„Berlins außereuropäische Exponate auf dem Weg ins Humboldt Forum“

27.08.2016    Tiroler Tagesszeitung

Ein zungenbleckender Fledermausgott, wasserdichte Kleidung aus Fischhaut, Musikinstrumente aus Gürteltieren – es sind ungewöhnliche Schätze, die das Ethnologische Museum in Berlin beherbergt. 2019 soll die völkerkundliche Sammlung, eine der weltweit bedeutendsten ihrer Art, aus dem beschaulichen Dahlem ins Humboldt Forum im Berliner Schloss umgezogen sein.

Mit ein paar Umzugskisten ist es da nicht getan. Schon seit Mitte Jänner sind Teile das Museums geschlossen, um das Mammutprojekt in die Praxis umsetzen. Bis zu 10.000 Objekte aus der mehr als 500.000 Stücke umfassenden Sammlung sollen in die Stadtmitte wandern – jedes einzelne geht zuvor durch die Hände der Restauratoren. „Wir sind mit unseren Vorbereitungen schon sehr weit und liegen absolut im Zeitplan“, sagt Museumsdirektorin Viola König.

Den vielleicht größten Aufwand erfordern die berühmten Südsee-Boote, wichtigster Publikumsmagnet des Hauses. Die historischen Segel- und Auslegerschiffe sind so groß, dass sie nicht annähernd durch normale Türen passen. In der Eingangshalle des neu erstehenden Schlosses bleibt deshalb vorerst ein riesiges Loch offen. Erst nach dem Einzug der Boote 2018 wird es geschlossen.

„Das Museum wird also im wahrsten Sinne um die Boote herumgebaut“, sagt König. „Als sie vor mehr als 40 Jahren hierherkamen, wurden noch die Masten umgeklappt und die Ausleger abgenommen. Das wollen wir ihnen heute nicht mehr zumuten.“ Um Platz für die Vorarbeiten zu schaffen, sind die Vitrinen um die Boote inzwischen geleert, die Ausstellungsflächen geräumt.

„Alle Objekte müssen gereinigt, entwest und für den Transport fertiggemacht werden“, sagt Depotverwalter Peter Jakob. „Je nach Zustand ist auch eine Restaurierung nötig.“ Für die sogenannte Entwesung, also das Abtöten von möglichen Schädlingen im Material, werden die Exponate je nach Beschaffenheit tiefgefroren oder mit Stickstoff behandelt.

Eine besondere Herausforderung ist nach Angaben von Jakob der Umgang mit pflanzlichen Materialien. „Eine Schürze aus Bast oder eine Maske mit Gräsern ist wegen der hohen Empfindlichkeit der Objekte der Alptraum jedes Restaurators“, sagt er. „Schon kleinste falsche Berührungen könnten solch ein Stück beschädigen.“

Parallel zur Aufarbeitung der Exponate läuft die inhaltliche Vorbereitung. Schon früh zeichnete sich ab, dass der Umgang mit der Kolonialzeit eines der großen Themen sein wird. Viele Objekte in den Sammlungen stammen aus der Zeit, als bei der Kongokonferenz 1884/85 in Berlin die koloniale Aufteilung Afrikas ihren Abschluss fand. Andere wurden von Forschern wie Georg Forster, Alexander von Humboldt oder Hermann von Schlagintweit aus fernen Gegenden nach Berlin gebracht.

Die Initiative „No Humboldt 21“ kritisiert schon lange, der weitaus größte Teil der Exponate sei im Zusammenhang mit kolonialen Eroberungen nach Berlin gekommen, gehöre den Museen daher nicht rechtmäßig. Inzwischen sei das Thema bei den Verantwortlichen zumindest angekommen, sagt Sprecher Mnyaka Sururu Mboro aus Tansania. „Das wäre ohne unsere Initiative wohl kaum passiert.“

Die für die Museen verantwortliche Stiftung Preußischer Kulturbesitz setzt sich eigenen Angaben zufolge intensiv mit den Fragen auseinander. Im vergangenen Jahr legte sie einen Verhaltenskodex zum Umgang mit den außereuropäischen Sammlungen vor. „In Einzelfällen kann es auch geboten sein, Rückgaben zu vereinbaren“, heißt es in dem Papier.

Musterbeispiel für ein umstrittenes Stück ist der Perlenthron „Mandu Yenu“, den König Njoya von Bamum 1908 dem deutschen Kaiser Wilhelm II. zum Geburtstag schenkte. „Geschenk ist Geschenk, so könnte man meinen“, sagt Museumschefin König. „Aber die Diskussion ist tatsächlich viel komplexer. Man kann die Gabe des Throns auch als Ausdruck asymmetrischer Machtverhältnisse und als Symbol für die koloniale Unterdrückung Kameruns sehen. Genau solche Diskussionen wollen wir aufgreifen und anschaulich machen.“

Das neue Zauberwort ist „Shared Heritage“, geteiltes Erbe. Danach sollen die Exponate nicht einseitig aus europäischer Perspektive gezeigt werden, sondern im Dialog mit den Herkunftsländern. „Wir sind im Austausch mit indigenen Gruppen in Nordindien, Amazonien, Alaska, Hawaii und anderen“, so König. „Wir berücksichtigen ihre Wünsche für die Präsentation und die Aussagen, die sie über die Exponate machen.“

 

 

Quelle: Tiroler Tageszeitung, 27.08.2016

 

 

8 Kommentare zu “„Berlins außereuropäische Exponate auf dem Weg ins Humboldt Forum“

  1. Und dürfen wir doch noch hoffen das der Innenausbau nicht mit MDF und Holz aus unklaren Quellen sondern mit CO2 neutralem Bambus vorgenommen wird?! Oder schläft man hier weiter und gibt einem langweiligen Design in Weiss den Vortritt?

  2. Dann hätte man ja gleich eine Bambushütte auf den Schlossplatz stellen können. Zweifellos wäre auch das ein Publikumsmagnet.

  3. Das wird ein Fest sein…wenn am 14.9.2019 der Vorhang fällt und das Berliner Schloß-Humbold Forum seiner Bestimmung als Museum den Besuchern übergeben wird…ich kann es kaum erwarten..nur noch 3 Jahre

  4. Also ich bin schon ein wenig traurig, dass das Völkerkundemuseum aus Dahlem verschwindet und sich alles nur noch konzentriert in Mitte befindet. Ich finde es schon wichtig, dass die Touris auch mal ein anderes Berlin, als nur noch die Mitte kennen lernen. Nein, ich wohne nicht in Dahlem und ich mag auch die Mitte. 🙂

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