„Neurose aus Beton“

03.09.2016   taz Berlin

Es wirkt wie eine Fata Morgana und ist doch erschreckend leibhaftig: Am Stadtschloss kommt niemand mehr vorbei. Der Versuch einer Annäherung.

Von Esther Slevogt

Jetzt ist der enorme Baukörper wirklich nicht mehr zu übersehen, der da am Ende der Straße Unter den Linden in Mitte wächst und wächst. Der nackte Beton, der diesen Koloss am Ende auch eine Fabrik oder ein Flughafengebäude werden lassen könnte, wird in schier gespenstischem Tempo von der pseudobarocken Retortenfassade überklebt, sodass man das Endergebnis schon gut vorausahnen kann.

Auch in den gigantischen Innenfoyers, wo die jetzt noch wie megalomane Büro- oder Hotelatrien aussehenden Rohfassaden beinahe schon zur Hälfte mit Säulen, Stuck, Sandsteinornamenten und Klinkern verkleidet sind und ihre historischen Vorbilder zitieren, kann man quasi auf inneren Knopfdruck das Ambiente in der Fantasie vollenden – als hätte man zum Frühstück ein Computersimulationsprogramm verspeist. So wirkt dieses architektonische Hybrid, das uns eine Geschichte vormacht, die wir nicht hatten, immer noch wie eine digitale Fata Morgana, obwohl es inzwischen erschreckend leibhaftig ist.

Die ganze Nationalneurose, die dieser Bau verkörpert, der eine Geschichte reparieren will, die nicht zu reparieren ist, wird am Bauschild deutlich. Denn das Schloss darf nicht einmal Schloss heißen, sondern muss den Namen Humboldt-Forum führen – den Namen jenes aristokratischen preußischen Brüderpaars, das im 18. Jahrhundert Aufklärung und Welthaltigkeit in die verschlafene Provinzstadt Berlin brachte. So zumindest die offizielle ideologische Lesart, die zu dieser Namensgebung führte.

Dieser Name prangt nun kalt wie an einem Kongresscenter auch schon an der Betonfassade, mit der sich das Gebäude spreeseitig seiner lieblosen Vollendung nähert: also dort, wo sich einmal die schönsten, ältesten und verwunschensten Teile des Originalbauwerks befanden, das in mehreren Jahrhunderten entstand, sich entwickelte und langsam wuchs, bevor es 1950 als Symbol des fehlentwickelten Deutschlands gesprengt wurde. Und zwar von Leuten, die für sich damals leider zu Unrecht reklamierten, nun alles richtig machen zu wollen. Und die ihrerseits eine Fehlentwicklung aus dem November 1918 korrigieren wollten: als der Kommunist Karl Liebknecht mit seiner Ausrufung einer sozialistischen Republik Deutschland vom Balkon des Schlossportals IV ein paar Stunden zu spät gekommen und wenige Wochen später ermordet worden war.

Diese, schon einmal einem Reparaturversuch unterworfene (Heils-)Geschichte nach DDR-Lesart ist im Foyer eines Bauwerks am Rande des Schlossplatzes auf großen Glasfenstern erzählt, welches von außen ebenfalls ein Stück nachgebaute Schlossfassade ziert: am ehemaligen DDR-Staatsratsgebäude nämlich, in dem heute eine Wirtschaftsakademie seine Studierenden in der Kunst des Neoliberalismus unterweist. Diese Kopie wirkt inzwischen trotzdem authentischer als das, was da nun als Schloss geklont auf der Spree­insel entsteht.

Wenn man vom Brandenburger Tor auf den Schlossplatz zukommt, flasht vor dem inneren Auge kurz eine Hiroshimavision auf. Denn das Skelett der Kuppel, deren Vorbild 1850 der Architekt August Stüler entwarf, entfaltet just die Dimensionen des skeletthaften Atombombendoms der japanischen Stadt, die 1945 von der ersten Atombombe zerstört wurde. Und wo auf dem Ground Zero nur das Skelett eines einzigen Hauses blieb, das einmal als Messezentrum genutzt wurde und heute als ­Ruine und Denkmal ikonografisch für diese Katastrophe steht.

Der Ground Zero am Schlossplatz wird seit 1950 nun schon zum zweiten Mal überbaut. Mit Kulissen für eine Geschichtspolitik, deren Hohlräume sich mit angeklebten Fassade jedoch nur notdürftig verdecken lassen.

 

Quelle: taz Berlin, 03.09.2016

 

 

36 Kommentare zu “„Neurose aus Beton“

  1. Meine Güte!
    Der Dame möchte ich nicht im Dunklen begegnen.
    Die ist dermaßen von Hass und Boshaftigkeit durchzogen, daß der ganze Artikel geradezu abstoßend wirkt. 
    Sie hat erst gar nicht den „Versuch einer Annäherung“ unternommen und wollte es wohl auch gar nicht.
    Die Wortwahl entspricht dem, was heutzutage den Journalismus kennzeichnet: es fehlt die Distanz, die Neutralität, die Erkenntnis einer Vielschichtigkeit,die Intelligenz. Es werden aus einer monomanen Weltanschauung heraus mit niederträchtiger Wortwahl Dinge und Menschen niedergemacht.

  2. Der Text liest sich wie ein letztes Aufbäumen all derer, die immer noch der Auffassung sind, hier werde Geschichte restauriert. Warum kann man ein Gebäude nicht einfach ein Gebäude sein lassen? Der Duktus dieses Textes atmet denselben Geist, der einst mit der Sprengung des Schlosses glaubte, die Geschichte gleich mitentsorgen zu können, nur eben umgekehrt. Das ist der Widerspruch des Autors; eine Art Selbsttäuschung und pseudointellektuelle Geschichtsbewältigung. Schade um die Druckerschwärze.

  3. Ein furchtbarer Artikel-nur abwertend . RETORTENfassade-das klingt als wenn das in Beton vom Fließband kommt und nicht in alter Handwerkstradition per Hand gearbeitet wird.Und zuletzt noch der Hiroshimavergleich-als wenn das der Endzustand ist…

  4. Es ist ja auch kein schloss. Meine Güte wenn Leute, die sich selbst null mit dem Thema befasst haben, sich dazu äußern. Schlimm sowas.
    Es ist ein Museum, welches Bezug zum Standort nimmt und ein städtisch- historisches Ensemble vervollständigt! Soviel sollte man wissen!

  5. Besonders in Deutschland gibt es Menschen, die die geschichtlichen Wurzeln so gern entsorgen wollen, und das macht sie zum „Blatt im Wind“.

  6. Was soll uns dieser überflüssige TAZ-Kommentar sagen ? Dass Berlin eine geschichtslose Stadt ist ?Durch den Schlossneubau bekommt Berlin seine historische Mitte zurück.Würde man in London oder Paris auf Triumpfbogen oder Towerbridge verzichten ?

  7. Betonfassade – Zustimmung zur Kritik.
    Name – Das wird sich ähnlich ergeben, wie man sagt, dass im Reichstag der Bundestag sitzt.
    Nämlich, dass im Berliner Schloss das Humboldt-Forum sitzt.

  8. Betonfassade – Zustimmung zur Kritik.
    Name – Das wird sich ähnlich ergeben, wie man sagt, dass im Reichstag der Bundestag sitzt.
    Nämlich, dass im Berliner Schloss das Humboldt-Forum sitzt.

  9. Was erwartet man den schon von der TAZ??? Keine objektive Berichterstattung jedenfalls. Wie oben schon geschrieben „schade um die Druckerschwärze“ .
    Alles andere wäre diesem Blatt zuviel Beachtung geschenkt.

  10. Ach Gottchen, die taz beklagt eine deutsche Geschichtsneurose. Das Nischenblatt für Altlinke befördert doch genau diesen Zustand Tag für Tag mit großem Eifer. Geschenkt!

  11. Ich finde manche Neurosen richtig cool. Warum nicht! Das (neue) Rathaus in Hannover ist auch solch ein Beispiel. Jetzt mittlerweile hundert Jahre alt, aber seinerzeit auch offensichtlich aus einem Bedürfnis nach Historizität erbaut, oder gar das Capitol in Washington. Wann fangen wir bloß endlich mal an, ganz normal zu unseren manchmal wahrscheinlich schrägen Neurosen zu stehen! Ist der Ruf erst ruiniert… keep cool!
    Siehe auch:
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Neues_Rathaus_(Hannover)
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kapitol_(Washington)

  12. Esther Slevogt polemisiert ein bisschen viel und bemüht sich recht wenig um Informationsrecherche. Schade. Ich lese die TAZ eigentlich ganz gern; normalerweise praktizieren die noch richtig guten Journalismus.

  13. Wo liegt ihre Neurose Frau Sievogt? Wer hat Sie so schlecht behandelt, das Sie Ihre angestaute Frustration in derartigen Artikeln, zum Ausdruck bringen müssen? Ihr Beitrag ist schlechtweg dumm !

  14. Hiroshima und Neurose mein Gott schon der Betonbau hat die Linden endlich wieder abgeschlossen. Natürlich wird es nie Wieder das Stadtschloss sein. Das soll es ja auch nicht aber die Reparatur ist gut gelungen und das schon Jetzt. Wie sehr muss man diese Stadt hassen und damit die Geschichte dieser Stadt um so etwas noch zu Veröffentlichen. Gottseidank wurden Realitäten geschaffen und die Zeiten der Diskussion sind Vorbei. Hat ja auch über 20 Jahre gedauert. Ich liebe meine Stadt und finde es nur Ätzend hier das hier so viele Menschen leben denen Ideologie einfach über Alles geht.

  15. Die Schreiberin dieser niveaulosen Polemik hat keine Antwort verdient, aber wie kann sich die Berliner taz zur Veröffentlichung eines derart ideologisch fixierten, aggressiven Machwerks herablassen. Weiter daneben als dieser „Versuch einer Annäherung“ geht wirklich nicht!

  16. Warum ist es so schwer eine andere Meinung zu akzeptieren. Nur wer nicht überzeugt ist kann eine andre Meinung nur schwer ertragen.

  17. Naja, wenn wenigstens Argumente kommen würden. Es liest sich einfach nur Genörgel. Das hat dann auch nichts mehr mit Meinung zu tun sondern Sturrheit. Der Artikel zum schloss der am nächsten Tag in der Taz erschien war da schon differenzierter und machte die Gegenposition deutlich. Das hier ist einfach ein schlechter Artikel, davon kann sich niemand überzeugen lassen, außer man ist eben so sturr im Kopf.

  18. nee, es soll ein Museum (!) sein und sieht aber blöderweise jetzt gar nicht aus wie ein Museum, sondern wie ein lächerliches Fake-Atrappen-Pseudo-Schloß… der ganze „Wiederaufbau“ ist und war und wird immer eine unechte, unehrliche und unangemessene Peinlichkeit darstellen !

  19. Wie sieht denn ein Museum aus?
    Ich glaube Experten die Jahre lang über den Wiederaufbau debattiert haben mehr, als irgendeinem dahergelaufenen Kommentator. Der Wiederaufbau ist angemessen, er respektiert den Standort, ist ehrlich, den Berlin war nunmal Hauptstadt eines Königreiches und er ist echt! Den er fügt sich wie geplant in die museumsinsel ein. peinlich ist ihr Verhalten!

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