„Paul Spies ist der neue Chef des Stadtmuseums“

04.02.2016    Berliner Zeitung

Der neue Mann an der Spitze des Stadtmuseums heißt Paul Spies. Er ist gleichzeitig Berlins wichtigster Vertreter für das Humboldt-Forum. Schon jetzt hat er viele Ideen – wir stellen sie vor.

Von Maritta Tkalec

Jetzt fängt wirklich etwas Neues an, und das ist nichts Kleines. Paul Spies, der 55 Jahre alte Holländer, ist nun richtig da, seit Montag Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin und zugleich (Achtung: Respekt einflößender Titel) Chef-Kurator des Landes Berlin im Humboldt-Forum. Damit ist er ein großer Spieler in der Berliner Kulturwelt. Wie groß, das hat ihn selbst überrascht.

In diesem Amt steht er an der Seite der Weltgröße Neil MacGregor, dem Leiter der HuF-Gründungsintendanz, und die Berliner Politik hat dem bisherigen Direktor des Amsterdamer Stadtmuseums den dicksten verfügbaren roten Teppich ausgerollt: Spies darf über reichlich Geld verfügen, kann sich ernst gemeinter politischer Unterstützung sicher ein. Und allenthalben schlägt ihm Sympathie entgegen.

Rücktritt des Schlossbauherren

So kam es auch, dass sein erster Vorschlag für bauliche Veränderungen in der für die Berlin-Ausstellung vorgesehenen Schlossetage gleich wie ein Donnerschlag klang: Trat doch kurz darauf Schlossbauherr Manfred Rettig zurück – weil er Kostensteigerungen und Verzögerungen fürchtete. Spies ließ die Angelegenheit am Donnerstag in einer ebenso witzigen wie aufschlussreichen Pressekonferenz schrumpfen: Er hätte gern ein paar Mauern weniger, die einst Büros bilden sollten.

Er brauche keine Büros, sondern schöne Ausstellungsräume. Mit der für eine Bibliothek statt für ein Museum projektierten Klimaanlage werde man zurechtkommen, auch mit Fußboden und Licht. Es gebe Gesprächen mit dem Architekten Stella, es werde neu gerechnet. Spies ist erstens Optimist und sieht es zweitens sportlich: „Wenn es nicht geht ohne die Mauern oder zu teuer wird, arbeite ich eben mit Büros“, sagt er, und: „Mit ein paar Mauern verjagt man keinen Rettig.“

Seit Oktober wieselt Paul Spies schon in Berlin herum, sucht über das Fotografieren Kontakt zu Hunderten Orten, redete mit ebenso vielen Leuten, knüpft Kontakte, sucht Partner. Dem Abgeordnetenhaus hat er versprochen, bis Juli einen Masterplan für seine neuen Reiche vorzulegen. Aber schon jetzt tritt er mit Ideen vor die Öffentlichkeit.

Für das Humboldt-Forum strebt er ein Konzept aus einem Guss an, alle Bestandteile sollen miteinander verbunden, aufeinander bezogen sein. Der Berliner Teil, Welt.Stadt.Berlin genannt, habe keinesfalls Stadtvermarktung im Sinn, wie anfänglich unterstellt wurde. Es gehe um die Stadt als Zukunftsform in aller Welt; Berlin mit seiner Geschichte und Internationalität stehe modellhaft für die Urbanisierung. Spies sieht die Beziehung zwischen Stadt und Gesellschaft bedeutender werden als die zwischen Nation und Gesellschaft: „Bürgermeister werden wichtiger als nationale Politiker“, ist er überzeugt.

Brücken zu ethnologischen Sammlungen

Berlin sieht er seit dem Zeitalter der Humboldts als Vorbild und will diese Geschichte „als eine Kette erzählen und erklären“. Der künftige Besucher der Ausstellung werde keine Berlin-Geschichte sehen, sondern an den Gedanken des Weltbürgers herangeführt. Noch recht abstrakt, das gibt er zu. Aber es geht ja erst los, und zumindest meint man die Brücke zu erkennen, die er zu den ethnologischen Sammlungen schlagen will.

Die Vorstellungen zu den Standorten des Stadtmuseums klingen schon handfester (siehe Infobox). Viereinhalb Millionen Objekte umfassen die eigenen Sammlungen. Da brauche jeder Standort ein eigenes Profil und müsse eine eigene Zielgruppe ansprechen. Das Konzept für das quasi komplett neu zu errichtende Marinehaus („Ruinenhaus“, scherzt der Chef) ist noch im Fluss, die Rede ist von einem Bestandteil „Künstlerlabor“. Vom Märkischen Museum schwärmt Spies als mythischem Bau, dem ersten Stadtmuseum, das tatsächlich als solches erbaut wurde, in den Baustilen verschiedener Epochen: Rittersaal, Kirche, Schloss. Seinerzeit hochmodern und von stolzen Bürger für Bürger errichtet.

Alle Standorte plus Schloss, werden mit modernen Mitteln arbeiten, multimedial.

Tempo, Tempo, Herr MacGregor

Paul Spies, das ist kein Objekte-Nebeneinander-Packer, ihn treibt die Vorstellung, aus dem Museum in die Stadt hinaus zu wirken. Er versteht das Museum als ein Netzwerk, das in der Stadt stetig präsent ist, Verbindungen schaffend zwischen der Geschichte und den gegenwärtigen Eignern der Stadt. Der Besucher soll nach dem Museumsrundgang imstande sein „auf der Straße die Stadt zu lesen“. Daraus könne die Bereitschaft erwachsen, Verantwortung für die Stadt zu übernehmen, mitzumachen. Da hat Berlin in der Tat einigen Bedarf.

Bis Juli soll, versprochen, der Masterplan für Stadtmuseum und Stadtetage im Schloss fertig sein. Paul Spies legt damit ein auch für Großkurator Neil MacGregor nicht zu ignorierendes Tempo vor.

 

 

Quelle: Berliner Zeitung, 04.02.2016

 

 

 

 

 

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