„Publikumsmagnet und architektonisches Scheusal auf Stelzen“

31.12.2018   robb 24

Die Humboldtbox bot einen prächtigen Ausblick auf das werdende Berliner Schloss. Zum Jahreswechsel schließt nach den Ausstellungsräumen auch die Dachterrasse. Dass das hässliche Ding bald weg ist, hat aber auch sein Gutes, kommentiert Maria Ossowski.

Schönheit und Schrecken liegen nah beieinander. Beginnen wir mit dem Schönsten: dem Blick vom Café und der 31 Meter hohen Dachterrasse auf Berlins Mitte, auf die Museumsinsel, den Dom und rüber zum Alexanderplatz. Auf die verhüllte Friedrichswerdersche Kirche, die rosa schimmernde Staatsoper und auf das Reiterstandbild des großen Friedrich. Das Wichtigste jedoch: auf das wachsende Schloss.

Die Humboldtbox war ein echter Publikumsmagnet: Millionen Besucher haben sieben Jahre lang in luftiger Höhe die Baufortschritte bewundern können und Auge in Auge mit Adlern, Wappen, Löwenköpfen, Göttern, Kriegern, Widdern und Putten, Vignetten und allen Repliken die 180 Meter lange Fassade so detailliert gesehen, wie das nie wieder möglich sein wird. Ob Renaissance-, Barock- oder Klassizismus-Imitate, der feinziselierten Handwerkerarbeit der Skulpteure, Stukkateure, Steinmetze und Gipsformer kommen wir nie wieder so nahe wie von der Dachterrasse der Humboldtbox.

Kaiser-Latte und Wechselausstellungen

Dazu konnten wir im erstaunlich gut sortierten Café einen Kaiser-Latte trinken, ein feinstes Gebräu aus flüssiger Schokolade, Espresso und Milchschaum. Dass der Kaiser dies zu sich nahm, ist eher unwahrscheinlich. Die Gastronomie zieht jetzt in die Mercedes Benz Arena.

In den Stockwerken unter der Dachterrasse residierte zum einen der Förderverein mit seinen 80 ehrenamtlichen Mitarbeitern, deren wichtigste Aufgabe es war, Werbung zu machen für das Schloss, über die baulichen Fortschritte und die architektonische Philosophie zu informieren und über den Stand der Spendengelder. Da fehlen noch einige Milliönchen, aber der Spiritus Rector der gesamten Schlossinitiative, Wilhelm von Boddien, zeigt sich optimistisch, sie noch einzutreiben.

In den anderen Stockwerken der Humboldtbox sollte das zukünftige Humboldtforum mit Wechselausstellungen Appetit machen auf die Zukunft der außereuropäischen Sammlungen im Schloss. Diese klugen kleinen Ausstellungen waren nicht so gut besucht wie die spektakuläre Dachterrasse oder die Miniaturschlossmodelle und der Souvenirshop, im Schloss wird sich das ab Ende 2019 garantiert ändern.

Ein Grund erleichtert aufzuseufzen

Jetzt zum Schrecken neben all der Schönheit: Dieses blautürkisfarbene Gebilde namens Humboldtbox, vom Architektenteam Krüger, Schuberth & Vandreike entworfen, war ein architektonisches Scheusal auf Stelzen, ein Kubus in Knallfarben, der jede Blickachse störte. Er dominierte das zarte Rosé der Staatsoper, das dunkle Rot der Nationalgalerie und den schwarzen Stein des Domes und war so hässlich, dass selbst der größte Schloss-Skeptiker wahrscheinlich erleichtert aufseufzt bei dem Gedanken, ein echter Neubau hätte so grausig werden können wie diese Humboldtbox.

Am 1. Januar ist jedenfalls endgültig Schluss, dann beginnen die Geothermie-Bohrungen, um das neue Schlossgebäude ordentlich zu heizen. Wer die äußere Hülle der Humboldtbox dennoch vermissen sollte, keine Sorge: Es gibt genug scheußliche Gebäude in der Stadt, die der Humboldtbox in puncto Hässlichkeit Konkurrenz machen.

Sendung: Inforadio, 28.12.2018, 13:55 Uhr

 

Quelle: rbb 24, 31.12.2018

 

 

 

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