„Warum der Schlossnachbau nicht originalgetreu ist“

Berliner Zeitung, 29.05.2020

Der Nachbau des Berliner Stadtschlosses ist eine Enttäuschung. Die Schlossfassaden entsprechen nicht einmal in der Farbwahl dem 1950 zerstörten Original.

Von Nikolaus Bernau

Der Wind am Freitagabend hat die Inszenierung ein wenig durcheinander gebracht. Die Schaulustigen mussten sich ein paar Stunden gedulden, aber dann war es soweit: Die Kuppel des Humboldt-Forums wurde mit einem goldenen Kreuz gekrönt. Mit der Aufstellung des goldenen Kreuzes auf der Kuppel des Humboldt-Forums und dem ersten Spatenstich für das Einheitsdenkmal auf dem Sockel des einstigen Kaiserdenkmals kommt eine fast genau dreißig Jahre währende Debatte um die Gestaltung des heutigen Schlossplatzes zu einem vorläufigen Ende. Sie war geprägt vor allem vom ästhetisierenden Streit um Formen, nur selten aber spielte die Bedeutung der Formen und noch weniger die Nutzung des gewaltigen Neubaus eine Rolle.

Die Debatte um den Schlossfassadennachbau begann 1990 in den Tagen der endenden DDR. Damals erschien die Idee utopisch. Erst die in der deutschen Architekturgeschichte einzigartige Privatinitiative Wilhelm von Boddiens, der mit einem Förderverein und unermüdlichem Engagement 1993 die „Schlosskulisse“ vor dem leeren Palast aufbauen ließ, brachte breite Fahrt in die Debatte. 2002 beschloss der Bundestag mit riesiger Mehrheit, den von Asbest befreiten Palast der Republik wider alle Ökologie und Ökonomie abreißen zu lassen. Stattdessen sollte ein Humboldt-Forum mit Ausstellungen, Museen, Wissenschaftlichen und Öffentlichen Bibliotheken (beide entfielen dann später) entstehen, umhüllt mit den barocken Außenfassaden des 1950 gesprengten Berliner Schlosses. 2006/07 folgte der Wettbewerb, Sieger war der vollkommen unbekannte italienische Architekt Franco Stella.

Sein Entwurf zeigte nicht nur – wie gefordert – die barocken Fassaden vor einem sehr abstrakt-rationalen Grundriss sowie die in der Ausführung dann erschreckend brutaler Ostfassade zur Spree, sondern auch die spätklassizistische Kuppel Friedrich August Stülers. Die Jury hatte nachträglich beschlossen, einen Kuppelbau zur Bedingung für die Preisvergabe zu machen. Nur acht der insgesamt 27 eingereichten Kuppel-Entwürfe zeigten allerdings ein Kreuz. In Franco Stellas Entwurf war es zwar nicht auf der oft publizierten Längszeichnung und auch nicht auf dem Modell oder der Fassadenansicht zu sehen, wohl aber in einem Fassadenaufriss. Der Berliner Zeitung gegenüber betonte Stella jetzt, für ihn sei ein Kuppelkreuz auch unabdingbar gewesen: Es markiere, dass die Kuppel kein Teil eines Profanbaus gewesen sei. Sein Fehlen hätte also dem „geistigen Wesen der Rekonstruktion des Berliner Schlosses“ widersprochen, so Stella.

Dennoch wurden Kuppel, Kreuz und Inschrift erst 2011 ohne öffentliche Debatte fixierter Teil der Planungen. Der Bundestag nämlich lehnte weiterhin und bis heute eine Finanzierung dieses Symbolzeichens ausdrücklich ab. Das Kreuz wurde deswegen von der Witwe des Versandhausbesitzers Otto finanziert, die Außenarchitektur der Kuppel und die erst jetzt weithin debattierte, fundamentalistisch-christliche Inschrift durch Stifter, deren Namen nur der Stiftung Humboldt-Forum und wohl auch den Steuerbehörden bekannt sind.

Die zentrale Begründung für Kuppel, Kreuz und Inschrift ist immer wieder, dass sie zu einem korrekten Nachbau gehörten. Doch wenn man sich die Details des Fassadennachbaus ansieht, ist er eben gerade keine pingelige Kopie des 1950 zerstörten Originals, sondern eine zwar historisch begründbare, handwerklich oft herausragend gut gemachte, in vielem aber recht freimütige Nachschöpfung aus heutigem Geist und heutigen Interessen heraus. So ist die Inschrift keineswegs eine Kopie jener Inschrift, die 1950 zerstört wurde. Es handelt sich dagegen, wie die Schlossbaustiftung bestätigte, um eine Wiederholung jenes Inschrifttextes, der für 1848 überliefert ist, aber schon 1884 bei einer Renovierung ersetzt worden war. Der Text stammt nun wieder aus 1848 – ergänzt um einige Buchstaben, worauf der Historiker Werner Kohl mittels einer Detailanalyse hinwies, die den Text im heutigen Sinn flüssiger lesbar machen. Die Buchstabenform dagegen orientieren sich an der Fassung der Inschrift von 1884, und die Bautechnik ist gänzlich modern. Ein Epochen-Potpourri also, das durchaus die Frage stellen lässt: Warum musste man diese Inschrift überhaupt rekonstruieren, wenn man sich nicht einmal für eine Zeitebene entscheiden konnte?

Die aus der Renaissance stammenden Fassaden wurden vollständig weggelassen, das erst unter Wilhelm II. wieder angefügte große Kartuschenfeld über dem Westportal dagegen nachgebaut. Kostbare barocke Originalskulpturen wurden, wider alle denkmalpflegerische Sorgfaltspflicht, in die Nachbau-Fassade integriert, aber die originalen wilhelminischen Küchenkeller abgeräumt. Über der Nordwestecke verschandelt ein viel zu hoher Caféaufbau die lange Linie der Lustgartenfassade – und die Fassadenfarben sind weitgehend eine moderne Erfindung: Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Schloss steingrau, später wurde es dank der dreckigen Berliner Luft geradezu militärgrau. Vor uns steht aber ein Bau in strahlenden Ocker- und Gelbtönen, so, wie wir unsere Preußen-Schlösser lieben. So etwa könnte der Generaleindruck um 1830 gewesen sein – doch für die spezielle Aufteilung der zwischen Braun und Weiß changierenden Farben gibt es, wie die Stiftung Humboldt-Forum der Berliner Zeitung bestätigte, gar kein historisches Vorbild, nur Analogieschlüsse etwa aus den Restaurierungen von Schloss Charlottenburg.

Noch schärfer bricht die Aufstellung des Einheitsdenkmals genau in der Hauptachse des Humboldt-Forums mit der Tradition des Schlosses. Einst stand hier die dichte Reihe von Wohnbauten an der Schlossfreiheit, ein überaus reizvoller Kontrast zwischen Staat und Bürgertum. Statt ihn wiederherzustellen, schließt sich das von der Bundesrepublik errichtete Einheitsdenkmal an jene gewalttätige Monumentalanlage an, die Kaiser Wilhelm II. zu Ehren seines Großvaters Wilhelm des I. 1898 einweihte. Nicht nur diese Tradition ist ein Problem, auch die Form der Wippe: Sie wird mit ihrem goldenen, horizontal breit gelagerten Bogen das Gegenstück zur aufstrebenden Kuppel, der goldglänzenden Inschrift und dem goldenen Kreuz.

Was breite Interpretationsmöglichkeiten öffnet: Segnet nun das Kreuz die Einheit, stellt sich diese unter Kreuz und christliche Inschrift? Werden sich Juden, Muslime oder die gerade in Ostdeutschland weit verbreiteten Agnostiker durch das über den Aufstellungsort, die Farbe und das Material eng mit der christlich-monarchisch intendierten Propaganda des Schlosses verbundene Einheitsdenkmal repräsentiert sehen? Kurz: Wir werden noch viel debattieren über dieses „Schloss“, auch wenn es jetzt fertig zu sein scheint.

 

Quelle: Berliner Zeitung, 29.05.2020

Foto: Gritt Ockert, Förderverein Berliner Schloss e.V.

 

17 Kommentare zu “„Warum der Schlossnachbau nicht originalgetreu ist“

  1. Ich schrieb es schon mehrfach: Warten wir ab, bis Alles fertig ist. Danach können wir immer noch sagen, dass das Alles Sch…. ist.

  2. Die Mehrheit der Bewohner eines jeden Landes auf dieser Welt gehört eine der Weltreligionen an, die Minderheiten in dem jeweiligen Land den anderen Weltreligionen oder sie sind Atheisten.
    In Europa und somit auch in Deutschland sind seit über 2000 Jahren die Mehrheit der Bewohner Christen.
    Das Symbol des Christentums auch in Deutschland ist das christliche Kreuz.
    Es ist somit für mich nur folgerichtig und selbstverständlich, dass mit der Wiederherstellung des neuen Berliner Schlosses mit dem Humboldtforum auch auf der Palmettenkuppel der Laterne auf der großen Kuppel das christliche Kreuz – ausschließlich aus Spenden finanziert – seinen Platz wieder bekommen hat.
    Da alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), die keine Christen sind, nach Artikel 4 unseres Grundgesetzes ihr Leben in unserer gemeinsamen BRD frei nach ihrem Glauben, nach ihrem Gewissen, nach ihrem religiösen und weltanschaulichen Bekenntnis gestalten und ihre Religion ungestört ausüben können, erwarte ich, dass diese Mitbürger dies auch der Mehrheit der Bewohner Deutschlands, die Christen sind, zugestehen.
    Freuen wir uns doch alle heute am 30.05.2020 zum Pfingstfest, dass unsere Bundeshauptstadt mit dem neuen Berliner-Schloss mit dem Humboldtforum und mit dem christlichen Kreuz auf der Palmettenkuppel der Laterne auf der großen Kuppel ein weltweit einzigartiges Gebäude wieder bekommen hat, das wieder in das Gesamtkunstwerk in Berlin- Mitte hineinpasst.

    1. Danke, ich hatte einen Traum. Der ist nun in Erfüllung gegangen. Meine Großmutter hatte mir davon soviel erzählt, von im Schloss gegebenen Sonntagskonzerten, mein Großvater war Musiker. Hoffentlich sägen Herr Müller und seine Genossen uns das Kreuz eines Tages nicht kurzerhand ab.

  3. Die Einwände des Autors gegen die Rekonstruktion des Sclosses beruhen selbst auf willkürlich Selektionen. Er weiß, daß man sich bei einem so alten Gebäude mit mehreren Bau- und Renovierungsstufen stets für eine pausible Lösung entscheiden muß. Insofern war von vornherein klar, daß es keine einheitliche Zeitstufe geben würde. Der Autor macht die Absurdität seiner Argumentation selbst am Beispiel der Farbgebung klar. Hätte man denn nach seiner Meinung die militärgrauen Schmutzablagerungen als Vorbild nehmen sollen? Da hat man sich doch lieber für eine einigermaßen plausible Lösung entschieden, die historisch wahrscheinlich ist. Ähnliche Probleme gab es beim Schloß Schönbrunn, wie ein Spiegel-Interview belegt:

    SPIEGEL: Steht denn schon die Forderung ins Haus, das Schloss wieder in das grauweiße Original umzuwandeln?

    Neubauer: Leute, die so etwas fordern, finden sich immer, aber das würde sich für uns verbieten. Schönbrunn soll gelb bleiben, so wie es im 19. Jahrhundert fertig gestellt wurde. Wir wollen die Fassadenversion respektieren, die das Schloss schmückte, bevor es die Habsburger an die Republik abtreten mussten.
    (https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-30542759.html)

    Auch hier haben wir eine plausible Entscheidung und die Kritiker, die dagegen sind. Letzteres ist tröstlich, so sind wir mit solchen Leuten nicht allein in Mitteleuropa. Daß die Nordseite des Schlossesso exemplarisch mißraten ist und die Wippe weder zum Schloß noch zu dem großen Ereignis paßt, das sie angeblich würdigen soll, steht auf einem anderen Blatt.

  4. Bezüglich der Nordfassade, die „modern“ wirkt, muss Folgendes gesagt werden: Dieses Fassadenstück sollte auch ähnlich der übrigen Fassaden gestaltet werden. Dann jedoch wäre alles erheblich teurer geworden. Daher entschied man sich für einen Kompromiss. Den Wettbewerb hat dann Herr Stella gewonnen. Folglich ließ man dann die Nordfassade schlicht. Und noch etwas wollte man zeigen: Das Schloss ist das, was man bei der Frauenkirche von Dresden einen sogenannten archäologischen Wiederaufbau nennt. Das heißt: Man nehme ein Gebäude, das durch irgendetwas vernichtet oder sonst wie untergegangen ist, an Hand alter Pläne, Fotographien usw. einen möglichst originalen Wiederaufbau vor. Beim Schloss aber war das nur zum Teil der Fall. Grund: Das Schloss erfuhr im Laufe seiner Historie zahlreiche Um- und Ausbauten. Dann wurde es, weil beschädigt und des real existierenden Sozialismus nicht würdig, in die Luft gejagt. Danach entstand „Erichs Lampenladen“, der nach dem Kollaps entfernt wurde. Im Anschluss baute man das Schloss wieder auf einschließlich Kuppel, Laterne und Kreuz. Die Nordfassade als postmodern signalisiert das 21. Jahrhundert. Hauptzweck des Schlosses ist, es als Museum zu verwenden. Also nochmal: Ich komme nach Berlin und sehe als erstes das Schloss. Dann betrete ich den Haupt- und den Schlüterhof. Anschließend betrete ich ein Völkerkundemuseum, das alles, was Humboldt auf seinen vielen Reisen mitgebracht hatte, zeigt. Dann kommt noch die Berliner Geschichte dazu. Ich meine zu wissen, dass sich im Humboldtforum auch noch ein Raum befindet, der die Volkskammer, wie sie im Palast der Republik vorhanden war, zeigt. Meines Wissens ist der Raum hinter der Westfassade, aber ich kann mich auch irren. Sei´s drum. Dann kam man auch noch auf die Idee, ein „Einheitsdenkmal“ an Stelle des Reiterstandbildes zu schaffen. Es zeigt die Form einer Schale und bewegt sich, je nachdem, sich die Leute in der Schale verteilen. So wie eine Wippe, wie man sie von Spielplätzen kennt, nur viel größer. Das Teil ist auf dem Sockel des ehemaligen Standbildes, was man als „Entweihung“ sieht und in dem sich auch Fledermäuse aufhalten. Nun wird auch das gebaut. Somit habe ich ein neues Stadtbild, das die Epochen insgesamt zu zeigen versucht. Fassen wir zusammen: Monarchie, Weimarer Zeit, „Drittes Reich“, SBZ-Zeit, DDR und least but not lost heute die BRD seit dem 3. Oktober 1990. Wenn mal alles fertig ist, dann kann man diskutieren und im aller äußersten Fall das ganze Ensemble immer noch Sch… , also schlecht finden. Die Fledermäuse werden sich wohl auch wieder ansiedeln. Bei der Waldschlösschenbrücke in Dresden glaubte man, das die Tiere gegen die Brücke brettern und erreichte mit Hilfe von speziellen Pflanzungen und Teilen an der Brücke, dass die Fledermäuse mit ihrem Ultraschalllauten diese Hindernisse erkennen und gleichzeitig über bestimmte Stellen hinwegfliegen können, ohne dass ihnen etwa passiert. Auch können sie sich an der Brücke aufhalten und dort auch verweilen.

  5. Es ist echt zu lächerlich: diejenigen, die diesem Bau die meisten Steine in den Weg gelegt haben, beschweren sich jetzt über mangelnde Authentizität! Hätte man den Förderverein machen lassen, gäbe es heute vermutlich ein Schloss, das wesentlich näher am Vorgängerbau wäre. Aber nein, es musste ja auch eine zeitgenössische Seite darangebaut werden, damit es bloß nicht zu sehr nach Schloss aussieht. Und es darf der Brunnen nicht versetzt werden, die Rossebändiger auch nicht und die Gartenanlagen dürfen auch nicht aussehen wie bei Vorgängerbau. Alles verhindert man, und macht es dann denen, die mit Zeit, Kraft und Geld dafür gekämpft haben, dass wenigstens der Großteil der Fassade orginalgetreu aussieht, zum Vorwurf.

    Das ist halt der Geist dieser Zeit: alles wird „basisdemokratisch“ abgefragt, und bei all den Kompromissen kommt nur Murks heraus. Da kann man nur froh sein, dass beim Schlossneubau wichtige Elemente durchgesetzt werden konnten. Ich hoffe sehr, dass dies auch noch in Bezug auf die Gestaltung des Umfelds gelingt

  6. Da ist den Rekonstrukteuren wirklich ein Kunstwerk gelungen! – Dass alles fast so aussieht, als wäre das alte Hohenzollern-Schloss nie gesprengt worden und nur zur Spree hin ein moderner Kobus wie eine Erweiterung als Sinnbild der Ankunft im 21. Jahrhundert finde ich toll!
    Ich bin ein Freund historischer bzw. historisierter Gebäude!
    Vielen herzlichen Dank dafür an Wilhelm von Bodien für seinen Mut und seine Weitsicht!
    Ich kenne sowohl den Westteil wie Gesamt-Berlin! – Daher dafüe vielen herzlichen Dank!

  7. Der Nikolaus Bernau mal wieder! Warum wird ständig dieser Miesepeter zitiert? Das Schloss bietet unglaubliche neue Sichtachsen in Berlins Mitte, die kein anderes Bauwerk so erzielt hätte!

    1. Bei Herrn Bernau wird nicht klar, ob er nur sarkastisch provozieren will oder alles, was er sagt, ernst meint. Schon das Wort „Schlossnachbau“ ist tendenziös herablassend gemeint. Natürlich spielt die städtebauliche und architektonische Ästhetik des Bauwerks insgesamt eine große Rolle. Ebenso ist die Nutzung als Museum und Forum neben den anderen weltberühmten Museen von Bedeutung. Beides ist hervorragend gelöst. Die Abrissentscheidung des Palastes d. R. erfolgte auf Empfehlung vieler internationaler Gutachter und Experten (mit Zustimmung der PDS) sowohl in engem Kontext mit dem gigantischen Aufmarschplatz alias Trabbi-Parkplatz als auch wegen des Dilemmas, den Palastrohbau innen komplett mit neuem Raumprogramm ausbauen zu müssen, zu Kosten eines Neubaus. Hören wir also endlich mit dem Gejammer über Phantomschmerzen auf. Und warum kratzt Herr Bernau am Image des „völlig unbekannten“ Architekten Franco Stella. Der Mann hat sehr viel geleistet. Die Ostfassade hat er ursprünglich als offenes, luftiges, galerieartiges Belvedere gestaltet. Er musste aber die Galerien wegen des erweiterten Raumprogrammes nachträglich mit Fenstern schließen. Auch weiß Herr Bernau vermutlich. Bei der Kuppel hat man einheitlich den Zeitraum 1844 Planungsbeginn bis 1854 Fertigstellung gewählt. Das ist in einem Zeitfenster und so plausibel. Dass man die Möglichkeiten moderner Bautechniken (Werkzeuge, Kräne, Elektrik) nutzt, ist eine Selbstverständlichkeit, na und? Die Kritik, dass das Einheitsdenkmal hier problematisch ist, teilen viele. Aber es ist absurd, heute den Freiplatz vor dem Eosanderportal mit eng gebauten modernen oder historisierenden Stadthäusern „in reizvollem Kontrast“ wieder zuzustellen. Seine Vermutung der „christlich-monarchisch intendierten Propaganda“ des Schlosses zeigt schließlich, dass er aus ideologischen Gründen die städtebaulichen, architektonischen und kulturhistorischen Bedeutung des Projektes nicht erkennen kann.

  8. Was mir an der ganzen Geschichte wirklich missfällt, ist das ganze Gerede von Weltoffenheit und Fortschrifft und Völkerverständigung und Toleranz und wer weiß was noch alles. Die Diskussion dreht sich teilweise in echt bizarrer Weise um Dinge die so einfach nicht der Tatsache entsprechen. Man wollte auf Teufel komm raus den alten Palast abreissen. Das mag man gut oder schlecht finden, ich nehme das einfach mal so hin. Als Konsequenz hat man dann aber geradezu krampfhaft nach einer posiitven Nutzung gesucht. Und nun versucht man dem Schlossneubau eine Wertung zuzuschreiben, die so einfach nicht stimmen kann. Ich meine, weshalb bekennt man sich nicht einfach zu dem was man tut, den Wiederaufbau des alten Stadtschlosses und Punkt. Das Schloss als ein Symbol für Monarchie und Staatskirche. Aber das Ganze mit dem Namen Humboldts zu verbinden und so zu tun als ob man Wunder was für ein Beispiel an wegweisender Völkerverständigung und Toleranz aufbaut finde ich einfach in höchsten Maße unehrlich.

    1. Da rühren Sie genau an dem Punkt, den ich oben schon einmal ansprach: man kann anscheinend Geschichte und ihre Wirkungszeugnisse nicht mehr in dem Kontext ihrer Entstehung belassen. Stattdessen murkst man an irgendwelchen Kompromissen herum, damit man die Deutungshoheit und –mehrheit erlangt. Ein klares Konzept muss verwässert werden, damit es allen anderen auch wenigstens etwas entgegenkommt. Das Ergebnis – auch in meiner Heimatstadt – sieht jedes Mal so aus, dass es niemandem hinterher wirklich gefällt. Nach zwanzig, dreißig Jahren reißt man dann also alles wieder ab, und das Spiel geht von vorn los.
      Dieses Schicksal wird dem Schlossneubau sicherlich erspart bleiben. Aber ich bin mir sicher, dass zum Thema Ostfassade und Nutzung das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.

    2. Ich stimme Ihnen zu. Mir sehe und bewundere einfach die städtebauliche und architektonische Ästhetik dieses Gebäudes, ohne historische, dynastische oder religiöse Rechtfertigung.

  9. Ich stimme Arn Praetorius voll zu. Allen denjenigen, die dem P.d.R.(Palast der Republik) heute noch
    nachtrauern berichte ich kurz von einem Gespräch mit dem verstorbenen Staatsarchitekten der DDR
    und Erbauer des PdR, dass ich kurz nach der Wende führte. Auch der hochgebildete Heinz Graffunder
    wußte um die große Bedeutung des Schlüter-Schlosses. Er hätte es am liebstren wiederaufgebaut.
    Leider hatte dieser hochgebildete Mann von Honecker einen anderen Befehl. So blieb es unserer
    Zeit vorbehalten, den großartigen Architekturgeist Schlüters wiederzuerwecken

  10. Der PdR war ein Proletenbau, ohne Bezug zu Tradition und Kultur. Schade, daß das Schloß nicht an allen 4 Seiten originalgetreu rekonstruiert wurde. Seien wir froh, daß es bei dem Linkstrend in unserem Land überhaupt soweit gelungen ist.

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