„Macht die Linden grün“

20.02.2020 Süddeutsche Zeitung

Zu lange wurde in Berlin zu wenig über die Frei􀃘ächen rings ums Humboldt-Forum gesprochen. Das ändert sich jetzt – in den Blick kommt die Stadt. Doch grundlegende Fragen wie die Verkehrsführung sind immer noch völlig offen.

Von Jens Bisky

Wenn zwischen der Liebknechtbrücke am Dom und dem Brandenburger Tor nicht Autos, sondern Fußgänger den Rhythmus bestimmen würden, begleitet von Fahrradfahrern, Bussen, Taxis und ein paar Lieferwagen, dann würde in einem der Zentren Berlins eine urbane Bühne entstehen, auf der sich ausprobieren ließe, wie eine Mitte für alle funktioniert. Und es wären einige Probleme der Freiflächengestaltung rund ums Humboldt-Forum leichter zu lösen. Zu einer Diskussion über diese hatte am Mittwochabend der Verein Denk mal an Berlin in die Urania geladen.

Der Kulturcontainer hinter Barockfassaden soll von September dieses Jahres an etappenweise eröffnet werden. Im Streit über das Projekt haben die Flächen ringsum meist nur am Rande eine Rolle gespielt, obwohl es entscheidend von ihrer Gestaltung abhängt, wie sich das Bauwerk in die Stadt einfügt. Die Verantwortung dafür liegt beim Land Berlin. Dass diese Aufgabe separat ausgeschrieben wurde, war gewiss ein Fehler. Der Entwurf von BBZ Landschaftsarchitekten, der 2013 den Wettbewerb gewann, hat dennoch viele Vorzüge. Timo Herrmann stellte ihn am Mittwoch vor. Der Entwurf will einerseits historische Bezüge sichtbar machen und muss andererseits damit umgehen, dass sich die Bedeutung der vier Seiten des Baus grundsätzlich und wohl irreversibel gewandelt hat. Als Schlüter das Schloss für den ersten Preußenkönig emporwuchtete, war die Schlossplatzseite im Süden, zur Breiten Straße hin, die wichtigste. Über die Lange Brücke mit dem Reiterstandbild des Großen Kurfürsten gelangte man zu Portal I. Heute liegt diese Seite im Abseits. Die größte Aufmerksamkeit findet die Nordfassade zum Lustgarten hin, aber der Haupteingang ins Humboldt-Forum wird an der Westseite mit der Kuppel liegen. Die historischen Bezüge und die zeitgenössische Stadt stehen in Spannung zueinander.

Die Busse sollen nicht dauerhaft am Lustgarten herumstehen

An der Südseite werden Terrassen entstehen, etwa zwanzig Meter breit, erhöht, mit Sitzmulden und mit Pflanzentableaus, die von Alexander von Humboldt inspiriert sind. Dergleichen gibt es in Berlin sonst kaum. Natursteinplatten über die Straße sollen andeuten, dass Schloss und Lustgarten einst einen Raum bildeten, zusammengehörten, was heute der Straßenverkehr vergessen lässt. An mehreren Stellen werden Gärtchen und Baumgruppen an Grün erinnern, das es früher gab. Am Spreeufer, Ostseite, könnten ein sogenannter Spreebalkon und eine Uferpromenade die Abriegelung gen Osten vielleicht mildern.

In der Diskussion, die der ehemalige Kulturstaatssekretär André Schmitz flott moderierte, kamen drei Ärgernisse immer wieder zur Sprache: die Steinödnis im Süden, das Freiheits- und Einheitsdenkmal und das Reisebusproblem. Die Stiftung Humboldt-Forum erwartet, wie Johannes Wien vom Vorstand sagte, etwa 3,5 Millionen Besucher im Jahr. Das Land Berlin würde die Reisebusse gern am Schlossneubau halten lassen. Die Stiftung habe, so Manfred Kühne von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Reisebuskonzept nicht akzeptiert und vorgeschlagen, für Busse doch einen Halteplatz vor den Mietwohnungen im Nikolaiviertel vorzusehen, was aber Berlin nicht will. Noch ist die U-Bahn-Linie mit dem Bahnhof Museumsinsel nicht fertig, und man wundert sich: Ein paar Monate vor der Eröffnung sind grundlegende Fragen der Verkehrsführung nicht entschieden. Wenigstens widersprach keiner der Präsidentin des Bundesamtes für Bauplanung und Raumordnung, Petra Wesseler, dass die Busse nicht dauerhaft am Lustgarten herumstehen sollten.

Das Freiheits-und-Einheits-Denkmal dürfte das unbeliebteste Bauvorhaben in Berlin sein

Auf dem Schlossplatz vor der Südfassade stand seit 1891 der Neptunbrunnen, von Reinhold Begas geschaffen, ein Geschenk der Stadt an den Kaiser. 1969 fand er einen neuen Platz im sozialistischen Zentrum zwischen Rotem Rathaus und Marienkirche. Die Mehrheit im Saal wünschte ihn wieder an den alten Ort versetzt. Das sei, so der Landschaftsarchitekt Timo Herrmann, aufgrund des Straßenverlaufs nicht möglich, auch befänden sich an der Stelle Fernwärmeanlagen aus DDR-Zeiten. Die Rückführung des Brunnens wäre sehr teuer. Allerdings hat der Bund vor einigen Jahren Geld dafür versprochen.

Der Entwurf für die Südseite sieht kaum Grün und viel Stein vor. An dieser Seite ist die Feuerwehrzufahrt vorgesehen, auch Behindertenparkplätze sowie Stellplätze für Ü-Wagen und VIP-Fahrzeuge. Tilman Heuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz sagte zu Recht, dass viele, sobald der Bauzaun gefallen ist und der steinerne Platz sichtbar wird, ausrufen werden, so könne man heute nicht mehr bauen. Es ist nicht nur ungut fürs Stadtklima, sondern auch unfreundlich gegenüber den Berlinern. Ein Brunnen und Grün auch an der Südseite – das fände bestimmt eine Mehrheit. Was dort bislang geplant ist, widerspricht auch der Logik des Schlossneubaus, durch den eine Passage in Nord-Süd-Richtung hindurchführt.

Auch am Mittwochabend konnte sich keiner für das Freiheits-und-Einheits- Denkmal begeistern. Es dürfte das unbeliebteste Bauvorhaben in Berlin sein, aber es wird kommen, weil der Bundestag es so beschlossen hat. Manfred Kühne meinte, man habe sich „nicht durchringen können, auf diese Bereicherung des Berliner Stadtbildes zu verzichten“. Aber wenn es da nun hinkommt, möchte man ergänzen, dann muss doch auch die Straße, die am Staatsratsgebäude vorbeiführt, irgendwie den großen Architekturgesten ringsum antworten. Wäre es nicht Zeit, an diesem Ort den Verkehr neu, von den Fußgängern aus zu planen? Es gibt schon die Idee, die Straße Unter den Linden autofrei zu gestalten. Warum nicht das Umfeld des Humboldt-Forums einbeziehen?

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 20.02.2020

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert