“ werde das Humboldtforum „zu einem Gebäude der Demokratie, es wird ein Bürgerschloss“.

In fünfter Auflage soll im Herbst nun der auch online verfügbare Katalog der Fassaden- und Schmuckelemente erscheinen, aus dem sich potenzielle Geldgeber genau jenen Friesteil, das Pilasterelement, die Balkonplatte aussuchen können, die sie dem Berliner Schloss stiften möchten.

Renner oder Penner

Auf 136 Seiten sind die Barockfassaden neben historischen Fotos auch zeichnerisch in ihre Einzelbausteine zerlegt worden und jeweils mit einer Spendensumme versehen. Rechts beispielhaft zu sehen am Portal V des Schlüterhofes. Los geht es dort bei 180 Euro, doch es kann deutlich teurer werden. Ein Säulenschaft am Portal I im Schlüterhof ist für 3500 Euro zu haben. Die Balustradenabdeckung am Portal IV Eosander von Göthes kostet 37.265 Euro. Das Kranzgesims an Andreas Schlüters Portal I schlägt mit 218.000 Euro zu Buche. Und doch: Das Marketing scheint sich auszuzahlen. Seit Baustart im Juni 2013 fließt das Geld. Im vergangenen Jahr waren es 9,1 Millionen Euro. Von den 25.000 Geldgebern kommt gut ein Drittel aus Berlin oder dem Umland. 63 Prozent leben anderswo in Deutschland, zwei Prozent sind trotz ausländischen Wohnsitzes fasziniert vom Schloss. „Je individueller die Spendensammlung auf die Bedürfnisse der Spender eingestellt ist, umso erfolgreicher wird sie“, sagt Wilhelm von Boddien. Mit der Höhe der Spende wachse der Wunsch, sich „ein schönes Stück Schloss widmen zu lassen“.

Denn nicht alle Bauelemente sind gleich gut an den Mann oder die Frau zu bringen. „Sie sind, wie man in Marketingdeutsch sagt, Renner oder Penner“, sagt von Boddien. Deshalb würden die Preise bis zu einem gewissen Grad gemittelt, besonders gefragte Steine subventionieren die Ladenhüter quer. Auf Wunsch werden Spender online namentlich genannt, mit Verweis auf „ihren“ Baustein. Großspender könnten auch auf einer Dankestafel im Humboldtforum auftauchen. Jeder zweite aber bleibt lieber anonym. Die Bereitschaft, beim Wiederaufbau des Schlosses zu helfen, ziehe sich „durch die gesamte deutsche Gesellschaft, vom Rentner bis zum Milliardär – was nicht heißt, dass dieser die größten Spenden gibt“, sagt von Boddien. Viele Zuwendungen bleiben unter 500 Euro, nicht alle suchen sich einen Schlossbaustein aus. Die höchsten Summen rangieren im einstelligen Millionenbereich.

Noch immer fehlen dem Förderverein mehr als 60 Millionen Euro. Bis mindestens 2019 werde weiter gesammelt, so von Boddien. Grund zur Selbstzufriedenheit gebe es nicht; eine Gegenüberstellung scheut er trotzdem nicht: Das Zwischenergebnis der Berliner Sammlung liege deutlich über demjenigen der Dresdner Frauenkirche in einem vergleichbaren Baustadium. Diese wurde, auch wegen unerwartet großer Spendenbereitschaft, ein Jahr früher als erwartet fertiggestellt.

Quelle:

© Berliner Morgenpost 2014 – Alle Rechte vorbehalten – 13.08.2014

 

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