„Theater, Kunst, Museen: Reichlich Baustellen in Berlin“

22.09.2016  Mittelbayerische

Keine andere deutsche Stadt kann mit einem so hochkarätigen Kulturangebot aufwarten wie Berlin. Wer ist nach der Wahl künftig dafür verantwortlich? Viele Herausforderungen warten.

Von Nada Weigelt, dpa

Berlin lebt von seinem Image als quirlige Kulturmetropole – für die meisten Touristen ist das der Hauptgrund für einen Besuch der deutschen Hauptstadt.

Eine lange Hängepartie um die Regierungsbildung kann sich deshalb gerade die Kulturpolitik nicht leisten. Denn derzeit gibt es bei Theatern, Kunst und Museen so viele offene Baustellen wie nie. Ein Überblick:

FEUER UNTERM DACH. Gleich drei Leuchtturm-Institutionen wehren sich gegen die ihnen verordnete Zukunft. Am Berliner Ensemble, der einstigen Bühne von Bertolt Brecht, will es der 2017 scheidende Platzhirsch Claus Peymann seinem Nachfolger Oliver Reese erklärtermaßen „möglichst schwer machen“. An der Volksbühne tobt ein Stellungskrieg gegen den als Erben von Langzeit-Intendant Frank Castorf designierten Museumsmacher Chris Dercon. Und das Staatsballett lehnt die international renommierte Choreographin Sasha Waltz als künftige Chefin rundweg ab. Nach den Kommunikationspannen der Vergangenheit ist dringend ein Vermittler gefragt.

GELD VOM BUND. Der 2017 auslaufende Hauptstadtkulturvertrag muss verlängert werden. Er regelt, wie viel Geld das Land Berlin für national wichtige Aufgaben vom Bund bekommt. Künftig soll es einen zweistelligen Millionenbetrag zusätzlich geben, dafür will sich der Bund an Institutionen wie den Berliner Philharmonikern beteiligen. Der neue Vertrag war schon fast unter Dach und Fach. Jetzt muss je nach den Vorstellungen der neuen Koalitionspartner nochmal neu verhandelt werden – je härter, desto besser für Berlin.

MITREDEN BEIM SCHLOSS. Für das Humboldt Forum im Berliner Schloss will Gründungsintendant Neil MacGregor Anfang November sein mit Spannung erwartetes Gesamtkonzept vorlegen. Das für 590 Millionen Euro geplante Museumszentrum ist derzeit das größte Kulturprojekt des Bundes, aber Berlin ist mit Geld und einer eigenen Ausstellung beteiligt. Will es Partner auf Augenhöhe sein, ist Stehvermögen nötig.

CHANCE FÜR ÖDLAND. Ende Oktober soll der Architektenwettbewerb für das neue Museum der Moderne entschieden werden. Das auf 200 Millionen Euro veranschlagte Haus für die Kunst des 20. Jahrhunderts ist ebenfalls ein Bundesprojekt. Doch Berlin stellt kostenlos einen Teil des Grundstücks und ist für das Baurecht verantwortlich. Es gäbe immer noch die Chance, das derzeitige Ödland zwischen den Architektur-Ikonen der Berliner Philharmonie und der Neuen Nationalgalerie für einen größeren städtebaulichen Wurf zu nutzen.

HEIMAT FÜR BÜCHER. Ein Neubau für die deutschlandweit größte Publikumsbibliothek war das große Prestigeprojekt des früheren Regierungschefs Klaus Wowereit (SPD). Mit einem Nein zum Standort Tempelhofer Feld machten ihm die Bürger 2014 per Volksentscheid einen Strich durch die Rechnung. Seither werden Alternativen geprüft, während die bisher auf zwei Häuser verteilte Zentral- und Landesbibliothek weiter aus allen Nähten platzt. Möglichst bald muss eine Entscheidung her.

HILFE FÜR KÜNSTLER. Mehr als 6000 Künstler leben in der Stadt, unzählige freie Initiativen prägen die Szene. Sie geraten durch steigende Mieten und Verdrängungswettbewerb in den Kiezen zunehmend unter Druck. Die sogenannte Koalition der Freien Szene fordert deshalb, die Millionen-Einnahmen aus der Bettensteuer (City Tax) zu hundert Prozent der Kultur zukommen zu lassen. Im Wahlkampf gab es bei Roten, Linken und Grünen positive Signale – ob es jetzt dazu kommt?

AUFWUCHS IM ETAT. Insgesamt ist der finanzielle Spielraum für den neuen Kultursenator im notorisch klammen Berlin gar nicht so schlecht. Der Kulturetat steigt in diesem Jahr um 33 Millionen auf gut 505 Millionen Euro, im kommenden Jahr gibt es nochmals einen Zuschlag von 17 Millionen.

WER SOLL’S MACHEN? Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat vor der Wahl deutlich gemacht, dass er seinen Zusatzjob als Kultursenator gern behalten würde. Grüne und Linke wünschen sich eher ein eigenständiges Ressort, würden aber Koalitionsverhandlungen daran kaum scheitern lassen. Bis es zur Entscheidung kommt, dürfte es noch Wochen dauern – trotz der drängenden Aufgaben in der Kultur.

 

Quelle: Mittelbayerische, 22.09.2016

 

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