„Jetzt bekommt das Berliner Stadtschloss eine Fassade“

28.04.2016     Berliner Morgenpost

Am Donnerstag wurde am Berliner Schloss ein Teil der Fassade angebracht. Noch 48 Millionen Euro werden zur Fertigstellung benötigt.

Von Isabell Jürgens

Mehr als fünf Tonnen wiegt das Sandsteinelement, das der Kranführer am Haken hat. Ganz vorsichtig und langsam lässt er es auf die acht Männer zuschweben, die auf dem Baugerüst in 30 Metern Höhe bereit stehen, um es in Empfang zu nehmen.

Der schwere Brocken ist Teil der ersten großen Skulpturengruppe, die die Lustgartenfassade an der Nordseite des Berliner Schlosses zieren wird. Dreizehn von 16 Elementen der „Großen Eckkartusche“ sind an der westlichen Nische des Schlosses bereits montiert.

Zusammen wiegt das barocke Schmuckelement 88 Tonnen. Doch der am Haken hängende 14. Teil der Skulptur bereitet Schwierigkeiten: Erst verhakt sich das steinerne Gewand der Göttin Fama im Baugerüst. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass die Sandsteinkopie der bei der Sprengung des Schlosses 1950 zerstörten Kartusche nicht so ohne weiteres an die vorgesehene Stelle passt.

Baugerüst steht der Göttin im Weg

„Mit so etwas muss man immer rechnen“, sagt Bildhauermeister Sven Schubert, der an diesem Donnerstag eigens aus Dresden angereist ist, um den Einbau der Skulpturengruppe, die seine Firma gefertigt hat, zu verfolgen. Insgesamt vier Jahre dauerten die Arbeiten an der Skulptur – von der Herstellung der Modelle bis hin zur heutigen Montage.

Während Schubert von der Dachterrasse der Humboldt-Box aus beobachtet, wie die Arbeiten auf dem Baugerüst vorangehen, haben die Monteure ordentlich zu tun. Weil der Faltenwurf des Kleides so voluminös ist, dass er nicht durch die Lücke im Baugerüst passt, greifen die Männer schließlich zum Trennschleifer und flexen die Planke an dieser Stelle einfach weg.

Barockfassade soll bis zum Sommer fertig sein

Wenige Minuten später kommt der Einbau des Blockes jedoch erneut ins Stocken, etwas vorstehender Sandstein muss abgeschlagen werden. Nach mehr als einer Stunde ist es schließlich geschafft. Das Gewand sitzt an Ort und Stelle, der Kran kann nun den Kopf der Göttin an den Haken nehmen.

Das Berliner Schloss nimmt zunehmend Gestalt an. „Die Nordfassade auf der Lustgarten-Seite ist fast fertig, es fehlt nur noch das Dachgesims, und in den kommenden Wochen müssen noch ein Dutzend Adler auf die Fenstergesimse gesetzt werden“, berichtet Bertold Just, Leiter der Schlossbauhütte, der die Arbeiten koordiniert.

Bis zum Sommer sollen alle Schmuckelemente aus Sandstein sowie das Mauerwerk vollendet sein. „Dann müssen wir noch etwas warten, bis das Mauerwerk sich setzt“, sagt Just. Im kommenden Jahr werde dann der rote Ziegel verputzt, und das Schloss wird auf drei Seiten wieder so aussehen, wie auf Fotos, die vor dem Krieg aufgenommen wurden. Lediglich die Ostfassade erhält nach den vom Bundestag beschlossenen Wiederaufbau-Plänen eine zeitgenössische Fassade.

Spenden in Höhe 105 Millionen Euro werden benötigt

Wie alle anderen Schmuckelemente an der historischen Fassade müssen auch die Kosten für die sieben Meter hohe und bis zu 2,40 Meter breite Eckkartusche aus Spenden beglichen werden. Denn für den Bau hatte der Bundestag die Kostenobergrenze auf 590 Millionen Euro festgesetzt. 32 Millionen Euro davon übernimmt das Land Berlin, 478 Millionen Euro der Bund, 80 Millionen für die Fassaden-Rekonstruktion sollen aus Spenden finanziert werden. Weil aber zu den Ursprungskosten noch Wünsche nach der Rekonstruktion weiterer Bauteile kamen, wird das Schloss mindestens 615,5 Millionen Euro kosten – davon 105 Millionen aus Spenden. „Wir haben bereits 48 Millionen Euro an Barspenden eingenommen“, sagt Johannes Wien, Vorstand der „Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss“. Drei Jahre vor der geplanten Inbetriebnahme des Gebäudes sei das ein guter Spendenstand.

An diesem Donnerstag werden noch zwei weitere große Brocken montiert – damit ist die Großkartusche im Wesentlichen fertig. Die Firgurengruppe beteht aus drei Putten, also Kinderengelsgestalten, die Göttinen dabei helfen, das Wappenschild des Königs Friedrich I. an der Fassade zu halten. „Solche lebensbildlichen Darstellungen konkreter mythisch bedeutsamer Handlungen sind prägend für das Barock“, so Just. Abgerundet wird das opulente Bild noch durch Blattgirlanden. Interessierte haben aber in der kommenden Woche noch bis einschließlich Mittwoch die Gelegenheit, von der Dachterrasse der Humboldt-Box aus zu beobachten, wie weitere kleinere Sandsteinelemente angefügt werden.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 28.04.2016

 

 

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