„Wippe wird Waage“

26.01.2017    Frankfurter Allgemeine

 

Vage Zukunft für die Waage: Der Kulturausschuss im Bundestag berät, wie es mit dem Einheitsdenkmal weitergehen könnte. Sollte er die anderen Entwürfe bedenken?

Von Andreas Kilb

Wie lange dauert es, bis man eine Fehlplanung als das erkennt, was sie ist: eine Verschwendung von Zeit und Nerven? Wir reden hier nicht vom Flughafen BER, der besser und billiger vor sechs Jahren im Rohzustand abgerissen worden wäre, als in seiner jetzigen Ruinenflickform fertiggestellt zu werden, sondern vom Freiheits- und Einheitsdenkmal, der zweiten großen städtebaulichen Lachnummer Berlins.

Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die Pläne für die „Wippe“ im vergangenen April aus Kostengründen gestoppt, dann gab es Gemurre, offene Briefe von Wippenfreunden und Podiumsdiskussionen. Im November dann wollte derselbe Haushaltsausschuss, plötzlich spendabel geworden, ein paar teure wilhelminische Kolonnaden auf den Standort vor dem Schlossbau hieven, und jetzt liegt der Fall wieder beim Kulturausschuss. Was aber soll die heutige, übrigens nichtöffentliche Anhörung im Ausschuss eigentlich bringen?

Am besten den Ungeeignetsten!

Die Geladenen entstammen fast alle dem Freundeskreis der „Wippe“, von Johannes Milla, der noch einmal den Entwurf seiner Stuttgarter Event-Agentur verteidigen wird, bis hin zu Wolfgang Thierse und Andreas Apelt, deren Deutsche Gesellschaft e.V. das Projekt am eifrigsten vorangetrieben hat. Die für den Bau und Unterhalt eines etwaigen Einheitsdenkmals zuständige Kulturstaatsministerin Monika Grütters ist zwar nicht dabei, grüßt aber aus der Ferne mit einer Pressemitteilung: Sie plädiere dafür, das Verfahren „jetzt mit einigem Abstand noch einmal aufzurollen“.

Den Gefallen können wir ihr tun: 2007 hat der Bundestag das Denkmal beschlossen, 2009 gab es einen offenen Wettbewerb, bei dem von mehr als fünfhundert eingereichten Entwürfen kein einziger brauchbar war. Ein Jahr später folgte ein zweiter, geschlossener Wettbewerb, dessen Preisjury am Ende drei Entwürfe kürte, unter denen der damalige Kulturstaatsminister den ungeeignetsten zur Errichtung auf dem Schlossplatz auswählte. Was also läge näher, als sich die beiden anderen Siegerentwürfe von Stephan Meck und Andreas Balkenhol noch einmal vorzunehmen und zu prüfen, ob einer von ihnen als Monument der Einheit taugt?

Auf den Hund gekommen?

Aber das Fähnlein um Thierse hat sich offenbar so fest in die elefantöse Flachschale verbissen, dass es lieber gar kein Einheitsdenkmal als ein nichtschaukelndes haben will. Geschichtspolitisch interessant ist deshalb etwas anderes: Schon lange vermeiden die Verfechter des Milla-Entwurfs das Wort „Wippe“, wenn sie das Objekt ihrer Sehnsucht beschwören, und reden lieber von „Waage“. Dem Einfall der Choreographin Sasha Waltz, die sich bald nach dem Beginn der Bauplanungen aus dem von ihr erdachten Projekt zurückzog, ist damit jeder Rest von Charme genommen.

Statt um die Vision eines Apparats, mit dem sich die offizielle Gedenkkultur spielerisch aus der Balance kippen ließe, geht es jetzt nur noch darum, so rasch wie möglich das Gleichgewicht wiederherzustellen, auf dem die Konsensgesellschaft fußt. Wenn eine Idee derart auf den Hund gekommen ist, wird es dann nicht Zeit, sich von ihr zu verabschieden? Und wie lange dauert es, bis das auch der Kulturausschuss merkt?

 

 

Quelle: Frankfurter Allgemeine, 26.01.2017

 

 

17 Kommentare zu “„Wippe wird Waage“

  1. Es ist schon entlarvent wenn die „Anhörung im Ausschuss“ nichtöffentich ist und die „Geladenen“ alle Freunde der Wippe sind.Was soll dabei schon rauskommen? Traurig ist es zweitens für die BRD-Kunst und Kulturschickeria,das 2009 aus etwa 500 Vorschlägen nichts vernünftiges herauskam!!!Dieses System ist in allen Belangen geistig -kulturell am Ende

  2. Ich wiederhole es gerne: Sollte dieser Entwurf realisiert werden, dann bitte vors Parlament auf den Platz der Republik und nicht bzw. keinesfalls vors Eosanderportal.
    Danke

  3. Bitte auch gleich den Standort mit überdenken. Das Denkmal könnte z. B. als Ersatz für den Neptunbrunnen an dessen aktuellem Standort errichtet werden. Sehr gut finde ich auch die hier bereits geäußerte Idee vom Platz der Republik.

  4. Die Wippe wird gebaut…
    Es wird alles wieder teurer als gedacht…
    Dann gibt es Baumängel…das Ding steht und niemand mag es wirklich….es wird beschmiert…und in 20 Jahren fragen sich alle „Wieso haben die damals so etwas hässliches gebaut?“ Das Ding wird „abgetragen“ und als Vogelbecken irgendwo hingestellt…nach diversen Bürger Protesten kommt dann endlich der Kaiser zurück und alle sind glücklich nur die alten übriggebliebenen Kommunisten schmieren ab und zu ein rotes Anarchie Zeichen an den Sockel des Kaisers ( aber damit kann man leben ?) !
    Ende der Geschichte

  5. Diese Sch…Waage .Das man ueberhaupt ueber so einen Blödsinn diskutiert…Stellt das einfach alles so wieder her, wie es vor Ulbrichs Zerstörung aussah (natuerlich vollkommen intakt). Denke das ist dann Mahnmal genug, daß selbst nach der unsaeglichen Zerstörung eine Kulturdenkmals durch die DDR Fuehrung ein Wiederauferstehung möglich ist….

  6. Kleine Korrektur, nur der Richtigkeit wegen: Ulbricht und Konsorten haben nur vollendet, was Bomber-Harris begonnen hatte. Was nicht bedeutet, dass ich die endgültige Zerstörung gutheiße.

  7. Ach..nee…daher auch mein Kommentar (natuerlich vollkommen intakt)…Ulbrich hat das Schloß genauso wie die Garnisonskirche zerstoert…Die Gebäude waren zwar beschaedigt, aber natuerlich reparierbar

  8. Ergänzen wir noch die Gefahr, für Leib und Leben, die davon ausgeht und auf Forderung der Grünen das Betreten der Waage (harrharr) verboten wird.

  9. Bitte keine Waage. Das würde Alles ruinieren. Wiie kann man nur auf so eine verrückte Idee kommen. Ein Brunnen würde das gesamte Bild perfekt machen.

  10. Eine Wippe als Einheitsdenkmal oder etwas der gleichen? Ganz eherlich nein danke. Da fragt doch erstmal jeder was für was das steht bezw. sucht ne Informationstafel. Andere Staaten würden da ein großes Monument mit Springbrunnen, Obilisken etc. hinstellen oder wenn es etwas modernes ist dann etwas spektakuläres, bei uns gibt es ne Wippe. Also dann entweder lieber nichts oder aber manstellt da gleich wieder das Standbild von Kaiser Wilhelm I. hin, dass hat zwar nicht mit 1989/90 zu tun, wäre aber etwas was da schon früher stnad als es das Schloss noch gab und genauso wie dieses ein Stück Geschichte der Deutschen Hauptstadt. Man möge jetzt selber entscheiden was einem lieber ist. Nur bitte keine hässliche Wippe.

  11. Da schreibt ein Berliner:Berlin ist die deutsche Hauptstadt.Ja dann sollte sich auch ein Berliner danach richten,und nicht eine Wippe befürworten,die in anderen Hauptstädten nur ein Stirnrunzeln hinterläßt.Armes Deutschland.

  12. Warum wurde eigentlich keine öffentliche Abstimmung bei diesem Wettbewerb gemacht? Immerhin geht es doch um ein Denkmal für uns alle….aber vermutlich wären dann alle Vorschläge durchgefallen… ?

  13. Was spricht eigentlich dagegen den Historischen Zustand um das Schloss wieder herzustellen? Die dafür entnommen Objekte aus umliegenden Parks können doch gerne mit moderner Kunst ergänzt werden .

  14. Da kann ich mir allen Kommentaren anschließen. Ich habe schon mehrfach meine Meinung zu diesem „Einheitsdenkmal “ abgegeben. Es gibt nur eine vernünftige Lösung: Stellt das historische Umfeld wieder her. Das heisst Terrasse, Rossebändiger, Neptunbrunnen, Standbilder und zumindest die Kolonnaden und das Mosaik. Die „Kirsche auf der Sahne“ wäre die Wiederherstellung des Kaiser Wilhelm Denkmals.

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