„Wo die Hohenzollern wohnten“

13.02.2020 Berliner Zeitung

Letzte Grüße vom Grünen Hut: In der gesprengten Ostfassade des vielschichtigen Berliner Schlosses fanden sich dessen ältesten Teile, auch die Privaträume der Herrscherfamilie 

Von Maritta Tkalec

Ein idyllisches Eckchen Mitten in Berlin. Verwinkelt, vielgestaltig, begrünte Mauern, ein kleiner Park, eine Treppe zur Spree: Als kleine Stadt in der Stadt, gewachsen seit dem 15. Jahrhundert -so stellte sich die Ostfassade des Berliner Schlosses noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar, bevor es Ende 1950 gesprengt wurde. Dort lagen – mit Blick aufs Wasser auch die Wohnungen der Herscherfamilie.

Die erste Hohenzollernburg, die im 15. Jahrhundert entstand, war  vermutlich ein von Gräben umzogener Backsteinbau war. Abbildungen sind nicht überliefert. Doch ein Zeuge jener Zeit stand noch: Ein alter Turm, einst Teil der alten Cöllnischen Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert, wurde in die folgenden Bauphasen einbezogen und blieb erhalten. Er gehörte  wegen seines runden, zwiebelförmigen Kupferdaches zu den markantesten Bauten und hieß, recht populär, der „Grüne Hut“.

Auf dem Foto ist er im rechten Drittel der alten Aufnahme zu sehen, hervorlugend zwischen dem halbrunden Vorbau der 1465 errichteten spätgotischen Erasmuskapelle (erkennbar an den bogenförmigen Fenstern) und dem im Stil der Renaissance 1579 erbauten Herzoginhaus mit Eckturm.

Per Schiff nach Charlottenburg

Gerade an dieser Seite war erkennbar geblieben, wie sich das Schloss Stück für Stück erweitert hatte – jeder Gebäudeteil ein Stück Berliner Geschichte. Ein lebendiges Ensemble bestehend aus Türmen, Hauben, Erkern, Nischen, mit Efeu oder wildem Wein bewachsenen Wänden.  Die Monarchen gönnten sich eine eigene Schiffsanlegestelle – die Reise per Schiff zum Beispiel nach Charlottenburg war weit bequemer als in der Kutsche über Katzenkopfpflaster.

Für die Anlegestelle setzte man eine Terrasse mit Treppenanlage zum Wasser vor das Schloss. Dieser der Marienkirche und der um diese herum gelegenen Bürgerstadt zugewandte Schlossteil war der älteste des gesamten Komplexes. Seine Baugeschichte begann mit Kurfürst Friedrich II. (Eisenzahn), der zunächst noch in Tangermünde am westlichen Elbufer residierte.

Von 1443 an begann dieser, in der aufstrebenden Handelsstadt Berlin/Cölln eine Residenz zu errichten  gegen den energischen Protest der Berliner Bürgerschaft.

Einige Jahre nach dem Abbruch des Schlosses auf Beschluss der in der DDR herrschenden Partei SED veränderte sich auch die Situation am Ufer: Die Spree wurde für den Bau des Palastes der Republik abermals verengt. Nimmt man den heutigen Uferverlauf, dann läge der alte, romantische Schlossteil deutlich vom Wasser entfernt.

Die für das Humboldt-Forum neu errichtete Ostfassade bietet das komplette Gegenteil der kleinteiligen alten Fassade: Der Architekt Franco Stella entwarf sie streng, gerade, einförmig. Die staatlichen Bauherren stimmten zu – um an dieser Stelle den Bruch mit der Hohenzollern-Schlossgeschichte zu demonstrieren.

Eine Reminiszenz an die alte Form in diesem Bauabschnitt gibt es aber doch: der Eckturm links, der zur Barockfassade überleitet und auch schon in der historischen Aufnahme zu erkennen ist.

Quelle: Berliner Zeitung, 13.02.2020

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