„Neuer Streit um Einheitsdenkmal“

10.05.2019  Berliner Morgenpost

Ein Filmemacher wirft den Gestaltern vor, die Idee bei ihm gestohlen zu haben. Die Architekten weisen die Vorwürfe zurück

Von Jens Anker und Andreas Abel

Um das umstrittene Einheitsdenkmal in Mitte ist neuer Streit entbrannt. Diesmal geht es allerdings nicht um die Waage selbst oder den Standort, sondern um die Urheberschaft. Der Oscar-prämierte Hamburger Filmemacher Christoph Lauenstein wirft den Gestaltern des Einheitsdenkmals, Johannes Milla und Sebastian Letz, vor, sich bei der Idee für das Denkmal von einem seiner Filme inspirieren lassen zu haben.

Der Film „Balance“, für den Lauenstein zusammen mit seinem Zwillingsbruder Wolfgang 1990 den Oscar erhalten hat, stelle die Grundlage dafür dar, behauptet Lauenstein. In dem Animationsfilm bewegen sich Figuren auf einer Ebene.

Die Gestalter weisen die Vorwürfe zurück

Die Gestalter weisen die Vorwürfe schroff zurück. „Den Vorwurf des Plagiats weisen wir zurück“, sagte Sebastian Letz am Freitag. „Er ist vollkommen haltlos und unberechtigt und schädigt unseren guten Ruf.“ Das hätten Juristen bereits bestätigt. Das Thema „Menschen gemeinsam oder gegeneinander auf einer Fläche“ sei ein Thema, das sich seit Jahrhunderten durch die Kunstgeschichte zieht. „Das Freiheits- und Einheitsdenkmal erinnert an die nicht für möglich gehaltene Realisierung einer Utopie, an die positive Kraft der Veränderung“, sagte Letz am Freitag der Morgenpost. „Ein freudiger Moment der deutschen Geschichte. Herr Lauensteins Film ist die düstere Inszenierung einer Dystopie, die von Gier, Gewalt und Vereinzelung erzählt.“

Die beiden Gestalter sind darüber hinaus über den Zeitpunkt der Vorwürfe verwundert. „Wir sind überrascht, dass der Vorwurf erst neun Jahre nach der Veröffentlichung unseres Entwurfs geäußert wird.“ 2011 waren die Architekten Milla und Letz mit ihrem Entwurf als Sieger aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangen. Lauenstein begründete den spät erhobenen Vorwurf am Freitag gegenüber der Berliner Morgenpost damit, dass lange nicht klar gewesen sei, ob das Einheitsdenkmal realisiert werde.

Für Irritationen sorgte bei Milla und Letz eine E-Mail Lauensteins, in der der Filmemacher mit Konsequenzen droht. Er habe die Formulierung eines „plumpen Plagiats“ in einem ersten Medienbericht abschwächen lassen, um Milla Gelegenheit zur Erwiderung zu geben.

100.000 Euro Entschädigung gefordert

„Wir haben einen Tag vor der Veröffentlichung des Plagiatsvorwurfs eine E-Mail von Christoph Lauenstein bekommen“, sagte Milla. „Er bietet uns in dem Schreiben an, auf, so wörtlich, ,Proteste und Gegenmaßnahmen’ zu verzichten, wenn wir seiner Firma kurzfristig eine Entschädigung von 100.000 Euro zahlen.“ Auf diesen „irritierenden Vorschlag“ seien sie nicht eingegangen.

Lauenstein bestätigte der Berliner Morgenpost gegenüber, das Schreiben an Milla und Letz versandt zu haben. Probleme sehe er darin nicht. „Es war ein Vorschlag zur gütlichen Einigung“, sagte Lauenstein. Er sei nach wie vor sehr verärgert darüber, dass sich die beiden Gestalter für eine Idee feiern ließen, die es exakt so bereits gibt, und sogar im selben Zusammenhang der deutschen Einheit.

2017 wollte der Bundestag das Denkmal wieder

Damit geht der Streit über das Einheitsdenkmal in eine weitere Runde. Das 2007 vom Bundestag beschlossene Denkmal soll an die Wiedergewinnung der Deutschen Einheit erinnern. 2008 legte das Parlament den Standort fest, den Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf der Schlossfreiheit vor dem Humboldt-Forum. 2016 stoppte der Haushaltsausschuss des Bundestages den Bau der Waage wegen einer angeblichen Kostensteigerung. Wenige Monate später stellte er dann überraschend einen erheblich höheren Betrag bereit, um die Kolonnaden des Kaiser-Wilhelm-Denkmals zu rekon­struieren. Dieser Vorschlag wurde später wieder kassiert: Im Juni 2017 bekräftigte der Bundestag den Beschluss, das Denkmal zu errichten.

Im Spätherbst 2017 erklärte der Haushaltsausschuss, vor einer Freigabe des Geldes müsse der Verkauf des Grundstücks vom Land Berlin an den Bund geklärt sein und der Preis feststehen – ein Punkt, der zuvor nie eine Rolle gespielt hatte. Er spielte auch keine Rolle, als der Ausschuss 18,5 Millionen Euro für die Kaiser-Kolonnaden freigab. Inzwischen sind die Verhandlungen um das Grundstück abgeschlossen. Im September 2018 gab der Haushaltsausschuss des Bundestages die erforderlichen 17 Millionen Euro für die begehbare Waage mit dem Titel „Bürger in Bewegung“ frei.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 10.05.2019

 

 

 

 

2 Kommentare zu “„Neuer Streit um Einheitsdenkmal“

  1. Bei der letzten Bundestagsdebatte bezeichnete die CDU-Abgeordnete Motschmann alle Kritiker dieser Wippe als Gegner des Einheitsdenkmals. Ich hatte der Dame damals geschrieben, daß es keineswegs um das ob des Denkmals sondern allein um das WIE ginge. Antwort habe ich nie erhalten.
    Natürlich brauchen wir ein Denkmal zur Erinnerung an die Wiedervereinigung, aber nicht solch ein lächerliches Konstrukt, worüber wir in aller Welt ausgelacht werden. Solch eine Riesen-Kinderschaukel ist vielmehr eine Beleidigung für all die vielen Streiter in der DDR für die deutsche Einheit und Freiheit.
    Als einzige Fraktion verlangte damals die AfD, man solle dieses Ding nicht bauen. Sie schlug vor, die einstigen Kolonaden wieder zu errichten und als Denkmal zu gestalten, vergleichbar dem Deutschen Eck in Koblenz, das Jahrzehnte als solches diente. Der Antrag wurde natürlich abgeschmettert.

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