„Kolumne: Der Berliner Krieg ums Kreuz auf dem Schloss“

18.06.2017 – Deutsche Welle

Ein Kreuz oder kein Kreuz; das ist hier die Frage. Um das Kreuz auf dem künftigen Berliner Humboldt-Forum ist ein Glaubenskrieg entbrannt. Doch eigentlich geht es um viel mehr, meint DW-Kolumnist Gero Schließ.

Von Gero Schließ

Wenn sich Politiker um das Kreuz streiten, dann steht es normalerweise auf dem Wahlzettel. Beim rekonstruierten Berliner Stadtschloss, das ab 2019 als Humboldt-Forum eröffnen und ein Museum der Weltkulturen sein soll, ragt es gülden auf der Kuppel. Oder besser gesagt, es soll dort einmal ragen. Noch ist dort oben nichts zu sehen – außer der Berliner Luft.

Kultursenator Lederer und die Linken

Aber jetzt schon polarisiert diese Luft-Nummer. Gerade im religiös entkernten Berlin. Ein Glaubenskrieg tobt. Und der treibt die Berliner Kreuz-Kämpfer immer weiter in den Irrgarten Absurdistans. Seit der „Förderverein Berliner Schloss“ feierlich verkündete, dass nun mit Mäzenatengeld das Kreuzgold bezahlt ist und es auf die Schloss-Kuppel aufgepflanzt werden soll, gibt es kein Halten mehr. Berlins Linke um Kultursenator Klaus Lederer intonieren in Bach’scher Johannespassions-Wut lautstark den Pharisäerchor: „Weg, weg mit dem!“ Völlig anachronistisch sei das Kreuz, schimpft Lederer und tritt dem verbliebenen Berliner Häuflein mutiger Restchristen lustvoll vors Schienbein. Lederers Begründung: Schließlich beherberge das Humboldt-Forum keine sakralen Räumlichkeiten. Andere, wie die Tageszeitung „taz“, sehen gar, kreuzgestärkt, das reaktionäre Preußentum aus der Hohenzollerngruft auferstehen. Einst hatte der Hohenzollern-Kaiser vom Kreuz sein demokratiefeindliches Gottesgnadentum abgeleitet, lernen wir aus dem Artikel. Damit suchte er die aufbegehrende Bürgerschaft im Zaum zu halten. Und jetzt?

Grütters und die Guten

Da ist viel Ideologie zu spüren. Und die absurde Angst, wir könnten uns mit diesem wichtigsten Kulturprojekt Deutschlands als Nation mit abendländisch-christlichen Wurzeln definieren. Doch genau das sind wir. Und das ist gut so!

Deshalb überrascht mich, wie nachsichtig und unsicher die „andere“ Seite agiert. Kein böses Wort über Lederer und die Linken. Christliche Nächstenliebe allenthalben. Oder doch eher Feigheit vor dem Feind? Kulturstaatsministerin Monika Grütters will im Kreuz vor allem Güte und Barmherzigkeit sehen und selbstredend nicht darauf verzichten. Das wiederum bringt die drei Gründungsintendanten des Humboldt- Forums, Neil McGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp, auf den Plan. Alles andere, nur kein Christenkreuz sei dieses Kreuz.

Wie bitte? Wir reiben uns ungläubig die Ohren. Das Kreuz ist also genau genommen gar kein Kreuz? Das schon, geben die drei vom Humboldt-Forum zu. Es war halt im Original-Bau schon da und das könne man bei einer Rekonstruktion nicht einfach wegzensieren. Richtig so! Doch dann macht das Intendanten-Trio das babylonische Stimmenchaos perfekt mit einer Idee, die dem goldenen Kuppelkreuz so ganz nebenbei den weltanschaulichen K.O.-Schlag versetzen soll: Gegenüber des Kreuzes – und zu seiner weltanschaulichen Neutralisierung – soll doch bitteschön der Schriftzug „Zweifel“ in großen Lettern angebracht werden. Die „Zweifel“ gibt es nämlich schon – als Installation des Künstlers Lars Ø Ramberg, gebaut für den Palast der Republik und nach dessen Abriss eingemottet.

Krampf um Einheitswippe

Entschuldigung! Diese rekordverdächtige Dichte an verkopftem Quatsch kriegen nur die Deutschen hin. Wenn es um Projekte geht, die mit Geschichte und Nation zu tun haben, sind sie darin besonders gut. Siehe die missglückte Einheitswippe, die als Nationaldenkmal an die friedliche Revolution erinnern will und doch vor allem Hohn und Spott erntet.

Seien wir ehrlich: Verquer war schon die Idee, das Stadtschloss aus der Mottenkiste der Geschichte hervorzukramen und als ethnologisches Museum umzupolen. Außen wilhelminische Barock-Fassade, innen Weltkulturen: Das passt nicht zusammen. Wer will das zusammen zwingen, außer die geschätzten Kultur- und Museumsexperten?

Längst ist mir klar: Beim Krieg ums Kreuz geht es um mehr. Es geht um mich, um uns, darum, wer wir sind und wie wir in Deutschland zusammenleben wollen. Die Flüchtlingskrise hat die unbeantwortete Identitätsfrage der Deutschen brutal offen gelegt. Ja, es stimmt: Der Islam gehört zu Deutschland. Aber das Christentum schon längst. Und auch die jüdischen Einflüsse. Vor allem: Wir sind kein Neutrum.

Kreuz rauf! Und Zweifel runter!

Noch ist Zeit, um eine klare Sprache zu finden, bevor das Humboldt-Forum endgültig zum Tollhaus kruder Ideen mutiert. Sonst hätte es nicht das Kreuz als Krönung auf der Kuppel verdient, sondern die Narrenkappe.

 

Quelle: Deutsche Welle, 18.06.2017

 

 

4 Kommentare zu “„Kolumne: Der Berliner Krieg ums Kreuz auf dem Schloss“

  1. Was für eine absurde Diskussion – unsere Gesellschaft ist nun einmal historisch geprägt durch unsere christlichen Werte. Übrigens: ich sitze grade in Süddeutschland im Seminarhotel, und nebenan klingen die Glocken. Ich geh mal eben rüber und stell das ab….geht ja garnicht!

    1. Sie haben es richtig erfasst. Sie hören die Glocken, aber diese sind nicht im Hotel sondern in der benachbarten Kirche.
      Das staatliche Museum (Humboldt-Forum) ist die Analogie zum Hotel, nicht zur Kirche).

  2. Die political correctness hat mal wieder zugeschlagen. Irgendeiner Logik folgend, aber ohne Mut, über den Schatten zu springen.
    In Paris ist im Louvre auch ein Museum untergebracht; Das war auch einmal das Schloss des Königs. Solche Orte eignen sich vorzüglich dazu, zum Museum umgewidmet zu werden. Man biedert sich durch Umnutzung eines Schlosses keinesfalls der Monarchie an. Im Gegenteil, man kann sie so überwinden und etwas Neues gestalten. Sich an einem Kreuz dabei zu stören, erscheint mir lachhaft. Der Islam soll gern zu Deutschland gehören, das Christentum aber auch.

    1. Es geht überhaupt nicht um Christentum oder Islam.
      Es geht um Kirche oder Staat.
      Der gegenüberliegende Dom ist Kirche. Das STAATliche Museum (Humboldt-Forum) ist Staat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert