„Friedrichs wichtigste Marketingwaffe“

18.11.2015   Märkische Allgemeine

Vortrag über Königin Elisabeth Christine im Potsdam-Museum

Man hat zwar genaue Kenntnisse über Friedrichs aufgeklärte Reformpolitik und seine Kriege; die Beziehung zu seiner Frau, mit der er über 50 Jahre verheiratet war, ist jedoch häufig von Spekulationen geprägt. Am 19. November referiert der Historiker Robert Rauh ab 18 Uhr im Museum am Alten Markt über eine der skurrilsten Königsehen der preußisch-deutschen Geschichte.

Von Ildiko Röd

Potsdam. Warum blieb die Königsehe kinderlos? Und weshalb machte die vernachlässigte Königin nicht irgendwann Schluss und ließ sich scheiden? Robert Rauh spricht im MAZ-Interview über unbekannte Hintergründe der royalen Zweckverbindung.

MAZ: Elisabeth Christine gehörte bislang eher zu den Schattenfiguren der Geschichte. Wie entstand Ihr Interesse an der fast vergessenen Königin?

Robert Rauh: Über einen Umweg – und zwar über Wilhelm Pieck, den ersten DDR-Staatspräsidenten, der ein anderer prominenter Hausherr von Schloss Schönhausen in Berlin-Pankow war. Über ihn und die Nutzung des Schlosses als Gästehaus für Staatsgäste der DDR habe ich 2009 die Konzeption für diesen Teilbereich der Dauerausstellung im Schloss gemacht. Wenig wusste ich dagegen über die berühmte Hausherrin im 18. Jahrhundert, weil sie immer im Schatten ihres Mannes stand.

Schloss Schönhausen wird immer als Verbannungsort gesehen, wo Friedrich seine ungeliebte Frau praktisch wegsperrte. Stimmt diese Darstellung?

Rauh: Es geistert auch noch immer die Aussage Friedrichs durch den Legendenwald, wonach er unmittelbar nach seiner Thronbesteigung zu seiner Frau gesagt haben soll: „Hier lass dich nieder, hier kannst du schön hausen.“ Fakt ist aber, dass Elisabeth Christine das Schloss von Friedrich als Sommerresidenz geschenkt bekam. Ihre Vorgängerinnen besaßen alle ein Sommerschloss. In Schönhausen hielt sich die Königin in den Sommermonaten auf. Dort empfing sie auch den Berliner Hof und Gesandte.

Ein weiteres „Rätsel“ ist die Zweisamkeit von Königin und König. Gab es je Sex zwischen den beiden oder mied der mutmaßlich schwule Friedrich das Bett seiner Gattin, so dass die Ehe zwangsläufig kinderlos bleiben musste?

Rauh: Es kann aufgrund von Aussagen vermutet werden, dass es beide versucht haben. Denn die Eheschließung diente ja auch der Geburt eines Thronfolgers. So ist eine Aussage von Elisabeth Christine an ihren Schwiegervater, den Soldatenkönig, überliefert, wonach sie ihren Teil dazu beitragen werde. Und auch Friedrich hat in einem Brief an Manteuffel geschrieben, dass er nicht verstehe, warum seine Frau nicht schwanger werde.

Und warum hat es dann nicht geklappt?

Rauh: Das kann heute nicht mehr beantwortet werden. Es gibt verschiedene Theorien. Zum einen könnte das an der Homosexualität liegen, aber das würde eine Schwangerschaft nicht ausschließen. Zudem hatte Friedrich wohl auch Verhältnisse zu Frauen. Es gibt Hinweise auf Beziehungen mit der Tochter eines Glasers und mit der Tochter des Kammerdirektors in Küstrin. Auch eine Tänzerin am Dresdner Hof kommt infrage. Ob diese Beziehung nur platonisch waren, kann nicht geklärt werden. Die zweite These ist, dass Friedrich zeugungsunfähig war. So soll er sich vor Hochzeit eine Geschlechtskrankheit zugezogen haben. Daraufhin erfolgte ein Eingriff, von dem man ausging, dass er einer Kastration gleichzusetzen sei. Was jedoch dagegen spricht: Bei der Leichenschau wurden keine Anomalien festgestellt.

Genaues weiß man also nicht, abgesehen von der Tatsache, dass eben kein Kind kam.

Rauh: Ja, deshalb hat Friedrich auch relativ schnell – im Jahr 1741 – seinen Bruder zum Thronfolger bestimmt.

Wenn der Zweck dieser Zweckehe nicht erfüllt wurde, warum kam es dann nicht zur Scheidung? Dann wäre Friedrich seine ungeliebte Frau doch sehr schnell los gewesen.

Rauh: Elisabeth Christine hat selbst damit gerechnet, dass sie nach Friedrichs Thronbesteigung relativ schnell verstoßen wird oder dass es zur Ehescheidung kommt. Warum Friedrich es nicht getan hat, darüber kann auch nur wieder spekuliert werden. Entweder es greifen die beiden vorhin genannten Thesen: Friedrichs überwiegendes Desinteresse an Frauen und seine Zeugungsunfähigkeit. Oder das Versprechen, das er seinem Vater vor der Hochzeit gegeben hat: „Ich lasse nicht von ihr bis in den Tod.“ Der Vater hatte ihn auch zur Ehe gezwungen. Und Friedrich ließ sich darauf ein, weil die Ehe nach der gescheiterten Flucht und der Festungshaft der Preis für die Freiheit bedeutete. Er liebte sie nicht, aber in der Rheinsberger Zeit lernte er seine Frau schätzen, weil sie sich nie über ihn beklagt hat. Und er hat sie auch instrumentalisiert.

Inwiefern?

Rauh: Elisabeth Christine wird für Friedrich zur wichtigsten Marketingwaffe gegenüber dem unberechenbaren Vater. Sie unterstützt seinen Wunsch für einen eigenen Hof. So erhalten die beiden Schloss Rheinsberg. Und sie beschafft sich bei ihrem Bruder Geld für den meist klammen Friedrich.

Warum hat sich Elisabeth Christines Familie nicht gegen die schlechte Behandlung der Königin, die ja weitgehend abgeschoben wurde, gewehrt?

Rauh: Bis 1740 gab es keinen Grund, sich zu wehren, weil es nichts Nachteiliges zu berichten gab. Immerhin lebte das Paar ja in Rheinsberg zusammen. Nach der Thronbesteigung verbannte Friedrich seine Frau nur aus seinem privaten Umfeld und schloss sie von Familienfeiern aus. Bei offiziellen Anlässen war sie jedoch dabei. Und sie hat sich weder beklagt noch gewehrt. Im Gegenteil: Sie gab die Hoffnung nicht auf, dass sich Friedrich ihr wieder zuwenden würde. Der König hat seine Frau ja – rein formell gesehen – auch nach der Thronbesteigung nicht schlecht behandelt. Sie hatte im Berliner Schloss viel größere Räume als er. Außerdem nahm sie sehr viele Repräsentationstermine für ihren Mann wahr, beispielsweise empfing sie ausländische Diplomanten. Oft waren das bis zu 70 Termine pro Jahr. Aber sie war nicht in Regierungsgeschäfte eingebunden. Und die Goldene Hochzeit im Jahr 1783 wurde öffentlich nicht zur Kenntnis genommen und es wurde auch keine Gedenkmünze geprägt, wie es damals üblich war.

Wie sahen die Begegnungen zwischen den beiden aus?

Rauh: Die letzte persönliche Begegnung fand 1785 anlässlich des Geburtstags des Prinzen Heinrich statt. Wahrscheinlich gab es aber kein Gespräch. Bis zu Friedrichs Tod waren es da noch anderthalb Jahre. Allerdings erkundigte sich der König nach ihrer Gesundheit und vertraute ihr auch die Erziehung der Tochter des Kronprinzen an. So wurde sie mit 64 Jahren doch noch Mutter von Friedrichs Gnaden.

Wie gestaltete sich ihr Leben nach dem Tod des Monarchen?

Rauh: Sie wurde endlich ein vollwertiges Mitglied der Hohenzollern-Dynastie, denn Friedrichs Neffe – der neue König – erwies ihr sehr viel Respekt. Den ersten Geburtstag nach seinem Regierungsantritt feierte er zum Beispiel demonstrativ auf Schloss Schönhausen.

Apropos Schloss. Elisabeth Christine hat Sanssouci angeblich nie von innen gesehen. Warum?

Rauh: Die Legende, dass Frauen keinen Zutritt zum Schloss hatten, stimmt nicht. Aber Elisabeth Christine wurde generell nicht zu Familienfeiern eingeladen, auch nicht in das Potsdamer Stadtschloss. Umgekehrt hat er sie nie im Schloss Schönhausen besucht.

Wenn man das so hört, drängt sich schon die Frage auf, warum Elisabeth Christine nicht irgendwann die Nase voll hatte und einfach um die Scheidung bat.

Rauh: Das hätte nicht ihrem Naturell entsprochen. Sie zeigte sich dankbar für jede noch so kleine Zuwendung von ihm und beugte sich allen seinen Wünschen. Als tief religiöse Frau war die Ehe für sie heilig. Sie hat sich auch keinen Liebhaber genommen und keine Intrigen gesponnen. Allerdings – so die Überlieferung – soll sie gegenüber ihrem engen Umfeld bisweilen jähzornig gewesen sein. Aber sie versuchte sich mit Kunst und Kultur abzulenken und übersetzte Literatur ins Französische. Und sie vergötterte ihren Mann und hielt ihn sehr früh für einen Großen. Die Eiszeit in ihrer Ehe schrieb sie auch den bösen Zungen im Umfeld des Königs zu. Außerdem konnte sie sich damit trösten, dass sie ihn wenigstens nicht an eine andere Frau verloren hatte.

 

Quelle: Märkische Allgemeine, 18.11.2015

 

 

Ein Kommentar zu “„Friedrichs wichtigste Marketingwaffe“

  1. Das Herumwühlen in Intimangelegenheiten anderer ist eine üble Praxis heutiger Journalisten. Vielleicht  waren die beiden einfach anständig und pflichtbewusst  — anders als heute vielen vorstellbar.

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