„Ein Ort für die Gedanken von morgen“

30.04.2017   Berliner Morgenpost

Neue Konzepte für die Bauakademie: Ein Beitrag des Regierenden Bürgermeisters und des TU-Präsidenten

Von Michael Müller und Christian Thomsen

Schinkels Bauakademie war in vielerlei Hinsicht einzigartig. Zeitgenossen rühmten sie für ihre kompromisslose Architektur als fortdauernden Denkstein, für ihre selbstbewusste Lage neben dem königlichen Schloss als bürgerlichen Eckstein und für ihren institutionellen Aufbruch in ein polytechnisches Zeitalter als Grundstein der Zukunft. Bis 1884, als die heutige Technische Universität ihre zu klein gewordene Stammzelle verlassen musste, war die Bauakademie die zentrale Instanz, in der Bau und Städtebau erforscht und gelehrt, verhandelt und beschlossen wurden. Ohne sie ist das Gesicht unserer Stadt nicht vorstellbar und ihre Wirkung reichte weit über Berlin und Preußen hinaus.

Es gehört zu unserer demokratischen und föderalen Planungskultur, dass bauliche Entwurfs- und Entscheidungsprozesse heute auf viele Schultern verteilt sind. Das ist oft mühsam und bisweilen so unübersichtlich, dass es das Verständnis von Fachleuten, Politik und Öffentlichkeit auf harte Proben stellt. Und es wird nicht einfacher werden: Globalisierung und Digitalisierung nehmen schon jetzt großen Einfluss auf die Zukunft aller Städte, insbesondere aber der Metropolen. Wir können uns ihnen nicht entziehen, sondern müssen alles daransetzen, sie aktiv zu gestalten, damit sich das wachsende Berlin auch weiterhin als soziale und gerechte, attraktive und lebenswerte, weltoffene und sichere Stadt entwickeln kann.

Ort der Visionen für die europäische Stadt 4.0

Umso wichtiger ist ein Ort der Verständigung, der die Komplexität von Architektur sichtbar macht und sie immer wieder aufs Neue hinterfragt. Die Bauakademie in Berlin kann und soll künftig wieder ein Ort sein, in dem Entwicklungen der Me­tropolen im 21. Jahrhundert erdacht, erforscht und diskutiert werden. Unsere Vorstellung lautet, dass hier die Gedanken für eine sozial und wirtschaftlich inte­grierte Stadt der Zukunft – eine Europäische Stadt 4.0 – reifen. Breit aufgestellt, kann die Bauakademie ein diskursiver Ort sein, an dem Stadtentwicklung und Leben, Arbeiten und Wohnen für die Stadt der Zukunft miteinander verhandelt werden und eine positive Symbiose bilden. Eine Stadt, in der der Mensch im Mittelpunkt einer architektonisch und technologisch intelligenten, sozialen und nachhaltigen Stadtentwicklung steht.

Viele Hauptstädte und Metropolen haben längst Architekturzentren oder -museen, die einerseits der öffentlichen Vermittlung durch Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramme dienen, zum anderen aber dem unabhängigen Dialog von Expertinnen und Experten unterschiedlichster Profession und Herkunft gewidmet sind. Im Zentrum Berlins und als Ikone der Baukultur kann die wiedererrichtete Bauakademie beides leisten. Als Eckstein zu Humboldt Forum und Museumsinsel wird sie ein Magnet für das Berliner und das touristische Publikum sein, das sie mit intelligenten und modernen Präsentationen jenseits musealer Behäbigkeit in die Grundlagen des Bauens, seine Geschichte und seine Zukunft einführt. Zugleich kann sie ein weithin sichtbares Schaufenster für aktuelle Projekte aus Land und Bund sowie ein offenes Diskussionsforum für grundsätzliche Fragen der Baukultur sein. Zu Recht gelten Stadt und Hauptstadt Berlin als Experimentierfeld neuer Ideen und innovativer Lösungen. So stehen wir beispielsweise vor einer neuen Gründerzeit des Wohnungsbaus, welche die Grundlage für solidarische statt ausgrenzende Städte sein sollte. Wie eine solche Zukunftsidee intelligent umgesetzt werden kann, mit allen architektonischen, „smarten“ oder soziokulturellen Notwendigkeiten – für diese Auseinandersetzungen braucht es einen zentralen Ort in Berlin. Die wiedererrichtete Bauakademie bietet die einmalige Gelegenheit, vieles davon zu bündeln. Sie kann Gastgeberin für Fachleute und junge Menschen aus aller Welt sein, kreative und wissenschaftliche Potenziale zusammenführen und zum Nutzen aller fruchtbar machen.

Die Neue Bauakademie wird keine Ausbildungsstätte im herkömmlichen Sinne sein. Als Haus der Zukunft aber muss sie der jungen, im 21. Jahrhundert geborenen Generation gewidmet sein. Die Herausforderungen, die sich uns allen heute stellen, werden ihr Leben bestimmen. Je weniger es fertige Lösungen gibt, umso weniger kann auch Wissen von oben nach unten weitergereicht werden. Statt Vorgefasstes zu lehren, soll ein offener Dialog zwischen den Kulturen und den Generationen ein kreatives und vielfältiges Denken beflügeln. Ganz konkrete Aufgaben wie die Vitalisierung eines Platzraumes, die Umwandlung einer Industriebrache oder die technologische Ertüchtigung eines Baudenkmals können von Fachleuten und Stipendiaten aus aller Welt gemeinsam mit Berliner Studierenden bearbeitet werden: Das ein entwerfendes und forschendes Lernen, wie es an der Technischen Universität schon lange praktiziert wird und das der aktuellen Sache ebenso wie der langfristigen Praxis dient.

Universität will ihr weltweites Netzwerk einbringen

Wiedererrichtung und Betrieb der Bauakademie können so eine Gemeinschaftsleistung von Land und Bund werden. Die TU hat schon jetzt ein solides Konzept zur Beteiligung des Landes Berlins an Planung und Betrieb für die Bauakademie erarbeitet. Sie kann neben ihrem aus der Bauakademie stammenden Architekturmuseum als Träger des Ausstellungsbetriebes nicht nur ein ganzes Bündel wissenschaftlicher Kompetenzen aus Architektur, Städtebau und Ingenieurwesen mit einbringen, sondern auch jenes weltweite Netzwerk, dessen eine erfolgreiche Bauakademie bedarf. In einem gemeinschaftlichen Betreibermodell kann sie einen Anteil der laufenden Betriebskosten und den Ausstellungsbetrieb tragen – eine Vereinbarung zur Deckung dieser Kosten haben wir bereits im gerade ausgehandelten Entwurf der neuen Hochschulverträge berücksichtigt.

Seit über zwanzig Jahren ist die Bauakademie ein Thema, um das mit Höhen und Tiefen, mal leiser, mal lauter gestritten wurde. Viele private und öffentliche Akteure haben sich mit großer Kraft engagiert. Ihre Ideen, Visionen und Entwürfe bilden ein breites Fundament, auf dem nun endlich gebaut werden kann. Berlin steht gemeinsam mit der TU bereit, sich an diesem neuen Zentrum der Bau- und Städtekultur zu beteiligen.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 30.04.2017

 

 

 

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