„Stolz wie Sau“

08.10.2016   Sächsische Zeitung

Im wiederaufgebauten Berliner Schloss will ein Brite die Welt darstellen. Zuvor aber blickt er auf Deutschland.

Von Rafael Barth

Kleinstaaterei ist Mist. Oft hört man jemanden schimpfen über Deutschland, über das langwierige Entstehen von Gesetzen und darüber, dass Schüler in Sachsen was anderes lernen als in Bayern. Im Grunde sind die 16 Bundesländer leicht zu handhaben, vergleicht man sie mit dem Kaiserreich. Auf dem altpolitischen Flickenteppich machte jeder Kurfürst, jeder Bischof, jeder Herzog sein eigenes Ding. Und auf jedem Fleck zahlte man mit anderen Silbertalern oder Golddukaten. Nur durch Wiegen wurden sie vergleichbar. Sonst hätte man das um 1700 nicht hingekriegt mit mehr als zweihundert verschiedenen Währungen.

Das Mosaik der Münzen bedeckt die Fläche des deutschen Kaiserreichs. Es ist ein Blickfang der neuen Deutschland-Ausstellung, die ab diesem Wochenende im Berliner Gropius-Bau zu sehen ist. Für dieses Museum war sie nie geplant, ja nicht einmal für die Bundesrepublik, sagt Neil MacGregor. Vor zwei Jahren hat der damalige Chef des British Museum die Schau in London gezeigt. Da seine Landsleute Deutschland oft nur mit den Hitlerjahren verbinden, wollte er ihren Blick weiten. So versammelte MacGregor Objekte wie den VW Käfer oder ein Nashorn aus Meissener Porzellan, um vom deutschen Erfindergeist zu erzählen. Und auch, um Unterschiede in den politischen Traditionen beider Staaten aufzuklären. Erst die deutsche Kleinstaaterei habe die Reformation ermöglicht und ganz allgemein eine Bereitschaft zu Kompromissen. Das lässt sich von den Briten seit dem Brexit kaum noch behaupten.

Der Brexit war immer wieder Thema bei der Ausstellungspräsentation am Freitag. Aber MacGregor ist kein Mann, der sich als Erklärer lauthals in den Vordergrund spielt. Manche sagen sogar, gemessen an seiner neuen Aufgabe blieb er viel zu lange im Hintergrund. MacGregor ist seit diesem Jahr Chef jenes Intendantentrios, das Ideen liefern soll für das neue Humboldtforum. Unter dem Namen entsteht ein Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung im Berliner Schloss, das derzeit wiederaufgebaut wird. Doch während die Hülle immer mehr an Gestalt gewinnt, weiß man vom Inhalt nur Ungefähres. Ein Kulturort neuen Typs soll es werden, hat die Kulturstaatsministerin einmal gesagt. Ein Ort, der die Geschichte der Menschheit