„Hier könnte auch Ihre Werbung stehen!“

11.04.2017    DIE WELT

 

Das Humboldt-Forum im Berliner Schloss nimmt Gestalt an. Doch riesige Werbeplanen verhüllen den Bau. Schuld ist der Bund, er hat schlecht verhandelt. Und der wichtigste Akteur ist sauer: Er hat nichts von den Einnahmen.

Von Thomas Vitzthum

Nicht selten steigen Besucher die Stufen der Humboldt-Box am Berliner Schlossplatz hinauf – aber nicht, um sich über den Fortgang der Arbeiten an Deutschlands größter, teuerster und wichtigster Kulturbaustelle, dem Humboldt-Forum im neuen Stadtschloss, zu erkundigen. Sondern um ein Handy zu kaufen.

Verdenken kann man es ihnen nicht. Denn auf der Box deutet kaum etwas darauf hin, was eigentlich drin ist – ein Informationszentrum über das alte Schloss und die künftigen Museen. Vielmehr fällt das Logo der Firma Samsung ins Auge, das an der Außenhaut prangt. Gerahmt wird die Box zudem von gewaltigen Planen, die den Schlossbau dahinter bedecken.

Auf ihnen findet sich gleichfalls Handywerbung. Schon seit Monaten ist die Nordfassade damit auf einer Länge von 180 und einer Höhe von 35 Metern weitgehend eingepackt. Seit wenigen Tagen nun ist auch die Westseite, über der sich die noch unfertige Betonkuppel erhebt, zu. Nur die unvollendeten Portale liegen frei. Einzig Ost- und Südseite sind komplett einsichtig. Allein, die Ostseite will in ihrer modernen Architektursprache gar nicht den Eindruck von Schloss erwecken, und in den unwirtlichen Stadtraum im Süden verirren sich die wenigsten.

Spendenbereitschaft für Schloss stagniert

Dort, wo die erwarteten zwei Millionen Touristen sich aufhalten und von wo sie kommen – vom Lustgarten oder der Straße Unter den Linden –, ist das Prestigeobjekt des Bundes zu Berlins größtem Werbeträger mutiert. Dabei gäbe es inzwischen doch so viel zu sehen. Denn großteils fehlt dem Schloss nur noch der Putz, die Ornamente und Mauern sind bis unters Dach fertig.

„Für uns als Spendensammler ist das höchst ärgerlich, denn jeder glaubt, dass wir die Fassaden mit dieser Werbung finanzieren“, sagt Wilhelm von Boddien, der Vorsitzende des Fördervereins. 105 Millionen Euro will der Verein über private Spenden akquirieren. Damit werden die Fassaden, die Kuppel sowie Figurenschmuck bezahlt.

71 Millionen Euro hat der Verein nach eigener Aussage bisher eingeworben. Stolze 34 Millionen fehlen noch. „Die Einnahmen sind immer noch ganz gut, stagnieren aber, anstatt wie erwartet zu steigen“, sagt Boddien und gibt die Schuld daran auch der üppigen Handywerbung. „Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Spendenbereitschaft steigt, wenn die Leute endlich Baufortschritte sehen. Doch sie sehen derzeit nur diese massive Plakatwerbung.“

Und von ihr haben er und seine Mitstreiter, anders als die meisten Besucher und Betrachter glauben, gar nichts. „Kein Cent aus diesen Einnahmen, die beträchtlich sein dürften, fließt in die Finanzierung des Schlossbaus“, sagt Boddien.

In der Regel lässt der Bund an seinen Projekten keine private Werbung zu. An den unlängst gebauten Ministerien des Inneren oder für Bildung und Forschung hingen nie bedruckte Planen. Auch nicht an den Neubauten für den Bundestag. Entsprechende Möglichkeiten zur Kostenreduktion wurden vom Bund immer wieder geprüft, am Ende entschied man sich immer dagegen. Kein Handy, kein Bier, kein Kleid, kein Parfüm.

Ausgerechnet beim Kulturbau Humboldt-Forum, das der Staat mit fast 600 Millionen Euro finanziert, ist das anders. Denn der Bund und Berlin haben seinerzeit schlecht verhandelt. Sie haben sich 2010 gedrückt, den Info-Pavillon, also die Humboldt-Box, zu finanzieren. Das Risiko wurde einem privaten Investor übertragen, dem man große Zugeständnisse machte. „Zur Refinanzierung durfte dieser vertraglich als Gegenleistung an der Box selbst, am Bauzaun und am Schloss Werbung anbringen“, erklärt Boddien.

Werbevertrag läuft noch bis Ende 2018

Ein Sprecher des Bundesbauministeriums bestätigt dies und deutet an, wie lange das exzessiv genutzte Recht noch besteht: „Der Vertrag hat eine Laufzeit bis 2018, einschließlich.“ Er mahnt zur Geduld: „Mit dem Ende der Arbeiten an den Fassaden werden die Gerüste insgesamt abgebaut und alle sichtbehindernden Werbeplanen entfernt werden. Dies wird im nächsten Jahr der Fall sein.“

Rund sechs Millionen Euro hätte die Box gekostet. Nicht viel im Vergleich zum Gesamtpreis. Doch zu viel aus Sicht der von Berlin und dem Bund beauftragten Verhandler der Deutschen Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft. Das Schloss war ja sehr umstritten. Selbst die Berliner konnten sich wenig dafür begeistern. Eine Haltung, die sich inzwischen gewandelt hat und die lediglich im rot-rot-grünen Senat noch weitverbreitet ist.

Schuld an der derzeitigen Situation ist im Grunde die fehlende Konsequenz der damaligen Entscheidungsträger. Sie betrifft auch den Bau selbst. Die Kuppel, in der einmal die Schlosskapelle war, sitzt überhaupt nur auf dem Bau, weil sich ein privater Spender dafür fand. Doch innen bleiben die 30 Meter lichte Höhe vom Anlauf bis zu Spitze ein Rohbau.

Weil die Kuppel lange nicht vorgesehen war – so als fürchtete man ihren Ausrufezeichen-Charakter –, machte sich keiner Gedanken, was denn wäre, wenn sie doch kommt. Als es so weit war, fehlte nicht nur ein Konzept, sie zu füllen. Das dann 60 Meter hohe Schloss wäre laut treudeutschen Vorschriften „zum Hochhaus“ geworden. Das hätte den Einbau aufwendiger, teurer Fluchtwege erfordert.

Für diese Kosten wollte keiner geradestehen, und so bekommt Berlin nun eine prächtige leere Kuppel. Ab Sommer wird sie, weil erst ihr Betonkern steht, hinter Gerüst verschwinden, um mit Ziegel und Sandstein verkleidet zu werden. Darauf könnte dann, wie es auf noch leeren Plakatwänden immer so schön heißt, „auch Ihre Werbung stehen“.

 

Quelle: DIE WELT, 11.04.2017

 

 

 

 

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