„Ellipse in schwindelnder Höhe“

09.12.2016    Allgemeine Zeitung

Berliner Schloss – Zimmerei Harth aus Frei-Weinheim realisiert begehbare Kuppel

Von Helena Sender-Petry

FREI-WEINHEIM/BERLIN – Die Strecke nach Berlin kennt Felix Harth wie aus dem Effeff. Seit Jahren setzt er sich immer wieder ins Auto, um eine Baustelle in der Bundeshauptstadt zu inspizieren. Diesmal bauen der Zimmerermeister und sein Team eine Kuppel, und zwar die, die die Rekonstruktion des Berliner Schlosses ziert. Längst hat sich der Frei-Weinheimer einen Namen gemacht, nicht nur Dachstuhl und Kuppel der Kolonnaden auf der Museumsinsel sind sein Werk, auch am Bau der neuen Akademie des Jüdischen Museums war er beteiligt. Also alles Routine am Schloss? „Ganz und gar nicht. Diese Kuppel ist hoch kompliziert. Das war eine Herausforderung für uns“, berichtet Harth.

Denn diese Kuppel ist nicht rund, sondern eine Ellipse, ändert laut Harth im Verlauf ihre geometrische Form. Den Zuschlag erhielt das Ingelheimer Unternehmen im Mai 2016, bis September wurde geplant und zugeschnitten. Erst dann wurden die Einzelteile, alles Buchenholz, nach Berlin transportiert und vor Ort in 54 Metern Höhe von vier Mitarbeitern montiert. Ende Dezember soll die begehbare Kuppel mit einem Durchmesser von 24 Metern fertig sein. Das Auftragsvolumen beträgt laut Harth 350 000 Euro. Auftraggeber ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die die rheinhessische Zimmerei in bester Erinnerung hat. Harth genießt dort seit dem Kolonnadenbau wohl einen guten Ruf? Der Meister widerspricht nicht.

Dass er mit viel Bürokratie zu kämpfen hat, nervt Harth schon: „Wir mussten alles bis in die kleinsten Verästelungen abstimmen. Die Verknüpfungen im Bauzeitplan hatten Priorität. Das war ein enormer organisatorischer Aufwand und hat mir eine Menge Geduld abverlangt.“ Mit Kopfschütteln quittiert er die Auflage, dass die Kuppel mit einem weißen Brandschutzmittel beschichtet werden soll, das logischerweise immer wieder erneuert werden muss. „Der beste Schutz ist das Holz selbst“, sagt Harth, der damit aber nicht überzeugen konnte.

Ein Lift-Boy und elf Kräne

Von der riesigen Baustelle ist der Ingelheimer beeindruckt, elf Kräne hat er gezählt. Teile des Gebäudes seien schon zugänglich, Aufzüge fahren schon, allerdings nur für die unzähligen Handwerker. Harth: „Im Aufzug fragt doch tatsächlich ein Lift-Boy, wo ich hin will.“ Ist nicht wahr? „Ist wahr. Auch wenn es schwer zu glauben ist. Die armen Jungs machen den ganzen Tag nichts als auf die Fahrstuhlknöpfe zu drücken“, erzählt er und lacht.

Das Stadtschloss der Hohenzollern in der Mitte Berlins wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von der damaligen DDR-Regierung gesprengt, auf dem Areal stand ab 1973 der Palast der Republik, der zwischen 2006 und 2009 abgerissen wurde. Die Bauarbeiten für den zum Teil historisierenden Neubau starteten 2013. Die Eröffnung ist für September 2019 geplant.

 

Quelle: Allgemeine Zeitung, 09.12.2016

 

 

16 Kommentare zu “„Ellipse in schwindelnder Höhe“

  1. Nunja, zu gegebenen Anlass soll ja die Reko des Schweizer Saals sowie der Gigantentreppe möglich sein. Es ist eben kein schloss, sondern ein Museum. Das ist eben die Realität die man akzeptieren muss.

  2. Ich weiß, es fehlt an Kies, das ja für die jetzigen drei Fassaden nicht ausreicht.
    Aber auch in der Zeit zwischen der Zerstörung und der Aufgabe als Residenzschloss 1918 wurde das Stadtschloss, das innen noch ästhetisch und original war, als Museum genutzt.

  3. Eigentlich gab es zuerst nur das südliche Uhrenküppelchen. Dann kam die große Kuppel und aus Symmetriegründen folgte später das nördliche küppelchen. Selbst das Dachresturant ist eine vertretbare Zutat, denn es gab schon einmal ähnliche Fremdkörper auf dem Dach an gleicher Stelle.

  4. Ein Trauerspiel das seines gleichen sucht :'( den kleinen Neubau schätze ich zwar, aber von dem Eiermannturm halte ich garnichts. Auch das die Ruine nocheinmal massiv beschnitten wurde und dadurch überhaupt nicht den Nachkriegszustand entspricht, ist mehr als ärgerlich.

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