„Soll das neue Schloss ein Museum der Reue werden?“

26.08.2015     B.Z. Berlin

Im Humboldt-Forum sollen viele Exponate aus dem ethnologischen Museum zu sehen sein. Viele davon stammen aus deutscher Kolonialzeit. Problematisch, findet Gunnar Schupelius.

Von Gunnar Schupelius

Wenn ich Besuch habe, führe ich ihn zum Stadtschloss. Sogar die Kuppel ist im Rohbau fertig. Meine Freunde aus London waren fasziniert: Ihr baut euer Schloss wieder auf? Großartig!

Dann kam die Enttäuschung: Im Inneren wird nicht rekonstruiert, dort wird das Schloss ein Zweckbau im nüchternen Stil des Zeitgeistes sein. Nichts wird daran erinnern, dass hier 500 Jahre lang die fürstlichen, königlichen und kaiserlichen Familien lebten, dass hier der berühmteste aller preussischen Könige, Friedrich II., geboren wurde. Das Schloss soll auch nicht „Schloss“ genannt werden, sondern „Humboldt-Forum“.

Die nüchternen Innenräume sollen ethnologisches Museum werden. Die Sammlungen aus Dahlem finden hier Platz. Rund 500.000 Objekte, die mit der Geschichte des Schlosses nicht das Geringste zu tun haben. Doch damit nicht genug: Die Schätze genauer untersucht: Wurden sie nicht etwa zu Zeiten der Entdeckungsreisen geraubt? Müssen wir uns noch entschuldigen? Bernd Scherer, der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt sagte, das „Humboldt-Forum“ habe die „Verpflichtung“, sich kritisch mit der deutschen Kolonialgeschichte zu befassen.

Da wären zum Beispiel 1000 Schädel aus Ostafrika. Wurden sie ordnungsgemäß erworben? Der deutsche Ethnologe Hans Fischer gab den Eingeborenen Tabak für die Schädel. War das ein fairer Handel? Schwierige Fragen wirft der Perlenthron aus Kamerun auf: Er ist zwar als Geschenk des Sultans von Bamun an den deutschen Kaiser deklariert. Doch wer weiß, ob der Sultan seinen Perlenthron freiwillig heraus rückte?

Meine Freunde winkten ab: Ihr Deutsche müsst nicht auch noch eure Kolonialgeschichte aufarbeiten. Berlin ist wie ein kritisches Museum, sagten sie. Überall wird die Schuld eingestanden, die man auf sich geladen hat. Zu groß sollte die Bürde nicht werden.

So sehe ich es auch. Es ist richtig und wichtig, dass wir die Verbrechen des Nationalsozialismus bis in jedes Detail ergründet haben und mit Stolpersteinen an die Opfer erinnern. Es ist auch sinnvoll, wenn wir die Rolle Deutschlands im Ersten Weltkrieg kritisch betrachten. Was davor lag, sollten wir ruhen lassen. Wir werden uns auch nicht bei den Österreichern und Ungarn für die Schlesischen Kriege entschuldigen, die Friedrich II. im 18. Jahrhundert führte.

Es ist verkehrt, das wieder aufgebaute Stadtschloss für außereuropäische Kulturen zu reservieren. Und es ist absurd, wenn es nun auch noch zum Museum der Reue wird, in dem wir Deutsche unsere Schuld als Kolonialherrn neu entdecken und bekennen.

 

 

Quelle: B.Z. Berlin, 26.08.2015

 

2 Kommentare zu “„Soll das neue Schloss ein Museum der Reue werden?“

  1. Vor 25 Jahren erklärte der Rep.-Vorsitzende Schönhuber den Fahrkartenschalter nach Canossa für ab sofort geschlossen. Aber die Herrschenden hierzulande gefallen sich in der Büßerrolle und machen weiter und betrauern allenorts deutsche Untaten – s. Hereros, Armenien, Griechenland, Italien usw. Die Briten kennen solche Skrupel nicht. Die von der Akropolis geraubten ,,Elgin marbles“ will selbst der Humboldtforum-Chef I. McGregor in London belassen wissen. Man erinnere sich, was deren Premier M. Thatcher zu deren Kolonien sagte: ,,Wir entschuldigen uns für nichts. Wir haben denen Kultur beigebracht.“.  Und in der Tat: Noch heute erkennt jeder Globetrotter die britischen Kolonien (ob ehemalige oder heutige) an Cricket, Schulkleidung (selbst in Palästinenser-Lagern und in Erdbebentrümmern in Nepal) und an schwarzafrikanischen Richtern mit englischen Perücken. Diese Kultur gefällt den Leuten, und die meisten Flüchtlinge, die heute hierherströmen, würden viel lieber nach England gehen — da fühlen sie sich irgendwie beheimatet. Deutsche Reue ist für die meisten nur deutsches Geld.

  2. Keine Sorge! – Die geplante Nutzung ist eine Übergangslösung.
    Steht das Schloss erst mal, dann wird von ihm eine eigene Gravitation in Richtung auf eine weitere Rekonstruktion ausgehen und vielleicht erleben die meisten Berliner noch, wie die Parkhaus-Provisorien im Straßenbau eine sinnvolle Verwendung finden und die Renaissance-Teile, nämlich Querbau, Erasmuskapelle, Grüner Hut, Eishof, Kapellenhof und Apothekenflügel wieder zu einem Ganzen werden.
    Man kann bei diesem Riesenprojekt nicht alles auf einmal haben, also soll man nicht locker lassen, bis auch das barocke Innere wieder hergestellt ist.

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