„Wie ein 31 Meter hoher römischer Triumphbogen ins Hohenzollernschloss kam“

16.09.2020  WELT

Von Rainer Haubrich

Er war der Erste seiner Art und Vorbild sogar für italienische Architekten: der Triumphbogen am Berliner Stadtschloss. Nun ist das letzte Stück des Wiederaufbaus fertig geworden. Seine Form entspricht einem Wunsch des letzten Kaisers.

 

Der römische Triumphbogen am Portal III an der Westseite des Berliner Schlosses – Mitte September 2020

 

Bis an die Spree sind die Römer nie gekommen – das Gebiet der heutigen Hauptstadt war zu weit weg, zu unwichtig, zu barbarisch. Daher gibt es in Berlin keine Reste antiker Tempel oder Thermen. Das älteste Bauwerk der Stadt aus Stein, die Nikolaikirche, geht auf das Jahr 1230 zurück.

Und doch stand in der Mitte Berlins, auf der Spreeinsel, mehr als zwei Jahrhunderte lang Architektur aus der römischen Kaiserzeit: das Portal III des Berliner Schlosses in der Mitte der Westfassade, erbaut 1710 von Eosander von Göthe. Es war eine Kopie des Septimius-Severus-Bogens und des Konstantin-Bogens, der beiden größten und prächtigsten Triumphbögen der römischen Antike, errichtet um 200 bzw. 300 n. Chr. am Forum Romanum.

 

Der große Rundbogen am Portal III als Hauptdurchgang – umsäumt von vier Säulen auf Postamenten

Ein großer Rundbogen in der Mitte bildet den Hauptdurchgang, flankiert von zwei kleineren Durchgängen. Vier Säulen auf Postamenten stehen vor der Front, gekrönt von vier Skulpturen, den Abschluss bildet ein wuchtiger Quader.

Mit der Sprengung des Berliner Schlosses 1950 verschwand das Portal aus dem Stadtbild und bald auch aus dem Gedächtnis.

Im Zuge der Rekonstruktion der ehemaligen Hohenzollernresidenz entstand auch der Triumphbogen wieder. Bis vor Kurzem war er das letzte Bauteil, das sich noch hinter Gerüsten verbarg. Jetzt wurden sie entfernt, und das römische Motiv ist ins Stadtbild zurückgekehrt, 70 Jahre nach seiner Zerstörung.

Die Maße des Portals sind gewaltig. Sie übertreffen die der anderen vier Schlossportale, die auf Andreas Schlüter zurückgehen – und sogar die der römischen Originale. Die Triumphbögen des Septimius Severus und des Konstantin sind jeweils 21 Meter hoch, das Portal III des Berliner Schlosses 31 Meter.

Eosander musste die Abmessungen der römischen Vorbilder hochzoomen auf die Höhe von Schlüters Fassaden. Der neue Hauptzugang verlieh der Hohenzollernresidenz eine monumentale Wucht, wie sie erst 200 Jahre später wieder erreicht wurde beim Reichstagsgebäude und beim Berliner Dom, den zwei prägenden Großbauten des deutschen Kaiserreichs.

Mitte des 19. Jahrhunderts hat man Eosanders barock gewölbten Giebel mit der Wappenkartusche entfernt, weil diese Elemente nicht mehr zur klassizistischen Kuppel passten. Wilhelm II. ließ die ursprüngliche Fassung Eosanders wiederherstellen. Diese wurde jetzt rekonstruiert. Wie die schlichtere Variante aussah, zeigt heute die Innenseite des Portals, die die Eingangshalle des Humboldt Forums dominiert.

Eosander war 1710 nicht der Erste, der den urrömischen Bautypus des Triumphbogens wiederbelebte. Schon für das 16. Jahrhundert ist in Europa der Bau von römisch inspirierten Triumphbögen belegt, mit denen Herrschern beim Einzug in eine Stadt gehuldigt wurde, etwa 1549 in Antwerpen beim Besuch Karls V. und seines Sohnes Philipp. Aber es waren frei stehende Bögen, die wieder abgerissen wurden, wenn sie ihren Zweck erfüllt hatten.

Die Innovation Eosanders bestand darin, einen römischen Triumphbogen exakt zu kopieren und in die Front eines Gebäudes zu integrieren. Ähnlich machte es zwei Jahre später der italienische Architekt Nicola Salvi bei einem viel berühmteren Werk, der Fontana di Trevi in Rom, bei der er einem bestehenden Palazzo seine Fassade mit dem Motiv eines antiken Triumphbogens in der Mitte vorblendete. Wiederum 30 Jahre später war es der britische Klassizist Robert Adam, der bei seinem Entwurf für Kedleston Hall im Jahre 1765 erstmals bei einem privaten Landsitz einen Triumphbogen zum Blickfang der Fassade machte.

 

Das Berliner Schloss mit Portal III – Mitte September 2020

 

Es begann die Zeit des Klassizismus, in der viele Städte, die etwas auf sich hielten, einen römischen Triumphbogen mit drei Durchgängen haben wollten. Zu den frühesten Varianten zählen die Triumphpforte in Innsbruck und das Brandenburger Tor in Potsdam.

Paris errichtete eine Kopie des Konstantin-Bogens als Zugang zum Tuilerienpalast, in München wurde das Siegestor auf der Ludwigstraße gebaut, in Mailand der Arco della Pace, in London der Marble Arch. Nancy bekam gleich zwei: den Arc Héré und die Porte Stanislas, nur 700 Meter voneinander entfernt, womit sich die französische Stadt der höchsten Triumphbogendichte nach Rom rühmen darf.

Neben den Monumenten für Septimius Severus und Konstantin mit ihren drei Bögen imitierte man im Klassizismus auch den Titusbogen vom Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr., der nur einen Durchgang besaß: etwa in Marseille und Dijon oder bei dem bis heute wohl bekanntesten klassizistischen Siegestor, dem ins Gigantische gesteigerten, 50 Meter hohen Arc de Triomphe am Ende der Avenue des ChampsÉlysées in Paris.

Mögen viele dieser Beispiele heute beim Publikum bekannter sein als das Eosanderportal des Berliner Schlosses – jenes aber stand am Anfang der Wiederentdeckung des römischen Triumphbogens in der europäischen Architektur.

Und Rom blieb auch danach vielen Baumeistern in Berlin eine Inspiration: Knobelsdorff zitierte das Pantheon bei seinem Entwurf für die Hedwigskathedrale am Forum Fridericianum, Langhans setzte dem dorischen Brandenburger Tor das hohe Gebälk eines Triumphbogens mit römischer Quadriga auf, Schinkel entwarf seine Neue Wache wie ein römisches Castrum und wählte bei der Eingangshalle des Alten Museums ebenfalls das Pantheon als Vorbild. Am römischsten aber, davon kann sich nun wieder jeder selbst überzeugen, ist die Hauptstadt am Portal III des Berliner Schlosses.

 

Textquelle: WELT, 16.09.2020; Fotos: Gritt Ockert/Förderverein Berliner Schloss e.V.

 

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