„Der große Umzug der Berliner Museen“

21.04.2016    Berliner Kurier

Von Cornelia Schmalenbach

Rechtzeitiges Packen ist die halbe Miete. Das weiß jeder, der schon mal umgezogen ist. Die Museen in Dahlem fangen sogar drei Jahre vorher an. Kein Wunder, denn sie haben eine gigantische Aufgabe zu bewältigen:

24.000 Ausstellungsobjekte sollen wohlbehalten im neuerbauten Stadtschloss ankommen, doch nur 14.000 werden zur Eröffnung 2019 frisch geputzt und perfekt ausgeleuchtet ihre ungewöhnlichen Geschichten erzählen.

Die restlichen warten hinter den Kulissen praktisch als Auswechselspieler auf ihren Einsatz.

Acht sehr massive Holzkisten stehen im Außendepot der Staatlichen Museen am Fürstenwalder Damm in Friedrichshagen. „Hier kommen die Abgüsse der prächtigen Reliefs der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat rein“, erklärt Toralf Gabsch. Der Restaurator zeigt auf zwei Meter hohe Gipsplatten mit Szenen, die Heldentaten von hinduistischen Gottheiten darstellen.

Die Reliefs kamen auf sehr abenteuerlichen Wegen nach Berlin. Nachdem französische Kolonisten die Anlage 1861 entdeckt hatten, machten sich um die Jahrhundertwende auch Berliner Forscher auf den Weg nach Südasien. Sie waren völlig aus dem Häuschen, als sie die 200 Meter langen Reliefs am größten Tempel der Anlage sahen.

Teile abschlagen und an die Spree schaffen kam für die Wissenschaftler nicht infrage. Sie beklebten den Wandfries Zentimeter um Zentimeter vorsichtig mit Papier und warteten, bis die Formen fest wurden. Nach diesen Vorlagen fertigte später die Gipsformerei in Berlin detailgetreue Kopien. Sie fielen den Bomben im Zweiten Weltkrieg zum Opfer.

Zum Glück überlebten die Formen. So entstand das Relief ein zweites Mal und ist in seiner Vollkommenheit inzwischen einmalig auf der Welt. Am Original in Angkor nagt der Zahn der Zeit am weichen Sandstein, viele Szenen sind kaum noch zu erkennen.

 

40 Meter werden im Humboldt-Forum ausgestellt. Die einzelnen Gipsplatten messen 2,05 mal 0,80 Meter und 2,40 mal 0,65 Meter. In zwei Monaten wollen die Restauratoren fertig sein. Sie übermalen abgeplatzte Stellen und bringen eine neue Aufhängung an.

Danach kommen die ersten in die bereitstehenden Holzkisten. „Wir werden mehrmals zum Schlossplatz fahren“, erklärt Experte Toralf Gabsch.

Logistisch eine besondere Herausforderung sind dagegen die bis zu 15 Meter langen Boote aus der Südsee, die ins zweite Obergeschoss einziehen sollen. Sie völlig auseinandernehmen geht nicht. Deshalb wollen Spezialisten die Wand des Museums in Dahlem aufbrechen, mit aufpumpbaren Schläuchen eine Luftschleuse schaffen und den Schiffsrumpf bereits im nächsten Jahr auf einen Tieflader hieven.

Weil der Innenhof des Schlosses verglast ist, kann kein normaler Kran die Boote ins Innere bugsieren. Sie gelangen über eine vier Meter breite und sechs Meter hohe Öffnung an der südlichen Außenwand in den 13 Meter hohen Ausstellungssaal. Kleinere Boote nehmen den XXL-Lastenaufzug.

Und wie bitteschön verpackt man eine vier Meter-Höhle? Denn sie ist ein ganz besonderer Schatz im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem. Sie wurde dort gebaut, um Wandmalereien von der Seidenstraße in natürlicher Umgebung zu zeigen. „Restauratoren lösen die originalen Gemälde aus der Wand vorsichtig heraus“, weiß Stefan Müchler von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Höhle selbst wird in Einzelteile zerlegt, durchnummeriert und Stück für Stück wie beim Puzzle zusammengesetzt. „Eine zweite Höhlenkonstruktion wird erstmalig zu sehen sein“, so Müchler. Beide sind weltweit die einzigen außerhalb Chinas.

Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, stellte diese Woche zwei weitere Umzug-Schätze vor. eine bunte indianische Nulis-Maske aus Kanada und ein mexikanisches Baumwolltuch aus dem 16. Jahrhundert, das nach Öffnung der Vitrine erstmals umfassend untersucht wird.

Und was kostet die ganze Plackerei? „Abstauben“ und Herrichten plus Versand machen pro Museum etwa drei bis vier Millionen Euro aus. Knapp zehn könnten es werden, prophezeien Fachleute.

 

Quelle: Berliner Kurier, 21.04.2016

 

 

 

 

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